Originell ist das sicher nicht: Das Motiv des "Traurigen Clowns" ist bestenfalls Klischee und schlimmstenfalls der letzte Abfuck (Ausnahme: "Kinder des Olymp").
Wer jemals die Flut von Postern und Postkarten mit glitzernden Tränen-Harlekinen bei "Nanu Nana", "Teures Billig" oder "Rudis Resterampe" bewundert hat, weiß, dass es sich um keine Außenseitermeinung handelt, wenn jemand behauptet, ein echter Clown hat gefälligst traurig zu sein, wenn er auf der Bühne richtig lustig sein will. Was aber ist, wenn man auf der Bühne auch nicht mehr so richtig angesagt ist?
Aus irgendeinem Grund saß ich mal in einem Raum mit Otto Waalkes, Oli Dittrich, Wigald Boning, Helge Schneider und Jürgen von der Lippe. Die fünf hatten einen gemeinsamen musikalischen Auftritt zu absolvieren.
Otto Waalkes, der Fünfzigjährige, bedeckte sein mittlerweile spärlich gewordenes Haar mit der notorischen Basecap. Da sein Witz seit Jahren (vielleicht schon seit Jahrzehnten) nicht mehr innovativ ist, bedient er sich immer einer Art weichen Kopfstimme, die "Humor" signalisieren soll. Dazu macht er bei jeder sich passenden Gelegenheit diese ihm eigene Geste, indem er die Hände zu Pfoten mach und "ha-haa" sagt. Das soll lustig sein.
Ansonsten machte er sich an seiner erzdummen, jungen, blonden Frau Eva zu schaffen, die den älteren Herrn anhimmelt, dessen verblasster Glanz immer noch heller scheint als sie es durch ihr Starlet-Dasein je zu erreichen vermag. Verdammt dazu, "Otto" zu sein, und nicht "Herr Waalkes", hat Otto es aufgegeben, in Würde zu altern.
Daneben saß Wigald Boning in einer komplett albernen orangenen Uniform. Die trug er als Berufskleidung, weil er seinen "Moorhuhn"-Song promoten wollte, von dem Wigald aber bereits wusste, dass ihn keiner kaufen wird, weil er erst auf den Markt kam, als der Moorhuhn-Hype schon vorbei war. Deswegen saß Boning wie ein Häuflein Elend in der Garderobe und redete kein Wort.
Das aufgezeichnete Interview für's Internet spulte er ab wie jemand, der auf Knopfdruck gute Laune zu verbreiten hatte - danach sackte er wieder in sich zusammen. Sein Widerwillen gegen die ganze Veranstaltung war so offensichtlich, dass er sich in einen separaten Raum zurückzog - wohl, damit ihn keiner in dieser demütigenden Uniform zu sehen bekam. Er und Dittrich würdigten sich keines Blickes.
Oli Dittrich saß in feinem Zwirn neben seiner Lebensgefährtin und faselte etwas davon, dass er mit seiner Kunst ernstgenommen (sic!) werden wollte. Er sieht sich offensichtlich in der Tradition von Loriot; er hat allerdings nicht nur die frühere Albernheit der "Doofen", sondern auch im Gegensatz zu Loriot jeden Witz aus seinem Schaffen eliminiert, was ihn zu einer Art Arbeitslosen gemacht hat.
Er versuchte, "professionell" jedes Detail des Auftritts durchzuplanen. Das funktioniert aber nun mal nicht bei Leuten, die nur knapp 20 Minuten zusammen proben können. Das hat ihn missmutig und muffelig gemacht. Fortan unterhielt er sich nur noch mit seiner Frau.
Jürgen von der Lippe lächelte versonnen und streichelte sein Instrument. Er schien glücklich zu sein, dass er nicht reden musste, sondern sich musikalisch äußern durfte. Er dippte ab und zu seine Möhre in die Sauce, knabberte still vor sich hin und wartete auf seinen Auftritt. Sich melancholisch wiegend, spielte er seinen Part in Gedanken durch.
Glücklich ist, wer Autist.
Helge Schneider war ganz bei sich. Er saß in seinem violetten Samtanzug steif auf einem Sofa, die Hände gerade auf dem Schoß und lächelte sich durch die Wartezeit. Hie und da winkte er imaginären Leuten zu und grüßte in die Leere.
Natürlich muss ein Comedian nicht immer lustig sein. Erschreckend aber ist, was für Schwierigkeiten die Kollegen vor der Kamera haben, eine halbwegs unproblematische nicht-lustige Haltung zum Leben zu entwickeln.
Nach dem Auftritt verschwanden alle, wie sie gekommen waren. Nur Wigald Boning zog sich um, packte seine Moorhuhn-Uniform in eine große Plastiktüte von Kaiser's und verabschiedete sich höflich und leise, ohne mir in die Augen zu blicken - so wie jemand, der Angst vor der Meinung anderer Menschen hat.
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