So, Spaß beiseite, Pointen sind vorerst aus, jetzt muss auch mal eine Geschichte ohne versucht werden.
Budnikowski in der Hoheluftchaussee in Hamburg-Hoheluft ist - Hamburger wissen das - die Vorhölle. Wer in Wien wohnt, denkt jetzt, "Hoheluft, Hoheluftchaussee, das klingt doch nach leichtem Leben, nach Sonne-durchs-Blätterdach, nach einem schönen Gedanken auf der Caféterasse". Deshalb als Hintergrund: Hoheluftchaussee, Hamburg, 60.000 Autos am Tag, Schuh-Fabrik-Outlets, schmieriger Safeway, resignierte Apotheker, hoffnungslose Restaurantprojekte. Budnikowski. Man kommt hier nicht freiwillig her. Eine Steigerung von Budnikowski, Hoheluftchaussee gibt es noch: Budnikowski, Hoheluftchaussee, vor einem großen Feiertag. Der Schweiß, den die Drängelbesucher der Billig-Drogerie ausdünsten, enthält genetische Botenstoffe, die in jedem Besucher die Vision von hundert hoffnungslosen Festen erwecken, von enttäuschenden Geburtstagen, deprimierenden Heiligabenden, zerstrittenen Ostersonntagen und freudlosen Jahreswechseln.
Ich begab mich am 30. Januar vor ein paar Jahren - 96 oder 97 - in die Vorhölle, weil ich das neue Jahr nicht mit Körpergeruch begrüßen wollte oder jedenfalls noch nicht genau wusste ob oder ob nicht. Zur gleichen Zeit kauften dort der beliebte Volkssänger Marius Müller-Westernhagen und seine bezaubernde Frau Romney in Vorbereitung der Sylversternacht Knaller.
Herrn Müller-Westernhagen und seine bezaubernde Gattin Romney sah ich eine Zeitlang öfter, weil sie nicht weit von meiner Wohnung wohnten und häufig auf dem benachbarten Isemarkt einkauften. Den mauvefarbenen Mercedes G parkten sie dabei gern vor meinem Fenster. In letzter Zeit sah ich Familie Müller-Westernhagen (ein Sohn aus Romneys erster Ehe gehört dazu) länger nicht mehr.
So nahm ich die Begegnung zunächst eher beiläufig wahr, zumal der beliebte Volkssänger Marius Müller-Westernhagen rein künstlerisch nicht zu denen gehört, die bei mir eine vegetative Reaktion hervorrufen.
Dass ich diese Geschichte erzähle, hat einen anderen Grund: Einen Satz, den Herr Müller-Westernhagen zu seiner bezaubernden Gattin Romney sagte. Dieser Satz lautete:
"That is another twenty marks."
Er sagte diesen Satz, als seine Frau einen Sylvesterartikel in den gemeinsamen Einkaufskorb legte: Ein kleines Rakentensortiment der Firma Comet, es gab größere, vier piffige Teile, eins davon ein mit Raketenstab beklebter Pfeifer. Er sagte diesen Satz leise, damit nicht so viele Umstehende ihn hören, aber auch impulsiv, als sei ihm diese Aussage in diesem Moment wichtig.
Der Satz, den Herr Müller-Westernhagen sagte, als Romney sich für ein bescheidenes Sylvesterraketensortiment im Blisterbeutel entschied, hat mich gerührt. Ich habe mir folgende Fragen gestellt:
Was zum Teufel machen die beiden hier?
Fragt sich Herr Müller-Westernhagen gerade: "Have I überhaupt enough money dabei?"
Was hat der impulsive Ton in der Frage zu suchen? Macht sich der beliebte Volkssänger, der kurz zuvor eine triumphale Deutschlandtournee beendet hatte, wirklich Gedanken darüber, ob er sich die Blisterpackung LEISTEN kann?
Wie feiert diese Familie Sylvester?
Was zum Teufel denkt Romney jetzt?
Wurde das Ehepaar Müller-Westernhagen ein Opfer der genetischen Transpirationsbotschaft über trostlose Feiertage?
Wo steht der mauvefarbene Mercedes?
Die furchtbare Ahnung: Die Größe des Kartons, in dem man sitzt, unterhält keine Relation zur Größe der Stadien, die man füllt.
Der Trost: Wenn sich solche Probleme nach einer triumphalen Tournee nicht auflösen, kann man sie auch ohne Tournee vergessen.
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