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Thema: Herzog, Roman (Feiern mit Roman Herzog)

  1. #1
    Member Avatar von christoph
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    Nach 'Frühstück mit Pablo Escobar' nun Teil 2 der leider zu kurzen Serie 'Christoph trifft beleibte Zeitgenossen und rückt sich dabei selbst ins rechte Licht': Feiern mit Roman Herzog. Damit mir das nachher keiner vorwirft, muß ich gleich zu Anfang sagen, daß diese Geschichte mehr den letzteren Teil des Serientitels berücksichtigen wird, den mit dem Licht.
    Es trug sich zu im Jahr 1997. Ein warmer Sommer neigte sich dem Ende und mit ihm die Jahre, die ich an den Berliner Universitäten verbracht hatte. Im August war mir der M.A. ausgehändigt worden, und wie alle anständigen Geisteswissenschaftler hatte ich keine Ahnung, was nun aus mir werden sollte. Lediglich zwei Dinge waren klar: Die Option 'Taxifahren' fiel aus wegen meiner Dieselallergie, die zweite Möglichkeit 'Kellnern' wegen meiner notorischen Grobmotorik. Mein Herzenswunsch, nämlich ins Auswärtige Amt einzutreten und dort Doyen einer ganz neuen Art von entspannter Großmachtpolitik zu werden, hatte sich kurz zuvor recht schmählich zerschlagen, nämlich an Theo Waigels Haushaltssperre. Ebenso der Plan, mit meinem türkischen Freund Ali ein Dönerbudenimperium zu errichten. Gleichfalls gescheitert: Der Einstieg in den internationalen Rohölschmuggel, eine Karriere als Fernsehmoderator bei TVB sowie meine Bemühungen um einen Job als Animateur auf einem italienischen Kreuzfahrtschiff. Aber das sind andere Geschichten.
    Eines Morgens - naja, Mittags - kam ich zurück vom Brötchenholen bei der Bäckerei Thoben an der Ecke Potse/ Kurfürstenstraße und öffnete den Briefkasten, um nach meinem Gratis-Probeabo der 'Berliner Zeitung' zu schauen (das vom 'Tagesspiegel' war grad zu Ende gegangen). Neben der Zeitung lag ein cremefarbener Umschlag, den ich zuerst für eine Wurfsendung der SKL hielt - recht prächtig aufgemachter Fake. Drehte ihn in der Hand und stellte fest: Wenn dies ein Scherz war, dann ein guter. Es prangte das Siegel des Bundespräsidenten darauf, das Papier wirkte handgeschöpft und roch nach staatsmännischer Verantwortung.
    Ich ließ also Brötchen und Zeitung erstmal fallen und riß das Büttenkleinod auf. Heraus fiel eine goldgeprägte Karte, die mich darüber in Kenntnis setzte, daß...
    'Herr Bundespräsident Roman Herzog und Gemahlin sich die Ehre geben, Herrn Christoph und Begleitung einzuladen zum `Sommerfest der Innovationen« des Bundespräsidenten im Schloß Bellevue zu Berlin'.
    Ich war baff, und das ist noch vorsichtig ausgedrückt. Völlig von den Socken. Wie mit dem Klammerbeutel gepudert. Was auf dieser Karte nämlich völlig fehlte, war die Angabe eines Grundes, warum ausgerechnet ICH... Gut - ich hatte soeben meinen Hochschulabschluß gemacht, und bitte - nur 30% aller Geschichtsstudenten an der FU machen den Abschluß, der Rest wirft vorher das Handtuch. Insofern... aber reichte das alleine schon aus, um...? Oder hatte ich vielleicht einflußreiche Fürsprecher? Wen?
    Natürlich rief ich sofort alle Freunde an. Keiner wußte, alle staunten. Selbst ich hielt zu dem Zeitpunkt meine vertiefenden Forschungen & Selbstversuche zur Tütensuppenresistenz männlicher Studenten für meine wichtigste Innovation. Und mein Magisterthema zu einem staatsphilosophischen Problem des 4. Jh. v. Chr. war alles, aber bestimmt nicht innovativ.
    So vergingen die Tage und Wochen mit erfolglosem Rätselraten, bis es endlich soweit war. Meine Freundin B. hatte sich zum Zweck unsres Erscheinens beim Präsidenten in englische Garden Party-Schale geworfen, inkl. Hut, und ich trug meinen einzigen Anzug. Es war ein sonniger Frühherbsttag, als ich auf dem Vorplatz des Bellevue einigen Herren vom Bundesgrenzschutz mit der größtmöglichen Nonchalance die goldgerandete Einladung unter die Nase hielt. Der Wetterbericht hatte für den Abend Regen angekündigt, und so drückten uns am Eingang freundlich lächelnde Damen blaue Regenschirme in die Hand, versehen mit dem Aufdruck 'Zu Gast beim Bundespräsidenten - Sommerfest 1997'. Dieser Schirm ist übrigens das einzige mir verbliebene Beweisstück dafür, daß sich diese Geschichte auch wirklich zugetragen hat - einzusehen an meiner Garderobe.
    Also durchs Portal in den Palast, immer mit dem Gefühl, daß aber spätestens jetzt irgendjemand hinter einer Säule hervorgesprungen kommen müßte mit dem Ruf 'September, September! Du hast doch nicht wirklich geglaubt, daß ausgerechnet DU (hier brüllendes Gelächter von allen Seiten)... hier... los, entfernt die beiden!' Aber nichts. Es enspann sich ein Nachmittag vielfältiger Zerstreuungen in dem überfüllten Garten des Bellevue (5000 geladene Gäste sind auch für diesen Park eine Herausforderung). Im Vorraum stand eine Batterie Computer mit Internetanschluß, von dem einer durch einen Beamer seinen Bildschirm auf die Wand warf. Erste Tat also: Meine Homepage aufgerufen - schließlich war ich auf Jobsuche, was auf meinen Seiten nachdrücklich vermerkt war. Wer konnte wissen...? Die prangte dann eine ganze Weile über den Köpfen der Anwesenden, weil sich ansonsten niemand an den Präsentationsrechner herantraute. O Fest der Innovationen!
    Eine Stunde später wechselte ich dann das Bild auf die Homepage von Borussia Mönchengladbach, und man kann sagen, daß der restliche Abend unter dem Zeichen der schwarzgrünen Raute stand. Desweiteren versuchte unsereiner vor allem, ein gemeinsames Charaktermuster der Anwesenden zu identifizieren: Was habe ich mit denen gemeinsam? Warum sind wir alle hier? Versteckte Kamera?
    Derart in Gedanken und einen Becher kostenloser Coca Cola versunken stund ich an der Häppchenbude, als auf einmal... 'Nen Tag, Herr Herzog!' brachte ich tatsächlich noch vor, als er sich, von seiner Entourage umgeben, auf uns zu drängte. 'Schönen Guten Tag!' kams zurück. Wahnsinn! Wenngleich etwas unwirsch. Da war er auch schon vorbei - und damit auch der Moment, um dessentwillen ich diesen Beitrag überhaupt ins Paparazziforum schreiben darf.
    Die richtigen Höhepunkte des Abends folgten allerdings erst noch. Gegen 7 begann es, sich einzuregnen. Gegen 9 schüttete es wie aus Kübeln. Genau pünktlich zum Erscheinen des Headliners dieses Events: Udo Jürgens Live auf der Bellevuebühne. Und wahrlich, ich sage Euch: Die Menge tobte. Zu diesem Zeitpunkt waren vier Fünftel der Geladenen bereits gegangen; geblieben waren diejenigen, die aus uninnovativen Gründen Einlaß erhalten hatten. Also die Bedienungen der Imbißstände, Töchter und Söhne der eigentlich eingeladen gewesenen Eltern, Freunde und Bekannte und sonstwie Mitgebrachte sowie die völlig Ahnungslosen (moi). Udo gab ein Potpourri seiner Hits, deren ja weiß Gott viele sind, und das Publikum wurde von orgiastischer Begeisterung ergriffen. Schlager im Wolkenbruch beim Bundespräsidenten zu Hause! Einige begannen, die Blumenrabatten zu plündern und die Pflänzchen auf die Bühne zu werfen, noch mit Wurzeln und tiefer, feuchter, märkischer Erde daran. Udo war ganz offenbar bodenlos erstaunt über diese Euphorie, dehnte sein Set aus und wurde irgendwann vom BGS von der Bühne getragen. Wir zerschlugen das Mobiliar, steckten uns drei Champagnerflaschen sowie einen silbernen Kerzenleuchter in die Mäntel, riefen ein Taxi und fuhren nach Hause.
    Epilog.
    Bis heute weiß ich nicht, wie ich zu jener Einladung gekommen bin. Dieses Rätsel wird wohl auf ewig ungelöst bleiben. Und: Jahre später hatte ich eine Affäre mit einer Frau, die schwor, sie wäre an jenem Abend im Bellevue als Aushilfsbedienung tätig gewesen. Und in dem Moment meinte ich zu wissen, sie wäre diejenige am Colastand gewesen. Sie dagegen konnte sich nicht mehr an mich erinnern.
    ------------------

  2. #2
    Abebe Lowumbo Avatar von joq
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    Eine der herrlichsten Geschichten dieses Forums. Vor allem das mit der schwarzgrünen Raute. Ich kicherte spontan!!

  3. #3
    Member Avatar von frosch2
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    Eigentlich hatte ich jemandem und noch jemandem sogar unter Zeugen versprochen, schon längst im Bett zu sein. Aber bei solch unglaublich schönen Geschichten, wer könnte da ernsthaft böse sein.

  4. #4
    Avatar von James Dean Brown
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    Kann das ein Zufall gewesen sein? Intuition, Ansporn, Herausforderung? Erst wuchte ich mir ausnahmsweise, meiner Natur unentsprechend, christoph's sonnendurchfluteten Escobar zurecht, um mich nur ein paar Stunden später am verregneten Nachschub vergnügen zu dürfen. Welch ein Timing! Alle Wetter!
    ------------------
    zerrt man sein' Lieblingsstrang nach oben
    wird gleich 'ne Story nachgeschoben.

  5. #5
    Avatar von Hilde
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    ich bin baff!
    und das in aller herrgottsfrühe!

  6. #6
    Avatar von Aporie
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    Was kann der Autor dafür, wenn Roman Herzog Pablo Escobar nicht das Wasser reichen kann. Der Autor beweist aufs Neue, dass er witzig erzählen ( berufliche Optionen) und problemlos 3 Adjektive (tiefer, feuchter, märkischer Erde) hintereinander reihen kann, ohne dass sich einem der Magen umdreht. Den Schwachpunkt seiner Erzählerhaltung deckt er schon im ersten Abschnitt schonungslos selbst auf und läßt damit auch die Kritiker im Regen stehen. Gleich zwei Frauen im Bett warten zu lassen, um sich durch diese lange Geschichte zu arbeiten, finde ich trotzdem übertrieben. Merke: ³Die Kunst ist lang, das Leben kurz' (Seneca, glaube ich). Deshalb muß man sich manchmal auch gegen die Kunst entscheiden.

  7. #7
    Moderator Avatar von DonDahlmann
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    Sehr schöne Geschichte. Vor allem deckt sie so nebenbei einen Skandal auf: Da werden von unseren Steuergeldern sündhaft teure Regenschirme verschenkt! Einfach so! Das ist doch was für Bednarz und Monitor!

  8. #8
    Moderator Avatar von Ruebenkraut
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    Kann es sein, dass Herzog einfach das Telefonbuch nimmt, blind 5000 mal hineinsticht und die getroffenen Namen kriegen eine Einladung?

  9. #9
    Moderator Avatar von honz
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    Das sind die Geschichten für die es sich lohnt zu kämpfen.
    Honz, für ein Eliteforum

  10. #10
    Member Avatar von trumich
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    .
    Wenn die Symptomatik ein Bild bildet, wie dass In Ihrem Fall der Fall ist, ist jede Behandlung vollkommen unvollkommen.

  11. #11
    Avatar von marie battisti
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    jetzt liest man, das amt des bundespräsidenten sei entwürdigt worden, weil am Küchentisch von Herrn Westerwelle ausgeschmaeckt.
    Ich fand es entwürdigend Herrn Herzog mutterseelenallein am Platz vor der Münchner Feldherrnhalle stehen zu sehen. So was wäre einem König nie passiert.

  12. #12

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    Im Schloß Bellevue war ich mal ähnlich unverhofft, wenn auch in Verbindung mit einem Job. Das Goethe-Institut lädt Journalisten aus dem Ausland ein, ich übersetze Gespräche, gehe dann mit ihnen essen und schlafe dann mit ihnen. In diesem Fall aber war Staatsbesuch, und das Bundespresseamt mietete mich unter, für die Betreuung von Fotojournalisten beim Staatsbesuch von Chirac, Abendessen im Schloß Bellevue. Ich sollte einfach bei denen stehen und schauen, dass sie sich ordentlich verhalten; eine vollkommen sinnlose Aufgabe, war ich eine Art Security? Ich weiss es nicht, die Hektik verhinderte genauere Anweisungen. Im Schloss Bellevue hielt ich mich erst mal im Hintergrund bei der Postenverteilung, bekam dann aber „Eingang“ zugewiesen. Da ging ich also mit drei Fotografen hin, mehr durften nicht, und nahm neben ihnen Aufstellung, direkt auf der Treppe. Sie benahmen sich ordentlich und schraubten an ihren Stativen; kein Handlungsbedarf meinerseits. Nun rollten die ersten Gäste vor, ein Diener machte ihnen die Autotür auf, und dann begrüßte ich sie, während sie die Treppe hinaufstiegen; die meisten schauten kurz zu den Fotografen herüber, manche aus Professionalität, manche aus Unsicherheit und in diesem Moment nickte ich ihnen dann jeweils kurz und diskret zu. Später dann neuer Posten: vor dem Saal. Ich hatte die mir zugeteilten Fotografen verloren, sie hatten vielleicht gar kein Interesse an Fotos von dieser Stelle aus, zumindest stand ich jetzt allein an der Eingangstür zum Saal, und schaute dem Défilé zu, der Begrüßung durch das Quartett der Ehepaare Rau und Chirac. Was ich da sollte, war innerhalb dieser ja extrem formalisierten Sozialsituation unklar; manche waren so in der Routine des Begrüßens, dass sie auch mich begrüßten, was ich gern mit einem „Guten Abend!“ beantwortete, andere verbuchten mich entspannt unter „Diener“. Nur Angela Merkel nicht, die begriff, das sagte ihr Blick, dass mit mir was nicht stimmt, was ist das für ein Posten, was für eine Kleidung, der war doch schon vorn auf der Treppe, zu wem gehört der.

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