Max Streibel ist tot.
Aber als er noch lebte, war er Ministerpräsident Bayerns. Und als solcher lud er höchstpersönlich mit einer gedruckten und geprägten Einladung zu einem Empfang in das Dredener Hotel 'Bellevue'. Das war 1990 und damals war ich voller Elan Mitglied in der frisch demokratisierten Ost-CDU. Ganz überraschend erhielt ich die Chance, in Dresden dabei zu sein. Ich zog mein bestes (und damals einziges) Ost-Jacket an und meine besten Schuhe sowieso (Salamander: Made in GDR). Dann zwängten wir uns zu Viert in einen olympiablauen Trabant, der irgendeinem, inzwischen wahrscheinlich in der Versenkung verschwundenen CDU-Adepten der frühen Neunziger gehörte. Vielleicht fährt er auch inzwischen einen Daimler und sitzt noch im Landtag von Sachsen.
Jedenfalls kamen wir tatsächlich in Dresden an - immerhin waren es runde 100 Kilometer von Ost nach West um nach Dreden zu kommen (Ja, es gibt noch menschliches Leben östlich von Dresden!) Unterwegs parlierten die Jungpolitiker von Kohls Gnaden über allerlei unwichtigen Kram und gaben zu erkennen, dass sie der Monarchie nicht abgeneigt wären (Ehrenwort!).
Der Grund des Empfangs in Dreden war uns ziemlich egal - aber er war witzig: Es gab damals eine kleine Splitterpartei namens DSU, eine Gruppe verschrobener Krämerseelen und nach Schlesien riechender Subprominenzler meiner ehemaligen Heimatstadt. Die sind heute alle pleite, erledigt, im Nirwana der Stasiaufdeckungen untergegangen oder in irgendeinem Parlament, in irgend einer Partei für das Volk am Rackern. Jedenfalls sahen die Bayern für kurze Zeit in der DSU (Deutsche Soziale Union) einen möglichen CSU ähnlichen Zögling im Osten. Ging aber nicht! Waren zu wenige und zu dämliche Leute. Deswegen der Empfang. Geladen waren nämlich vor allem CDU-Leute, denen Streibel ans sächsisch-bayerische Herz legen wollte, doch die DSU zu stärken und diese zur sächsischen CSU aufzublasen. Ein dreister CDU-Abwerbeversuch! Das Ganze wurde in einen Empfang gepackt und mit Weißbier und gebackenem Leberkäse garniert.
Also standen wir nun alle in dieser Halle herum, tranken Weissbier und kauten am Leberkäse, als ER dann tatsächlich erschien. Ich muss zugeben, dass ich den Namen Streibel vorher nie richtig einordnen konnte. Da stand er nun an einem kleinen Pult und hielt eine wichtige und witzige kleine Rede, die in den Polit-Archiven wahrscheinlich kaum zu finden sein dürfte, weil sie damals wie heute keine Sau interessierte. Aber Streibel machte was her: Super Anzug, super Schuhe, super getöntes Gesicht, super Frisur. Ich stand fast vor ihm, klatschte wie dumm zu seinen bayerisch-christsozialen Abwerbe-Phrasen. Dann war die Rede zu Ende und ich überlegte, wieso er so spitze Schuhe anhatte und was die wohl kosten würden? Und ob er auf dem selben Klo war, wie ich zuvor? Max Streibel nickte jovial nach allen Seiten und lachte alle und jeden an. Im Gedränge um sein Pult unterschrieb er mir hastig die Einladung mit seinem Namen und einem blauen Filzstift! Sie haben Sinn fürs Detail, diese Bayern! Dann entschwand er mit seinen Bodygards und ward nimmer gesehen. Wir waren wie von einer Muse geküsst: Auf Tuchfühlung mit der Macht! Tranceähnlich quetschten wir uns wieder in den Trabi und fuhren 100 Kilometer nach Osten - im Gepäck: die Konterbande der CSU in unseren Köpfen steckend.
Dies war meine Begegnung mit Max Streibel. Ein echter Smalltalk war kaum möglich. Schade - nun werde ich wohl nie erfahren, wieviel seine Schuhe gekostet haben! Deswegen mag ich inzwischen auch Kanzler Schröder, weil ich weiss, wieviel seine Anzüge kosten. Und ich war noch nicht mal auf einem Empfang bei ihm...
Übrigens bin ich inzwischen wieder geistig gesundet und halte nunmehr respektvollen Abstand zu großen roten (und blauen)Buchstaben auf weissem Grund. Auch wenn das Bier echt gut ist.
Prost!
Zitieren
Lesezeichen