Letzten Montag, Hotel Four Seasons, Mailand. Muss auf einen Kongress, das heisst muss einen Kongress organisieren. Habe schlechte Laune, wie jeden Montag. Bin spät dran’. Eile durch die Hotellobby. Die Pagen begrüssen mich freundlich. Runter zu den Tagungsräumen, es ist warm und in den Hallen läuft die Klimaanlage auf Hochtouren. Schnell schaue ich , ob die Sitzordnung stimmt, die Computer angeschlossen sind. Meine Kollegen sind gelassen, rauchen, lachen und trinken Espresso. Wir haben noch Zeit. Ich überfliege die Meldungen im Corriere della Sera.
Die ersten Gäste sind angekommen. Händeschütteln, Smalltalk. Middle Mangement. Die wirklich Wichtigen haben im letzten Moment abgesagt. Endlich ist auch der Speaker angekommen. Andrea Illy, Kaffeebaron. Zählen Industrielle auch zu den Vip’s ? In Italien schon. Sie sind aber nicht gerade für ihren Glamour bekannt. Mit Ausnahme von Gianni Agnelli oder Tronchetti Provera. Der hier ist auf jeden Fall sehr unglamourös, aber wie es scheint leicht reizbar. Er soll jetzt über Marketingstrategien für den amerikanischen Markt referieren. Ich schiebe den Mann sanft zum Redepult und schliesse die Tür. Durchatmen, Zigarette anzünden.
Im Nebenraum tagt die “Assemblea Nazionale della Moda Italiana”.Die Bosse der Modeindustrie. Weisshaarige Männer in Massanzügen.
Eleganz wohin das Auge schaut. Viel falsches Blond, schwarze Sonnenbrillen und allerhand modischer Firlefanz, wie zum Beispiel gelbe Pythonhandtaschen, und die wieder in Mode gekommenen Fetischschuhe (die mit dem Knöchelriemchen) Der Wahnsinn. Das da ist doch Laura Biagiotti. Das heisst, ich habe sie erst nicht erkannt. Sie hat eine rot-blaue Tunika an, was sie ein bisschen wie eine Boutiqueverkäuferin aus der Vorstadt aussehen lässt. Neben ihr ihre Tochter Lavinia, die mich immer an einen Schwan erinnert. Endlich bringt mir Tony, der Kellner, einen Campari Orange. Es ist mittlerweile fast 11.00 Uhr und Zeit für einen Aperitiv. Langsam setzte ich das Glas an den Mund, da sehe ich sie: Schrägstehende grüne Augen und langes seidiges Haar. Sie steht ungefähr fünf Meter von mir entfernt und plaudert angeregt mit einem kleinen graumelierten Herrn. Ornella Muti. Star des italienischen Kinos der siebziger Jahre. Sie trägt enge schwarze Hosen und High heels.
Ich beobachte sie von der Seite, unauffällig. Tue so, als würde ich jeden Tag Aperitiv mit Ornella Muti trinken. Leider haben sie nun auch meine Kollegen entdeckt, sind dabei aber weniger diskret. Sie zeigen mit dem Finger auf sie. Bäh. Arme Ornella, es ist nicht leicht, ein Star zu sein.
Sie hat es plötzlich sehr eilig, wirft ihr Haar nach hinten, dreht sich um und geht mit ihrem Begleiter die Treppe hinauf, in Richtung Ausgang.
Währenddessen neigt sich unser Kongress dem Ende zu. Die Massanzüge stürmen zum Buffett. Tony bringt mir noch einen Campari Orange. Mit dem Campari in der einen und der Zigarette in der anderen Hand, versuche ich mich langsam wieder auf meine Arbeit zu konzentrieren.
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