Am 12. Oktober 2001 flog ich von Frankfurt in die USA, nach Houston, um genau zu sein, damit ich meine Freundin mal wiedersehe. Sie ist Amerikanerin und lebt dort. Ich hatte bei Air France gebucht weil das 500 oder 600 Mark billiger kam als mit der Lufthansa und ich sowieso eine negative Grundhaltung gegenüber der Lufthansa habe. Der Service ist übel, ich habe immer das Gefühl, daß die ö ich will mal politisch korrekt sein ö Flugbegleiterinnen eigentlich lieber Models oder Moderatorinnen wären und die Tätigkeit bei der Lufthansa so eine Art Arbeitslager ist, das durchlaufen warden muß. Und das muß der Kunde büßen. Dementsprechend fühlt man sich auch als Passagier in der Holzklassse. Vielleicht hat Freundlichkeit auch ihren Preis und ich müßte nur ein paar Tausender für die First Class drauflegen. Ich werde es irgendwann mal ausprobieren; nur um meine Neugier zu befriedigen.
Wie dem auch sei, Lufthansa fliegt direkt nach Houston, während man mit Air France einen Aufenthalt in Paris, Aeroport Charles De Gaule, hat. Danach geht es dann mit Continental weiter. Die haben übrigens die netten Entertainment Systems für jeden Sitz und tolles Personal. Die Damen dort sind zwar alle etwas älter, aber man wird als Kunde nicht wie Abschaum behandelt.
Ich hatte also zwei Stunden Aufenthalt und mußte vom Terminal C zum Terminal D und dort noch einmal durch die Sicherheitskontrolle. Ich stand schließlich in einer Schlange vor dem Gerät, das aussieht wie eine Waschanlage für Maschinenteile ö Förderband und schwarze, große Gummifransen und Menschen die sich auf Bildschirmen die skelettierten Inhalte des Handgepäcks ansehen. Um mich herum eine muntere Truppe von US-Bürgerinnen jenseits des Klimakterium, mit den typischen volumenbetonten Frisuren. Deren Unterhaltung stockt plötzlich. Nach einiger Zeit sehe ich den Grund der unvermuteten Andacht. Eine Frau, nein, eine Dame schreitet an der Schlange der Wartenden vorbei. ãHuldvollä dürfte am ehesten den Gesichtsausdruck kennzeichnen. Sie könnte sich in den späten Fünfzigern befinden, allerdings war ich im Schätzen nie sehr begabt wenn es um das biologische Alter von Frauen geht. Sie hat sich aber sehr gut gehalten, ist schlank und relativ schlicht aber elegant gekleidet. Ich kann mich an einen dunklen Rock und ein cremefarbenes Oberteil erinnern. Im Schlepptau hat sie einen Mann, der etwas weniger würdevoll daherkommt und mich die Figur des Hercule Poirot erinnert ö klein und mit Schnurbart, dazu ein kariertes Sakko. Sein Schnurbart ist allerdings nicht dürr, sondern ziemlich voll. Insgesamt ein eher mediterraner Typ.
Ich vermute zuerst, daß es sich um ihren Mann oder ihren Sekretär handelt, gelange aber anhand des intimen Umgangs den dieser Mensch mit dem Personal pflegt, zu dem Schluß daß es sich hier um einen Flughafenoffiziellen handeln muß. Das wird bestärkt durch sein Textilhalsband an dem ein Ausweis hängt.
Nachdem die Dame recht zügig durch die Sicherheitskontrolle geschleust wird ohne, daß sich einer der Wartenden beschwert hätte, und knapp außer Hörweiter von Geflüster ist, höre ich wie die amerikanischen Ladies ãsheâs so graciousä und ähnliche Hochachtungsbekundungen von sich geben. Eine von Ihnen spricht endlich aus, was mich der Erkenntnis einen Schritt näher bringt: ãIs that Lauren Bacall?ä. Bestätigung aus der Runde. Aha! Klar, die kenne ich. Zumindest habe ich den Namen schon mal gehört. Ich vermute, daß sie Schauspielerin ist und versuche, sie mit Humphrey Bogart in Verbindung zu bringen. Dafür sah sie aber zu frisch aus. Ich weiß nun immer noch nicht, wieso die Dame so bekannt ist und ich werde das erst recherchieren, wenn ich das hier fertiggeschrieben habe. Aber auf jeden Fall hat sich Lauren Bacall an der Sicherheitskontrolle in Paris an mir vorbeigedrängelt. Meine Freundin war davon nicht sehr beeindruckt, was mich etwas enttäuscht hat. Ich hatte gehofft, daß dieses Erlebnis ein ãOh my God!ä hervorrufen würde, aber sie interessierte sich viel mehr für mich und den kleinen Eiffelturm, den ich ihr als Souvenir mitgebracht hatte. Vermutlich ist das einer der Gründe warum ich sie liebe.
Nachdem nun meine kleine Geschichte niedergeschrieben ist, habe ich meine Neugier nicht länger zügeln können. Sie hat tatsächlich mit Bogart gedreht und ist 1924 geboren. Sogar verheiratet waren die beiden. Wahnsinn! Ich hätte sie nach ihrem Rezept für ewige Jugend fragen sollen, das hätte mir meine Freundin sicher gedankt. Außerdem hat Lauren Bacall am 16. September Geburtstag, einen Tag vor mir, was darauf hindeutet ö wenn man an Astrologie glaubt ö daß sie einen hervorragenden Character haben muß. Schade eigentlich, vielleicht ware ich etwas aufmerksamer gewesen wenn ich das früher gewußt hätte.
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