Lieber Heinrich,
ich schreibe Dir unter Schmerzen, ich weiß dass Du noch sechshundert Euro von mir bekommst, dass Deine Gabriele mit dem wunderbaren sauberen Typenrad-Druck immer noch in meinem Keller steht, dass Lucretia Dich wahrscheinlich inzwischen über unser kleines Verhältnis (es war wirklich ein kleines, wir waren beide nicht in Form) aufgeklärt hat. All dies wäre Grund genug, einfach noch ein wenig zu schweigen, auf das Vergessen zu setzen, auf das Grasdrüberwachsen. Allein, ich muss Dir sagen, ich habe Lottmann gesehen, DEN Lottmann, den großen, den in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zu Recht als Visionär Gefeierten, den gemeinsamen Sohn Krachts und Bret Easton Ellis’ (von beiden weiß man ja inzwischen, dass sie schwul; der Rest ist Biotechnologie). Ich habe ihn also gesehen, und das war so.
Gönner hatten mich zur Buchmesse im Frankfurter Hof einquartiert. Mit Verleger U. und einer zu allem Entschlossenen - ich muss es leider so so sagen - PARTY-Meute waren wir in die Bornheimer Apfelweinstube „Solzer“ eingekehrt und man trug in Minutentakten sogenannte Bembel mit saurem Apfelwein auf die Holztische. Dieser Most wurde in gerippte Gläser gegossen, mit etwas Mineralwasser versetzt und somit zum „Sauer Gespritzten“ erhoben. Neben mir saß Victualia, U.’s Nichte, ein vielleicht Zwanzigjähriges Ding, eurasisch, kleine spitze, möchte fast sagen „kecke“ Dinger, erschreckend unsymmetrisch, möchte fast sagen, ihre rechte Brust guckte ein wenig nach links. Ich weiß nicht, ob ich mich da exakt ausdrücke, aber ich denke Du weißt was ich meine. Gemein war das Shirt, was sie dazu trug, denn es war aus einem ganz dünnen Synthetikstoff, einem Stoff, der wirklich porentief abbildet. Es führte dazu, dass U’s Redeschwall immer nur zu 2-3 % wirklich bei mir im Gehirn ankam. Und ich musste doch zuhören, ich musste doch mit ihm reden, er sollte mein Buch drucken, meinen ersten großen Reiseroman!
Das „Solzer“ war randvoll, die rustikalen Tische und Bänke bogen sich, es war eben Buchmesse. Ein paar Tische weiter saßen Julia Mantel und Rainald Götz, sie waren einander schon ziemlich nahe, ich konnte aus den Augenwinkeln beobachten, wie sie bewundernd seine Stirnnarbe entlangfuhr; gerade als ich mein Notizbüchlein zücken wollte, spürte ich Victuailas Hand plötzlich und unerwartet auf meinem OberschenkBEFEHL ODER DATEINAME NICHT GEFUNDEN|´~|<<
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