Wenn man zwei Stunden Autobahnfahrt erdulden muß, dann findet sich bald eine der Raststätten genannten Abzockereinrichtungen, die Gründe zur Pause anbietet: Durst, Hunger, Beine vertreten - oder: Ich muß mal pinkeln.
Ich mußte damals wirklich pinkeln. Damals, das war in den 80ern, und ich erinnere mich, daß die Raststätte klein und wenig frequentiert war. Außerdem war es irgendwie tagsüber und die Geografie war Norddeutschland. Soweit die wichtigsten Basisdaten.
Ich stand allein an der Pißrinne und weiß noch präzise, daß es dort klein, eng und weiß war. Oberhalb der Rinne befand sich auf gesamter Rinnenlänge ein Fenster, das den Raum hell erscheinen ließ. Im Rücken befanden sich die Kackstudios, höchstens vier.
Als ich meinen Urin fast komplett abgeschlagen hatte, betrat der Osnabrücker Musiker und Totbeißhundeliebhaber Heinz Rudolf Kunze das Abteil, stellte sich rechts neben mich, öffnete seinen Hosenschlitz und tat das, was man nach zwei Stunden Autobahnfahrt gern tut. Dabei schaute er kurz nach unten, wohl um den ordnungsgemäßen Verlauf der Maßnahme zu überprüfen. Gesungen hat er glücklicherweise nicht, war aber mit seiner geliebten Brille unterwegs.
Ich verließ den Raum bevor Kunze sich vollständig erleichtert hatte, daher weiß ich leider nicht, ob er sich nach dem Pinkeln die Hände gewaschen hat. Aber ich kann noch bezeugen, daß er sich nach dem Kloaufenthalt sogleich auf den Beifahrersitz eines weißen Mercedes mit Hamburger Kennzeichen warf. Der Fahrer fuhr sogleich derbe beschleunigend an und entführte Heinz Rudolf Kunze auf diese Weise für immer aus meinem Leben.
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