Bevor Rudolf Scharping einer der mächtigsten Männer der 'zivilisierten Welt' wurde, war er einer der mächtigsten Männer von Rheinland-Pfalz.
Kurz nachdem er dort zum Ministerpräsidenten gewählt worden war, ich glaube, es war 1991, wurde wieder einmal zu einer LandesschülerInnenkonferenz, einem Zusammentreffen von Schülerinnen und Schülern der rheinland-pfälzischen Gymnasien und Gesamtschulen, geladen, um dort über Demokratie, Satzungen, Lehrpläne und Umweltschutz zu diskutieren. Mir machte so etwas Spaß, außerdem gab es schulfrei, eine Party, Reisekostenerstattung und die Aussicht, bei der Abitursfeier für besonderes Engagement geehrt zu werden (was mir aber vorenthalten blieb).
Dieses Mal konnte unsere Konferenz sogar im Landtag stattfinden, weil sich eine von Scharpings Töchtern in unseren Reihen befand. Als ich mir gegen Ende der Konferenz meine nach einem Toilettenbesuch frisch gewaschenen Hände trocknen wollte, stand ich vor einem Problem: Auf dem Handtuchspender, einem dieser Dinger, aus denen sich normalerweise mittels Ziehens mit beiden Händen ein Stück Handtuch hervorzaubern lässt, stand warnend 'Nicht ziehen' geschrieben! Nun war guter Rat teuer.
Gerade als ich versuchte, trotz des Verbots doch zu ziehen, kam Rudolf Scharping zur Tür herein und ermahnte mich mit der Frage, ob ich denn das Schild nicht gelesen habe. Dann zeigte er mir die korrekte Bedienung des Apparates, den man - manchen Wasserarmaturen an Autobahnraststätten nicht unähnlich - durch eine schlichte Winkbewegung veranlassen konnte, einige Dezimeter gebügeltes Stoffhandtuch frei zu geben.Ich bedankte mich.
Damals wusste ich natürlich noch nicht, wozu dieser Mann später einmal fähig sein würde. Ich ahnte es nicht einmal.
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