In einer mir ebenso fernen wie auch unangenehmen Vergangenheit kam mir die zweifelhafte Ehre zuteil, kurzzeitiger und unfreiwilliger Protagonist einer Prominentenbegegnung zu werden. Fern deshalb, weil die Begebenheit gute zehn Jahre zurück liegt, unangenehm aus dem Grunde, daß sie in meiner dunklen Vergangenheit als Wehrpflichtiger der Bundesmarine liegt - aber Menschen dürfen sich schließlich entwickeln.
Es mag einigen der geneigten Leser noch bekannt sein, daß im Zuge des zweiten Golfkrieges nach einigem parlamentarischen und gesellschaftlichen Erörtere eine Minenräumeinheit der Bundesmarine in den persischen Golf entsandt wurde, um die frisch vereinigte Bundesrepublik von dem Vorwurf zu befreien, an eben jenem Kriege nur in Form eines Ablasszahlers teilzunehmen. Nun, dies ist Vergangenheit, ebenso die Tatsache, daß der damalige Einsatz so etwas von völlig am Grundgesetz vorbei beschlossen wurde.
Auch ich - man möge mir diese Form der Erzählung verzeihen - befand mich unter den etwa 170 Wehpflichtigen, die an diesem Unterfangen partizipierten (anmerkende Frage: ist es eigentlich erstaunlich, daß sich unter den Wehrpflichtigen, die sich für die Marine entschieden und schließlich auch auf einem Schiff landeten, so gut wie ausnahmslos nur Süddeutsche und Rheinländer befanden, die anfangs irgendetwas von Seefahrromantik faselten?). Nach Verlegung aus dem Mittelmeer in den persischen Golf, genauer in das Emirat Bahrein und erster erfolgreicher Minenbeseitigungen vor der Küste Kuweits, sagte sich damaliger Bundesverteidigungsminister Gerhard Stoltenberg zu einem Besuch seiner 'Männer fern der Heimat' an.
Es kam zu dem Tag, der Besuch wurde für ein Uhr Mittags angesetzt, ein untrügliches Zeichen dafür, daß sich der damalige Planungsstab des Ministeriums auch einen knappen Monat nach Beginn des Einsatzes noch nicht eingehender mit der in Bahrein vorherrschenden Klimaform auseinandergesetzt hatte. Wir Marinemitglieder wurden also zu jener Stunde auf der Betonpier aufgereiht und warteten. Die Lufttemperatur betrug knappe 45 Grad Celsius, auf dem überaus wärmereflektierenden Untergrund womöglich noch einige Grad mehr, bei völliger Windstille. Wir warteten eine gute Stunde auf den wehrten Minister, als sich einige der mitgereisten Journalisten dezent nach Getränken erkundigten. Zunächst eigentlich nur für sich selber, aber ich meine mich an einen Korrespondenten der Frankfurter Rundschau zu erinnern, der auch nach Kaltgetränk für die Marinesoldaten fragte (zweite anmerkende Frage: ist es Zufall, dass es ausgerechnet jemand von der FR war und nicht etwa ein Vertreter des Springerkonzerns?). Dieses Ansinnen hatte allergrößte verwirrende Wirkung auf die verantwortlichen Offiziere, an solche Unbill hatten sie nicht gedacht. Und als nach längerem hin und her tatsächlich Erfrischung organisiert war, wurde sie auch wieder verschoben. Denn es rauschte promt eine Kolonne außen so schwarzer wie innen gegekühlter Limusinen auf die Pier. Ihr entstieg unter anderem jener silberhaarige, ehemalige Verteidigungsminister, um mit Verspätung seine Truppenparade abzunehmen. Wie es sich mit solch einer verhält, dürfte bekannt sein, seit man vor einiger Zeit die Unsitte wieder aufgenommen hat, Soldaten in der Öffentlichkeit zu Beeiden.
Kurz bevor die Gruppe sowohl zivil als auch militärisch bekleideter älterer Herren sich anschickte, an mir vorbei zu gehen - ich stand zufällig in der ersten Reihe - machten sich bei mir die Auswirkungen der ungeschickten Kombination aus Hitze-Durst-Stehen-Durst-Sonnenstich-Durst-Übermüdung-Durst bemerkbar. Zunächst nur in Form eines stark eingeschränkten Sichtfeldes. Als ich dann meinte, die anderen Menschen, die ich in diesem Sichtfeld noch erkannte, würden irgendwie so drollig anfangen zu tanzen, hätte mir eigentlich böses schwanen sollen. Doch ich war jung, unerfahren und wollte vielleicht sogar tatsächlich diesem Semi-VIP in die Augen sehen. Wozu es nicht mehr kam, denn in der Tat suchte sich mein Körper einen besonderen Moment aus, um theatralisch zu Boden zu sinken. So glitt ich elegant aber auch abrupt vor die Füße des Verteidigungsministers. Man erzählte mir später, daß ich mit dem Gesicht voran zu Boden ging, wobei mir - verzeihen Sie den Ausdruck, geneigte Leser - Speichel aus dem Mund vor die Füße des Stoltenberg floss oder tröpfelte... und Stoltenberg sagte nur 'Oh jeh' Ich weiß es nicht genau; lang ists her, ohnmächtig war ich und unangenehm wars obendren!
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