Seite 1 von 3 123 LetzteLetzte
Ergebnis 1 bis 12 von 34

Thema: Otto Waalkes, Oli Dittrich, Wigald Boning, Helge Schneider und Jürgen von der Lippe (Der Aufmarsch d

  1. #1

    Registriert seit
    05. 2001
    Ort
    Köln
    Beiträge
    3.685
    Originell ist das sicher nicht: Das Motiv des "Traurigen Clowns" ist bestenfalls Klischee und schlimmstenfalls der letzte Abfuck (Ausnahme: "Kinder des Olymp").

    Wer jemals die Flut von Postern und Postkarten mit glitzernden Tränen-Harlekinen bei "Nanu Nana", "Teures Billig" oder "Rudis Resterampe" bewundert hat, weiß, dass es sich um keine Außenseitermeinung handelt, wenn jemand behauptet, ein echter Clown hat gefälligst traurig zu sein, wenn er auf der Bühne richtig lustig sein will. Was aber ist, wenn man auf der Bühne auch nicht mehr so richtig angesagt ist?

    Aus irgendeinem Grund saß ich mal in einem Raum mit Otto Waalkes, Oli Dittrich, Wigald Boning, Helge Schneider und Jürgen von der Lippe. Die fünf hatten einen gemeinsamen musikalischen Auftritt zu absolvieren.

    Otto Waalkes, der Fünfzigjährige, bedeckte sein mittlerweile spärlich gewordenes Haar mit der notorischen Basecap. Da sein Witz seit Jahren (vielleicht schon seit Jahrzehnten) nicht mehr innovativ ist, bedient er sich immer einer Art weichen Kopfstimme, die "Humor" signalisieren soll. Dazu macht er bei jeder sich passenden Gelegenheit diese ihm eigene Geste, indem er die Hände zu Pfoten mach und "ha-haa" sagt. Das soll lustig sein.

    Ansonsten machte er sich an seiner erzdummen, jungen, blonden Frau Eva zu schaffen, die den älteren Herrn anhimmelt, dessen verblasster Glanz immer noch heller scheint als sie es durch ihr Starlet-Dasein je zu erreichen vermag. Verdammt dazu, "Otto" zu sein, und nicht "Herr Waalkes", hat Otto es aufgegeben, in Würde zu altern.

    Daneben saß Wigald Boning in einer komplett albernen orangenen Uniform. Die trug er als Berufskleidung, weil er seinen "Moorhuhn"-Song promoten wollte, von dem Wigald aber bereits wusste, dass ihn keiner kaufen wird, weil er erst auf den Markt kam, als der Moorhuhn-Hype schon vorbei war. Deswegen saß Boning wie ein Häuflein Elend in der Garderobe und redete kein Wort.
    Das aufgezeichnete Interview für's Internet spulte er ab wie jemand, der auf Knopfdruck gute Laune zu verbreiten hatte - danach sackte er wieder in sich zusammen. Sein Widerwillen gegen die ganze Veranstaltung war so offensichtlich, dass er sich in einen separaten Raum zurückzog - wohl, damit ihn keiner in dieser demütigenden Uniform zu sehen bekam. Er und Dittrich würdigten sich keines Blickes.

    Oli Dittrich saß in feinem Zwirn neben seiner Lebensgefährtin und faselte etwas davon, dass er mit seiner Kunst ernstgenommen (sic!) werden wollte. Er sieht sich offensichtlich in der Tradition von Loriot; er hat allerdings nicht nur die frühere Albernheit der "Doofen", sondern auch im Gegensatz zu Loriot jeden Witz aus seinem Schaffen eliminiert, was ihn zu einer Art Arbeitslosen gemacht hat.

    Er versuchte, "professionell" jedes Detail des Auftritts durchzuplanen. Das funktioniert aber nun mal nicht bei Leuten, die nur knapp 20 Minuten zusammen proben können. Das hat ihn missmutig und muffelig gemacht. Fortan unterhielt er sich nur noch mit seiner Frau.

    Jürgen von der Lippe lächelte versonnen und streichelte sein Instrument. Er schien glücklich zu sein, dass er nicht reden musste, sondern sich musikalisch äußern durfte. Er dippte ab und zu seine Möhre in die Sauce, knabberte still vor sich hin und wartete auf seinen Auftritt. Sich melancholisch wiegend, spielte er seinen Part in Gedanken durch.
    Glücklich ist, wer Autist.

    Helge Schneider war ganz bei sich. Er saß in seinem violetten Samtanzug steif auf einem Sofa, die Hände gerade auf dem Schoß und lächelte sich durch die Wartezeit. Hie und da winkte er imaginären Leuten zu und grüßte in die Leere.

    Natürlich muss ein Comedian nicht immer lustig sein. Erschreckend aber ist, was für Schwierigkeiten die Kollegen vor der Kamera haben, eine halbwegs unproblematische nicht-lustige Haltung zum Leben zu entwickeln.
    Nach dem Auftritt verschwanden alle, wie sie gekommen waren. Nur Wigald Boning zog sich um, packte seine Moorhuhn-Uniform in eine große Plastiktüte von Kaiser's und verabschiedete sich höflich und leise, ohne mir in die Augen zu blicken - so wie jemand, der Angst vor der Meinung anderer Menschen hat.
    Geändert von Tristram Shandy (19.07.2002 um 13:08 Uhr)

  2. #2
    Member Avatar von rapsak
    Registriert seit
    07. 2001
    Ort
    berlin
    Beiträge
    195
    That's a sad and beautiful story, boy. Und sie passt genau zum Wetter vor meinem Fenster. Ich zieh mir noch schnell mein Clownskostuem ueber und dann geh ich mich im Speicher aufhaengen. Bis spaeter dann.

  3. #3
    Moderator_S Avatar von U_Sterblich
    Registriert seit
    05. 2001
    Ort
    Berlin
    Beiträge
    7.587
    Also hier scheint die Sonne, und abgefuckt sind vielleicht nur jene Komiker, die ihr mageres Talent ans Fernsehen verticken.
    Bin mir aber nicht so sicher. Sehe auch manchmal lustiges im Fernsehen. Jedenfalls möchte ich die Berufsgruppe der Komiker in Schutz nehmen, denn die Klischees über sie stimmen nicht.
    Die Geschichte las ich gern und schmunzelnd.

  4. #4
    Member
    Registriert seit
    08. 2001
    Ort
    Berlin
    Beiträge
    47
    ja,ja, simmel hat recht: mit den clowns kamen die tränen.
    Boning hat noch ziemlich hin bis zur rente. Und autisten wie lippe schlägt keine stunde. aber otto,otto.... verstehe nicht, warum der nicht abtritt, ist es als multimillionär so chwer sich einen anderen zeitvertreib zu suchen?
    ansonsten: selten so geweint.

  5. #5
    Embedded Senator Avatar von DerCaptain
    Registriert seit
    02. 2001
    Ort
    Berlin
    Beiträge
    6.449
    Herrlich! Rock'n'Roll!
    ------------------
    'd'oh!'

  6. #6

    Registriert seit
    08. 2001
    Ort
    wien
    Beiträge
    138
    Lieber Tristram
    zu gerne würde ich wissen, ob Sie dieses verhalten überraschte, oder ob Sie sich schon vorher überlegt haben, dass dieses gipfeltreffen so verlaufen wird. dass die herren gefangenen ihrer eigenen blödelblasen sind , wie boning, oder glatten realitätsverlust erlitten haben wie sein ehehmaliger kollege.
    anscheinend definieren die ihr leben wirklich nur über ihren, wenn auch lange strecken unlustigen, humor.
    ist es der misserfolg, der die herren innerlich gebrochen hat, oder ist wirklich schon ihr ganzes weltbild auseinandergebröckelt?
    wäre ihr leben noch in ordnung wenn sie künstlerisch wertvoller, feinsinniger, subtiler wären?
    beim lesen Ihrer geschichte scheint es beinahe so. und dass dies so sein könnte macht nachdenklich und ihre geschichte beim zweiten mal lesen noch schöner.

  7. #7

    Registriert seit
    05. 2001
    Ort
    Köln
    Beiträge
    3.685
    Ich glaube ja, dass die Jungs feinsinnig, subtil und sensibel sind.
    Aber erstens will das keiner hören. Oder möchtet Ihr einen subtilen Wigald Boning?
    Und zweitens verwechselt man immer Humor mit Persönlichkeit. Will sagen: Man ist bei Comedians geneigt zu glauben, die wären auch im wirklichen Leben lustig, weil Humor etwas Spontanes ist, was eng an das 'Ich' geknüpft ist.
    Ist aber auch nur ein Job wie jeder andere. Man beutet bloß seinen Sinn für Humor so aus. Und je industrieller so was gemacht wird, desto weniger bleibt von der 'wirklichen Persönlichkeit' übrig.
    Ich z.B. habe schon lange nicht mehr gelacht.
    (Beitrag wurde von Tristram Shandy am 27.09.2001 um 17:55 Uhr bearbeitet.)

  8. #8
    Large Member Avatar von vir
    Registriert seit
    07. 2001
    Ort
    Pulitz
    Beiträge
    5.387
    Die Rock 'n Roll Nummer, die diese Super Session - Stefan Raab stiess natürlich auch noch dazu - schliesslich dahinskifflete war übrigens auch nicht gerade ein Ohrenschmaus.
    ------------------
    Ultra posse nemo tenetur



  9. #9

    Registriert seit
    05. 2001
    Ort
    Köln
    Beiträge
    3.685
    Das wiederum fand ich recht amüsant. Aber das war auch nicht der Punkt, auf den ich hinauswollte...
    ----
    virchow war früher besser

  10. #10
    Moderater Avatar von Murmel
    Registriert seit
    04. 2001
    Ort
    Im Afrika
    Beiträge
    11.813
    Es ist kein Job wie jeder andere. Und ich lache ständig. Wenn ich bei einer Arbeit nicht lachen kann, beende ich sie. Das geht einfach und tut gar nicht weh.
    (Beitrag wurde von Murmel Clausen am 27.09.2001 um 18:17 Uhr bearbeitet.)

  11. #11

    Registriert seit
    05. 2001
    Ort
    Köln
    Beiträge
    3.685
    Murmel, versteh mich richtig. Du machst es sicher nicht so industriell wie ich.
    Das Industrielle dabei nervt so.
    Und das mit dem Beenden geht gar nicht so einfach. Denn eigentlich ist es ja ein Spitzenjob. Wenn ich ihn nicht hätte, würde ich ihn haben wollen. Aber wenn man ihn hat, nervt er nach ein paar Jahren...
    Aber es geht ja auch mehr um die Leute vor der Kamera.
    Die werden richtig krank.

  12. #12
    Member Avatar von frosch2
    Registriert seit
    04. 2001
    Beiträge
    1.848
    Schöne schaurige Geschichte Tristram. Herrn von der Lippe schätzte ich sehr. Geld oder Liebe oder die Sendung mit den seltensamsten Gästen, welche schon lange vorher den Raab der Woche verdient hätten. Deshalb besorgte meine Freundin ohne weitere Rückfrage Karten für seine letzte Solotour zur CD (?) im Schillertheater. An einem sowieso schon zugepackten Sonnabend hetzten wir zwischen meinem Klassentreffen und vor ihrem Ex-Wohnungsbesetzer Beisammensein nach Charlottenburg. Natürlich kamen wir zu spät, hörten schon im Foyer das brüllende Publikum und wurden schließlich nach einem Gesangsbeitrag, der erfahrungsgemäß Applausstürme hervorruft, so die nette Studentin am Einlaß, in den Saal gelassen.
    Jürgen von der Lippe war schlecht. Geboten wurden ausschließlich Pippi, Kacka, Ficki und Prostata Witze einer Qualität, die selbst frosch2 nicht zum Grinsen bringen konnte. Ich fühlte mich um Jahrzehnte zurückversetzt, in grausige Familienfeiern bei Onkel Siegfried, der zwar ein hervorragender Kegler ist (Trophäenmassen zieren die Treppe zu den Obergemächern), nach einigen Schnäpsen aber genau diese Scherze zum Besten gab. Damals durften wir noch nicht mittrinken.
    Das Publikum tobte, wir sahen uns an und wußten, zur Pause werden zwei gute Plätze frei. Zum ersten mal verließ ich eine Theaterveranstaltung vor dem offiziellen Ende. Wir fuhren zu ihrem Treffen in eine gemütliche Lokalität des Prenzlauer Berges. Nach einer Stunde hatte ich dort meine Aufgabe, den Abend photographisch zu dokumentieren, erfüllt und düste retour in den Speckgürtel, zum zweiten Teil des Klassentreffens. Die Mehrzahl der Damen und Herren war inzwischen anständig betrunken und der Tag kann zusammenfassend als gelungen betrachtet werden. Einschließlich weißen Mäusen um 3:30 Uhr, die mich Dank trainierter Leber, Hyperventilation und ausgefeilter Pustetechnik mit 0,4 Promille ziehen ließen.

Aktive Benutzer

Aktive Benutzer

Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)

Berechtigungen

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein
  •