ich hatte mal das privileg für ein paar monate in der langen reihe von st.georg/hamburg zu wohnen: in einer ziemlich schönen altbauwohnung mit abgeschliffenen dielen und pipapo, top-saniert, also ein kleiner traum für eine mittellose studentin wie ich sie damals war.
zu dieser zeit, mitte der neunziger, sprach ganz hamburg nur von einem menschen: andre eisermann. er hatte dieses furchteinflößende kasper-hauser-gesicht, diesen irren, psychopathischen blick, dazu eine ziemlich ungewöhnliche vita, seine eltern haben, so glaube ich, als schaubudenbesitzer auf der kirmes ihr dasein gefristet. ihr sohn hatte es dabei zu einem ernstzunehmenden, hochtalentierten schauspieler gebracht.
wie dem auch sei, andre eisermann forever zu dieser zeit, auf plakaten, zeitschriftentiteln, in den kulturbeilagen, im fernsehen, bei den preisverleihungen usw. ein richtig kleiner star eben.
nicht nur daß ich es genoß in so einer etablierten wohnung zu leben, nein, wir hatten auch nette nachbarn, denen ich regelmäßig im treppenhaus begegnete.
unter ihnen auch ein furchtbar schüchterner, verwuschelter, strähniger, blonder typ, das klingelschild verriet es mir: mit mir wohnt der hippe, durchgeknallte, mysteriöse andre e., bekannt aus funk und fernsehen, in diesem haus.
immer öfter schlich ich mich zur treppe, um ihm aufzulauern, ihn um ein autogramm zu bitten, schien mir fehl am platze zu sein.
anfangs beachtete er mich nicht, wenn er mich erblickte. verträumt turtelte er die treppe hinunter, seine rollen vor sich hinmurmelnd. ich übertreibe, ich gebe es zu, aber er machte schon einen sehr entrückten, weltfremden eindruck.
immer wieder suchte ich die nachbarschaftliche nähe... aber über ein freundliches hallo und ein kurzes nervöses aufblicken bin ich nie hinausgekommen. er schien so unnahbar und meine ehrfurcht war gewaltig.
leider habe ich es nie geschafft, ihn zum essen oder auf einen nachbarschaftlichen plausch mit einer tasse tee einzuladen bzw. ihn einfach in unsere wohnung zu locken.
auch beim treppenputzen habe ich ihn nie erwischt und meine hilfe angeboten.
dies ist also keine wirkliche pappen-geschichte, sondern eher ein entferntes schwärmen für eine durchaus entrückte person und natürlich auch ein bekenntnis zu meinem offensichtlichen sozialen versagen.
demnächst spektakuläreres, versprochen, ihr schätze.
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