(natürlich nur im metaphorischen Sinne)
Es begab sich in den bunten 70ern, bei Radio Bremen, vor der Aufzeichnung einer Fernsehsendung des 'Musikladens', seinerzeit das regionale Weser/Ems Äquivalent zu Iljas 'Disco'.
Eine lange Zeit schönster Vorfreude lag hinter mir, als ich mich endlich im Andrang befand, man tummelte sich. Doch gleichzeitig zog es sich - und eingepulkt vor noch verschlossenen Studiotüren schlich sich me-nothing you-nothing Harndrang an. Warum nur ändert sich in Momenten freudiger Erregung und inmitten einer Menschenmenge, schlagartig das Urinverhalten so penetrant? Abwägend, hochziehen oder nicht, wurde passenderweise der Aufruf zum Eintreten gereicht. Die nervöse Blase restlich enerviert, der kleine Mensch drum herum auch. Eintreten später, Austreten sofort. Wo kann man denn hier mal für hibbelige Teenager?
Eine gemütliche Dame mit mildem 'ich-kenn-mich-aus-Blick' hub an: 'Jaaaa, wenn du die Toiletten suchst, also das Damenklo, oder? Ja, dann würde ich sagen, den Flur zurück, den musst du erstmal gaaanz wieder zurück. Ja? Dann linker Hand durch die Halle. Also immer schön links, quer durch den Eingangsbereich. Aber nicht an den Zigarettenautomaten, Kindchen. Nein, nein, das ist die Garderobe. Das meinen nämlich viele, dass da die Toiletten sind, is aber nich. Nee, die sind ja auf der anderen Seite, und da kommst du am besten hin, wenn du...' - Großartig. Ich am Ertrinken und sie erklärt mir die Gewässer.
Endlich am Ziel ist alles besetzt. Aus der Ferne ließ sich der zweite 'Eintreten' Aufruf vernehmen. Blutdruck, Adrenalin und Blasendrangsal schnellten wie auf Anpfiff in die Höhe. Bleischwere Zeit verstrich, bis sich in der mittleren Kabine akustisch das Ende eines schwierigen Defäkalisierungsvorgangs andeutete. In gehziemlichen Abstand zur Klotür, vorderballenwippend, konzentriert das schwarz-weiß Mosaik der Örtlichkeit studierend, hatte ich mental die Hose schon unten. Große Freude im kleinen Lager, 'besetzt' wechselte auf 'frei' und eine sichtlich zufriedene Dame durchtrat die Türfüllung, schenkte mir ein Lächeln. Welches jäh zerstob, als hinterrücks recht harsch die Eingangstüre aufgerissen wurde und eine schlaksige, männliche Gestalt sich bauchriemennestelnd an uns vorbei Richtung sanitäre Anlage drängelte. Schrecken und Verwirrung standen im Raume. Das Schnappen des Türschloss' von Kabine Mitte verschluckte irgendeine käsige Murmelei. Die vormals zufriedene Dame stapfte mit kopfschüttelnder Empörung aus dem Etablissement und ließ mich kleine Seele quasi psychisch penetriert zurück.
Es dauerte nicht lang, und nach einem eilfertig - vermutlich im Stehen - verrichtetem Vorgang der Entwässerung, taucht aus Kabine Mitte der Knautschkopf wieder auf. Er preschte sogleich, so wie ich es von ihm nicht anders kannte, despektierlich an mir vorbei, mit Elan Richtung Spiegelfront. Ich stand da wie Lots Weib und verfolgte, wie er rechtshändig mit hektischen Strichen das tollige Haupthaar richtete und linker Hand einen Zwanzigmarkschein ans Neonlicht fummelte. Seine Ohren kriegten Besuch und ich nebst Geldschein das genuschelte Friedensangebot: 'Hier, Maidje, kauf Dir was Schönes. - Auf Wiedersehen.' Ich dachte nur: Es eilt nicht so. Und kaufte mir 'ne Rückfahrkarte. Denn meine schöne rote Cordhose mit Megaschlag war unfreiwillig hin wie meine Laune. Rudi Carrell ist für mich gestorben. Zumal der Grobian sich noch nicht mal die Hände gewaschen hat...
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