Es war einer jener Abende. Hamburger haben für diesen Dauerzustand zwischen November und Sonnenwiederaufgang eine Menge Begriffe, darunter sogar so beschönigende wie Herbst und Winter. Das Wetter wird in dieser Zeit von Èerhöhter LuftfeuchtigkeitÇ geprägt. Wer als Fremder die Worte ÈkaltÇ oder ÈungemütlichÇ in den Mund nimmt, bekommt gebetsmühlenartig zu hören, dass es kein schlechtes Wetter, sondern nur schlechte Kleidung gebe. Aber so sind sie, die Hamburger. Sie sagen auch gerne Thalia mit Betonung auf der ersten Silbe. Sie wählen Schill. Sie schütten Naturschutzflächen zu. Im Grunde muss man ihnen ständig verzeihen. Aber egal. Es war also einer jener Abende, an denen die allgemeine Stimmung die Farbe und den Geruch der Alster annimmt: schwarzgrün mit einem Hauch Abschied für immer. Es war einmal vor etwa acht Jahren.
Wie ein Leuchtfeuer überstrahlte damals ein Termin alle anderen im Veranstaltungskalender der Stadt: Uraufführung von ÈAlice im WunderlandÇ, Musik Tom Waits, Regie Bob Wilson, Ort das Thalia-Theater. Wer etwas darstellte in Hamburg, hatte sich längst eine Karte von Rang organisiert. Wer noch etwas werden wollte in Hamburg, hatte sich irgendwo rechtzeitig eine Rest-Karte bestellt. Wer wie ich einfach nur naiv war, stand als Gliedmaß eines düsteren Tausendfüßlers im Foyer, beobachtete den vorbeifließenden Strom der Glücklichen und hoffte auf ein Wunder, genauer gesagt auf die Rest-Rest-Karten.
Fortsetzung folgt
(Beitrag wurde von Goodwill am 28.09.2001 um 15:31 Uhr bearbeitet.)
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