Vor zwei Jahren, Im Mai 1999, war ich unterwegs im benachbarten Ausland, weil man dort Bob Dylan auf diversen Konzertbühnen erleben konnte. Ich war in Begleitung eines befreundeten Paares, und eines nachts mussten wir die Strecke von Wien ins alpine Ischgl meistern. Es war ein rechter Höllenritt, Dylan hatte am Abend zuvor in Wien gespielt und sollte am darauf folgenden Tag schon um 15 Uhr wieder im 600 Kilometer entfernten Ischgl auftreten. Man mag gar nicht glauben, wie lang man durch Österreich fahren kann. Es begab sich, dass wir um etwa 2 Uhr morgens auf dem Rastplatz Salzburg-Nord anhielten, um uns dort zu erkundigen, ob man evtl. mitten in der Nacht noch irgendwo in der Stadt ein Zimmer bekommen könnte. Also ging ich in den zur Raste gehörigen Laden.
Als ich an der Kasse stand, bemerkte ich, dass der Kerl, der gerade versuchte, zu bezahlen, mir bekannt vorkam. Der sah aus wie Dylans Bassist Tony Garnier. Das lag daran, dass es Tony Garnier war. Er stand mit einem Bündel österreichischer Schilling vor der Kassiererin, wirkte ratlos und überlegte, wie viele von diesen fremdartigen Scheinen er wohl für seinen Joghurt und seinen Apfel hinblättern müsse. Schließlich warf er ihr das ganze Bündel hin und sie suchte sich heraus, was sie brauchte. Auf dem Weg zur Tür blieb Garnier noch an einem Stand mit deutschsprachiger Countrymusik stehen und nuschte neugierig darin herum. Leider nahm er nichts mit, es wäre schön gewesen, sich vorzustellen, wie Garnier im Tourbus gerade eine Cassette von Tom Astor einlegt.
Nachdem ich von der Kassiererin keinerlei hilfreiche Zimmer-Tipps bekommen hatte, ging ich wieder hinaus. Auf dem Weg zum Auto, oder besser direkt vor meinem Auto, begegnete ich einer Vogelscheuche. Diese war gekleidet in eine zu kurze, schwarze Jogginghose und ein schwarzes oder graues Kapuzensweatshirt. Als die Vogelscheuche sich kurz umdrehte und mich mit zusammen gekniffenen Augen ansah, merkte ich, dass es sich um Dylan höchstselbst handelte. Er stand da zwischen den Zapfsäulen, als wäre er im Schlaf umhergelaufen und gerade aufgewacht. Glotzte einfach nur leicht desorientiert.
Nun weiß man oder ich, dass Dylan kein Freund von Leuten ist, die sich begeistert an ihn heran machen, also unterdrückte ich den entsprechenden Impuls und stieg ins Auto zu meinen Freunden. Dort platzte ich dann heraus. Die Konversation in etwa:
'Und? Hast du was herausbekommen?'
'Was meinst du, wer da steht?'
'Keine Ahnung. Irgendein Penner. Gibt es jetzt Zimmer hier oder wie?'
'Vergiss endlich die Scheiß-Zimmer! Der Penner da ist Dylan!'
'Aber sicher.'
'Verdammt! Wohl ist er das! Ich hab ihn genau erkannt!'
In dem Moment drehte sich Dylan nochmal zu uns um, und damit wurde mir endlich Glauben geschenkt. Starr saßen wir für zwei Minuten da und glotzen doof, bis Dylan wohl bemerkte, dass wir ihn erkannt haben, und in seinen Tourbus stieg. Nach ein paar weiteren Minuten waren auch wir wieder bei Bewusstsein und fuhren weiter. Soweit meine kurze, wortlose Begegnung mit einer lebenden Legende.
Zugabe:
Wir fanden in Salzburg ein Zimmer und fuhren am nächsten Tag weiter nach Ischgl. Dort sollte Dylan auf dem Gipfel eines Berges spielen. Auf dem Parkplatz dort ging ich zum Klo, um festzustellen, dass die Kabine besetzt war. Als überzeugter Sitzpinkler und Urinalbeckenverächter wartete ich. Es dauerte. Lang. Und es stank. Erbärmlich. 'Himmel, wer donnert denn da so lange?', dachte ich. Die Antwort gab es, als endlich die Tür aufging und Dylans Gitarrist Larry Campbell herauskam. Ich hätte gern kurz geplaudert, aber ein Herrenklo ist ein denkbar schlechter Ort für Smalltalk. Vor allem bei der Luft.
(Beitrag wurde von Christian Zeiser am 12.10.2001 um 07:33 Uhr bearbeitet.)
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