Der Prominente, um den es hier gehen soll, ist leider nicht so richtig prominent, er ist kein A-Promi, wie die BUNTE schreiben würde, aber er ist schon öffentlich in Erscheinung getreten und besitzt in gewissen Kreisen Kultstatus. Es handelt sich um niemand geringeren als Hermann Bohlen (keinesfalls und niemals zu verwechseln mit Dieter Bohlen, den nie getroffen zu haben ich immer als mein schönstes Erlebnis betrachten werde).
Zeit des Geschehens: ein Dezembermorgen im Jahre 1997. Schauplatz: ein örtliches Funkhaus, in dem gerade so betitelte 'Hörspieltage' stattfinden. Eine der Attraktionen dieser Hörspieltage war das Café Finsternis, einigen vielleicht sattsam bekannt, ein reisendes Projekt, bei dem einem Blinde in vollkommen (!) abgedunkelten Räumen Getränke verkaufen und still in sich hineinfeixen wenn man zuviel Trinkgeld gibt. Eine wirklich nette Idee. Aber was das gerade bei Hörspieltagen zu suchen hatte ist mir ein Rätsel, schließlich ist das Geschwätz einander fremder Menschen im Dunkeln nicht gerade betörender als jenes derselben im Hellen, auch die Annahme, die Dunkelheit könne die Sinne, gar den Hörsinn schärfen, erwies sich als haltlos, denn eigentlich war man nur damit beschäftigt, doch noch irgendwo ein Fünkchen Licht zu erspähen. Um dies gleich vorweg zu nehmen: das einzige was mich wirklich ein wenig irritierte als ich wenig später selbst Besucherin jenes Cafés werden sollte war, dass mich beim Eintreten keiner anlächelte. So sieht sie also aus, die Welt der Blinden. Das eigentlich konzeptuelle Problem allerdings bestand darin, dass weder alkoholische noch heiße Getränke serviert wurden, und bei Apfelschorle für 2,50 kann selbst der Aufmerksamste nichts Besonderes hören.
Ich betrat also in der Absicht jenem obskuren Café einen Besuch abzustatten das Funkhaus, es muss so gegen 11 Uhr gewesen sein, und schritt durch die mir seit der Teilnahme an einem in dieser Lokalität beheimateten Seminar über elektronische Musik vertrauten Räume hindurch, dorthin wo ES sein sollte. Nun, und da war eben nicht nur ES, das Café, sondern auch ER, der von mir eben so hochgelobte Hörspielschaffende Hermann Bohlen. Er stand vor dem Eingang des Cafés und musste einem (wie ich heute annehme)Praktikanten mit klobigem Aufnahmegerät Rede und Antwort stehen, wie es DORT drinnen gewesen sei und was diese existenzielle Erfahrung in ihm ausgelöst habe. Mein Gott, seine Stimme erkannte ich sofort, aber sein Äußeres! Man stelle sich einen mittelgroßen Hörspielmacher mit bübischer Physiognomie in einem lichtdurchfluteten Foyer an einem jener schneehellen Wintertage vor, nachdem er zwanzig Minuten in absoluter Dunkelheit verbracht hat, ja man stelle sich rückwirkend vor, ihn dabei zu beobachten, wie er gerade, noch völlig benommen vom eben Erlebten aus dem Café taumelt und von einem taktlosen Praktikanten zu sofortiger Stellungnahme genötigt ins Mikrofon blinzelt!! Zwanzig Minuten Dunkelheit und dann im ersten Blendungsschmerz ein Interview geben müssen! Seine Augen waren nicht nur klein, sie waren gleichsam zu winzigen, ameisenkopfkleinen Pünktchen mikrotisiert, lokalisierbar nur am kolibriflinken Wimpernschlag. Es war kein für ihn vorteilhafter Anblick. Ich schluckte kurz und begab mich meinerseits in den allesvertilgenden Schlund der Finsternis. Auf Fotos, die ich inzwischen von ihm gesehen habe sieht er völlig normal aus. So im Nachhinein bin ich sehr traurig, dass ich ihm nicht im Dunkeln begegnet bin. Das wärs doch gewesen: Rumms!!! 'Tschulligung Herr Bohlen!'
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