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Thema: Burroughs

  1. #1
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    Burroughs

    Mit 15 habe ich dem Mädchen, in das ich verliebt war, auf Klassenfahrt die wirklich fiesen Stellen aus Naked Lunch vorgelesen. Im Vorgarten der Jugendherberge in Köln Deutz sind wir auf und abgegangen, während ich ihr Abschnitte aus Hassans Matratzengruft vorlas. Sie sagte nur „Das ist krank“ oder etwas ähnliches in der Preisklasse. Sie blieb äußerlich sehr ruhig, in der Gefasstheit eines in tiefem Vertrauen lebenden Christenmenschen. Ihr Vater war der hiesige Gemeindepfarrer. Ich sagte „Das ist genial“ oder etwas in der Preisklasse.Auch ich blieb äußerlich sehr ruhig, nur das Herz brannte.

    Mit 20 habe ich meine Studentenbude in Hamburg renoviert, als im NDR ein Feature über Burroughs lief und eine Lesung von ihm angekündigt wurde. Ich verstand nicht recht, wo die Lesung stattfinden sollte, ließ Pinsel und Farbeimer (das billigste Weiß von 1000 Töpfe für 5.95 den großen Eimer) stehen und wählte die Nummer des NDR . Der Redakteur musste nicht mal aus der Kantine geholt werden und konnte mir gleich mitteilen, wo die Lesung stattfinden würde. „Danke“ sagte ich und legte auf.

    Vierzehn Tage später saß ich in einer der hinteren Reihen des Kinos Filmkunst 66 in der Berliner Bleibtreustraße. Ich muss zugeben, dass der Meister sehr weit weg schien und ich mich mehr mit dem Pubkikum um mich herum beschäftigte, das sehr eindrucksvoll aussah. Alles , was „wild“ war oder sich dafür hielt, in den verganenen Jahrzehnten dieser Republik, hatte sich eingefunden. Alt gewordne Beatniks in Jacketts und Drehtabak, Junkies, auch ein paar Penner, Punks, Abiturienten, Anglistikstudenten, Journalisten und Bildungsbürger. Auch eine Abteilung der Hell´s Angels, die den ganzen hinteren Bereich in Besitz genommen zu haben schienen.

    Der Meister gab das Beste von den Benway Sequenzen und etwas über eine Fruchtfliege (Fruitfly), das ich nicht ganz verstand. Er wirkte ziemlich klapperig auf der Bühne, aber seine unnachahmliche breite fast texanisch daherkommende Stimme war immer noch in Höchstform. Ziemlich schnell war alles vorrüber. Ein anderer, den man noch aus Brinkmanns „ACID, neue amerikanische Szene“ kannte, ich glaube es war John Giorno, gab eine Lyrikperfomance. Irgendwas apokyltisches ( Achtziger Jahre), glaube ich.

    Meine Begleitung, ein Paar, dass ihre wilde Zeit in den frühen 80iger Jahren hinter sich gebracht hatte und sehr skeptisch meiner genialischen Heldenverehrung gegebüber stand, fühlte sich bestätigt. Sie waren gleich als erste wieder hinausgegangen, ich stocherte, die Eindrücke noch verarbeitend, den Gedanken an eine persönliche Begegnung mit dem vielleicht einzigen „zur Zeit lebenden Genie“ (Norman Mailer) aufgebend, hinter her, als ich IHM in einem schmalen Gang, der nach draußen führte, plötzlich gegenüberstand. Mein Puls ging in die Höhe, ich bekam sehr weiche Knie, verwarf allerdings sofort den Gedanken, jetzt etwas Schlaues zu sagen (das würde sich später in einer Bar oder einem Café mit ihm alles nachholen lassen) und nickte ihm zu. Er nickte zurück, eine Zehntelsekunde später stürmten zwei Mädchen auf ihn ein, mit gezuckten Büchern von ihm in den Händen, die gerade noch von einem weiteren hinzueilenden Menschen, der sich schützend vor Burroughs stellte, zurückgehalten werdenkonnten. Ein weiteres Mal schaute ER MICH fragend an. Beinahe hilfesuchend, den Kopf geduckt, die Hände abwehrend vor das Gesicht und Oberkörper haltend. Die Linie seines Mundes zeichnete in der gekräuselten Linie das Entsetzen (zwei weibliche Teenager mit seinen Büchern in den Händen!) nach, wie bei Lucy, nachdem Snoopy sie geküsst hat.

    Dann, und dies fast in einer gewissen Gleichzeitigkeit, ging eine Tür in dem Gang auf, worin die beiden Männer verschwanden, während vom Kinoinneren die Masse des Publikums heranrauschte, diese, in völliger Unkenntnis des gerade Vorgefallenen schon Pläne für das Aufsuchen der nächsten Kneipe schmiedend das Ganze in eine gewöhnliche Nach-dem Kino-Szenerie verwandelten.

    Sichtlich bedröppelt (wie sagt man?) ging ich hinaus. Meine Bekannten ließen mich in Ruhe, stellten keine Fragen, unterließen auch das Aussuchen einer Kneipe und fuhren nach Hause. Noch heute bin ich mir über die Schicksalsträchtigkeit der Begegnung nicht im Klaren.

    Zum Anlass des Todes des großen Dichters habe ich mal wieder daran gedacht und ein weiteres Mal im Sommer an einem Badesee im Norden Berlins, wo ich in einer Gesellschaft die jüngere Schwester der Angebeteten aus der Schulzeit wiedertraf, die mir mitteilte, dass diese in Afrika als Missionarin arbeitet und eine Gruppe gegen das Beschneiden usw. leitet.

  2. #2
    Large Member Avatar von vir
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    Two out of three

    Die Harald Juhnke Geschichte war gut, dann kam leider die angeberische, verdrehte und aufgesetzt-cool dahergeschriebene Kim Basinger-Story aber die hier ist wieder gut.

    Burroughs fand ich immer klasse weil er sowohl als Schriftsteller als auch als Bildender Künstler ja doch irgendwie scheisse war, dabei aber grossartig als Typ.
    Die, hogenpops, die!

  3. #3
    Moderator Avatar von Ruebenkraut
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    Den drittletzten Absatz mochte ich nicht, zu maniriert (sagt man das so?).
    Sich "über eine Schicksalsträchtigkeit nicht im Klaren sein", wie geht das?
    Interessieren täte mich auch das "usw." im letzten Satz.
    Aber ich habs gern gelesen.

  4. #4
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    Uff.

  5. #5
    Moderator Avatar von Ruebenkraut
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    war nicht bös gemeint

  6. #6
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    Schicksalsträchtigkeit-ich weiß auch nicht wies geht, aber es geht.
    usw-klang einfach gut, so hab ichs hingeschrieben.

  7. #7
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    ist OK (pathetischer Tonfall)

  8. #8

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    Meinetwegen ist das eine gute Geschichte, ich mochte das alles letztlich nach der Entsetzen yeichnenden Linie des burroughschen Mundes (zwei weibliche Teenager mit seinen Buechern in den Händen!) nicht gelesen haben, aber vielleicht fehlt mir auch das Feingefuehl, jemand moege mir meinen Missmut erklaeren, ich bin fiebrig und leidlich, Herr Jakob.

  9. #9
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    das hätte man vielleicheicht weniger schwatzhaft erledigen können, aber ich hatte diese gezeichnete Linie des Mundes von Lucy im Kopf, als ich das nein den Mund von Herrn Burroughs sah. Und man will komisch sein und schreibt das denn dann so hin...für den Augenblick.
    Wünsche gute Besserung!

  10. #10
    sqm
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    nun vergrault mir doch nicht den herrn jakob. zürich, sagte er und in meinem kopf entstand der plan, ihn demnächst für tobler einzuwechseln, den altmeister ziehts weg von hier und wir brauchen ersatz. sagen sie, herr jakob, würde es sie freuen, wenn man sie in dieser oder der nächsten woche zum 'mitarbeiter der woche' ernennen würde? das hat damals beim tobli auch geklappt, als der neu war haben wir hinter seinem rücken ein bisschen getuschelt und dann haben wir, bzw. der betriebsrat - damals gabs noch einen betriebsrat - gerufen: "MITARBEITER DER WOCHE!" und stellen sie sich vor, es hat geklappt! einer der besten mitarbeiter ist er geworden und ein guter freund dazu! und nun, 5000 postings später, will der mann weg von zürich, ich glaube, es ist ihm einfach zu wenig schön hier (vergl. den "zürich"-strang), er geht jetzt nach hannover, die hätten die besseren bahnhofsunterführungen dort und überhaupt.
    und noch ein tipp: lesen sie doch einmal seine geschichte vom teigigen kritiker.

    gegen inge.


  11. #11
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    mache ich, aber jetzt muss ich ins Bett!

  12. #12
    sqm
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    na, so wird das aber nichts mit dem toblernachfolger, wenn sie dann um elf sagen, tschüssikow, der herr jakob geht jetzt liegen. ansonsten bräuchten sie noch gute haare, ein gutes fremdwörterlexikon, eine entzückende freundin und noch dies und das, na, wir werden sehen.
    wie wärs mit einer rituellen stabsübergabe an einem der tradition gewordenen limmatschwimmen, irgendwann ende juni, anfangs juli? tobler? seltzer, virchow, apo, angelika, tigerin, tex, usw.?

    gegen inge.


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