Für alle, die lange, abschweifende Geschichten hassen und lieber gleich auf den Punkt kommen:
Ganz nach unten scrollen, da steht dann der Name des Paparazzierten in Fettdruck.
Alle anderen: da müßt ihr durch!
Vor 10 Jahren hatten meine Eltern in Velbert ein Hotel Garni gepachtet, also ein Hotel, in dem man zwar übernachten und frühstücken kann, aber niemals etwas Heißeres als ein warmes Ei erwischen wird, so hungrig man auch des Abends heimkehrt. Meine Mutter machte da aber manche Ausnahme, und wenn ihr wer sympathisch war und sie ganz lieb bat, dann machte sie demjenigen auch schonmal ein Schnitzel mit Pommes.
Es war ein schäbiges, aber sauberes kleines Hotel mit 14 Zimmern. Ich habe vier Jahre lang, bis ich in meine eigene Wohnung zog, in Nummer 3 gewohnt. Auf meinem Zimmer war ein Waschbecken, aber kein Klo und keine Dusche. Wenn ich nachts austreten mußte, hüpfte ich immer in meinem Schlafanzug quer über den Flur, stets bangend, einem fremden Gast in die Arme zu laufen.
Bei diesen nächtlichen Toilettengängen ist mir aber niemals ein Prominenter begegnet.
Zum Duschen schlüpfte ich morgens immer in meinen eigens für Zimmer-3 angeschafften Morgenmantel und huschte in die erste Tür links, wo sich die Wohnung meiner Eltern und meiner Schwester befand. ³Privatã stand auf der Tür. Ich wollte immer, daß die goldene 3 auf meiner Tür auch gegen ein ³Privatã ausgetauscht werden sollte, aber meine Eltern waren dagegen, denn das Hotel war, wie erwähnt, nur gepachtet.
Eines Morgens nun kam ich in die Wohnung, und hörte, wie im Wohnzimmer mit Gläsern geklimpert wurde. Ich trat ein und fand meine Mutter vor dem ³Giftschrankã, also dem Teil der Schrankwand Eiche rustikal, in dem sich die nicht unansehnliche Sammlung von Spirituosen befand, und der ausschließlich bei Familienfesten und ähnlichen Gelagen geöffnet wurde.
Ich krähte ein fröhliches ³Guten Morgen!ã und mein armes Mütterlein ließ beinahe eine Flasche Eckes Edelkirsch fallen. ³Ich suche den Wodkaã, erklärte sie mir. Ich vermute, ich habe nur ³Häh?ã gesagt. Ich bin morgens nicht sehr eloquent.
Es stellte sich heraus, daß ³Wodkaã dem Begehren eines Hotelgastes entsprach. Respektive dem Begehren einer ganzen Gruppe von Hotelgästen.
Hier schweife ich mal ab, sonst ist es so schnell vorbei..
Hat jemand schonmal von Velbert gehört? Eher nicht, nehme ich mal an. Das damals 70.000 Seelen-Kaff liegt auf halber Strecke zwischen Essen und Wuppertal, dümpelt somit am unteren Rand des Ruhrgebietes vor sich hin und möchte sich doch schon zum Bergischen Land zählen. Sauerland ist völlig woanders. In Velbert gibt es keine Bahnhof, außer einem stillgelegten Güterbahnhof. Es gibt auch keine Sehenswürdigkeiten, wenn man vom ³Bergischen Schloß- und Beschlägemuseumã absieht. Velbert, die Stadt der Schlösser und Beschläge. Türschlösser, natürlich. Türbeschläge, wohlgemerkt. Die produzieren wir dafür in so rauhen Mengen, daß am Schlüsselbund eines jeden Deutschen mindestens 80% der Schlüssel aus Velberter Produktion sind. Die Autoschlösser für Audi, BMW, VW.. alle aus Velbert. Gießereien sind häßlich und Velbert ist es auch. Kein einziges Haus älter als ein Jahrhundert. Wenn überhaupt! No Kopfsteinpflaster, no schnuckelige alte Kirche.
Tot. Jemand hat mal über irgendeine andere Stadt geschrieben ³Da möchte man nicht tot über«m Zaun hängen!ã. So eine Stadt ist Velbert. Wo ich bis zu meinem 21. Lebensjahr gewohnt habe und 2 Wochen im Jahr Urlaub mache.
Eine Velberter Urban Legend besagt, daß eines Tages ein Reisebus kamerabewehrter Japaner auf dem Rathausplatz (Rathaus totaaaal häßlich!) parkte und verzweifelt nach knipsenswerten Objekten Ausschau hielt. Auf die Frage, womit man denn dienlich sein könne, lautete die Antwort ³Wir suchen die Schlösser.ã Neuschwanstein, Velbert. Haha. Urban Legend, ich bin sicher.
Was ich damit andeuten will: Touristen verirren sich nicht nach Velbert, und Prominente schon gar nicht, es sei denn, sie werden von der ansässigen Buchhandlung zu einer Lesung eingeladen oder sind so weit heruntergekommen, daß sie auch bei Supermarkteröffnungen ihre Schlager von einst zum Besten geben. Jürgen Markus war mal in Velbert in der Disco, aber ich habe ihn nicht gesehen. Kennt jemand noch Jürgen Markus?
Und _wenn_ sich tatsächlich mal echte Prominenz nach Velbert traut, dann steigt sie im Hotel ³Zur Traubeã ab, aber nicht im ³Hotel Goeben Garniã, wo das Einzelzimmer mit Frühstück 60 DM gekostet hat. (Das Hotel gibt es übrigens nicht mehr, ist jetzt eine Gynäkologin eingezogen. Kein Schwein weiß, wofür die 14 Zimmer plus Wohnung braucht, denn sobald die Schwangerschaft akut wird, reist die Velberterin nach Essen ins Katholische Krankenhaus in Werden. Wie meine Mama. Drum steht in meinem Personalausweis auch Geburtsort Essen, und nicht Velbert. Schade, eigentlich.)
Bei uns sind meist Monteure abgestiegen, Industrieschlosser, Vertreter von Autozulieferbetrieben, manchmal auch Verwandte, die man auf dem Sofa nicht mehr unterbringen konnte und selten, sehr selten auch Künstler, die ihrer Agentur nicht einmal die 150 DM für die ³Traubeã wert waren.
Auf die abgehalfterten Künstler war meine Mama aber immer besonders stolz und die Rezeption, ein kleiner Kasten aus Spanplatten und Glas mit einem Schlüsselbrett und einer saukomplizierten Telefonanlage, wurde von Autogrammkarten verziert, die sie statt des Trinkgeldes bekam. Nein, das ist jetzt gelogen, aber es klang so hübsch. Ich weiß nicht, ob sie auch noch zusätzlich Trinkgeld bekam. Ist in Hotels eher unüblich. Der Bruder von Catarina Valente war mal bei uns, aber ich hab nur ein paar Tage später seine Autogrammkarte entdeckt. Er war mir gänzlich unbekannt, es ist also kein Wunder, daß ich seinen Namen vergessen habe. Francesco..? Ich komm nicht drauf.
Zurück zum Wodka. Ich nahm, als meine Mutter mir die Erklärung abgab, sofort an: Das kann nur ein Künstler sein. Jedem Monteur, der sich erdreistet hätte, des Morgens nach dem Frühstück nach Wodka zu schreien, wäre seine Bitte unweigerlich mit einem scharfen tadelnden Blick abgeschlagen worden.
Angesteckt vom servilen Eifer meiner Mutter erbot ich mich, eine Flasche Wodka im nahegelegenen Edeka-Laden zu kaufen (Ich war schon 22 oder 23).
Zurückgekehrt, packten wir 8 Schnaps-Pinnchen auf ein Silbertablett, stellten den Wodka in die Mitte und rangelten ein Weilchen darum, wer von uns denn nun ins Frühstückszimmer gehen dürfte, um das Gewünschte zu servieren. Ich hab gewonnen!
Ich ging also hinein, und sah mich acht lässig auf den Sesseln lümmelnden Holländern gegenüber: Herman Brood & the Wild Romance.
Ich ahne, daß jetzt etliche von euch mit den Schultern zucken, und ich kann es verstehen. Ich wußte überhaupt nur deshalb, daß es eine holländische Rockband dieses Namens gab, weil eine Freundin von mir ein oder zwei Platten besaß. Mir selber ist kein einziger Song erinnerlich und ich überlege die ganze Zeit, ob es nicht an der Zeit wäre, im Angedenken an diese Begegnung zumindest einen Song zu napstern. Immerhin waren sie mal unter den Top 40 der US-Hitparade 1979 oder so. Sie sind auch mit Nina Hagen aufgetreten. Oder sie hat bei einigen Stücken mitgesungen.
Außer, daß sie entgegen aller bergisch-ländischen Gewohnheiten ihre Frühstückseier mit Wodka runterspülten, gab es an der Wohlerzogenheit der ³wild romanceã nicht das geringste auszusetzen. Sie haben nicht in die Betten gekotzt und auf den Teppich gepinkelt, und wenn sie Drogenbesteck dabei hatten, so haben sie es wieder mitgenommen. Sie zahlten ihre Rechnung klaglos und waren uns kleinstädtischer Hotelpächterfamilie gegenüber höflich-gleichgültig. Lieber würde ich natürlich von einem spontanen Gig erzählen, bei dem ich genötigt worden bin, mit Herman Brood im Duett zu singen. Doch nichts dergleichen. Die Prominenz schillerte kurz in unsere Velberter Tristesse und verschwand, ohne mehr zu hinterlassen als diese Erinnerung.
(Beitrag wurde von bAbC am 02.04.2001 um 20:36 Uhr bearbeitet.)
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