Wie alle 16-Jährigen hatte auch ich ein Phase gesellschaftlichen Aufbegehrens. Während aber so manche meiner Freunde Bakunin lasen, literweise Nica-Kaffee in sich hineinschütteten oder an der Startbahn Steine schmissen, trat ich dem Verein ³Frauen helfen Frauenã bei, der ein autonomes Frauenhaus forderte. Es gab in jener Stadt kein Frauenhaus, und das auf der anderen Rheinseite war ständig überfüllt, so daß hiesige Frauen irgendwann konsequent abgewiesen wurden - schließlich wurden auch am anderen Ufer genug Frauen geprügelt. Daß in jener Stadt einmal eine Frau buchstäblich totgeschlagen wurde, weil es kein Frauenhaus gab, in das sie hätte flüchten können, war wohl ihr persönliches Pech, jedenfalls interessierte sich im Rathaus weder die spätere Familienministerin Rönsch jemals für unsere Veranstaltungen, noch die ³rote Heidi'.
Fünf Jahre später, es war kurz vor meinem Ausstieg aus dem Verein, hatten wir einen kleinen Stand in der Fußgängerzone. Es war internationaler Frauentag, und in der Stadt gab es immer noch kein Frauenhaus. Neben uns hatten die Hardcore-Lesben einen riesigen Stand, sie baten mich, eine Weile darauf aufzupassen. Während die also der städtischen Frauenbeauftragten auf deren Info-Tisch im Rathaus ein paar lustige Lesbenbroschüren unterjubelten, stand ich am Stand und langweilte mich (Hannelore Rönsch fand die Broschüren übrigens gar nicht witzig und brach in der Folgezeit via Zeitung einen regelrechten Streit mit der Frauenbeauftragten vom Zaun). Mitten in meine Langeweile platzte plötzlich ein Pulk Leute, ein älterer Herr streckte mir die Hand hin und fragte mich, wie es denn so mit unserer Arbeit ginge. Große Verwunderung meinerseits, denn ich kannte denn freundlichen Herrn ja gar nicht, gab ihm aber artig die Hand. Komplett wurde meine Verwirrung, als seine Begleitung, eine Vera Irgendwas, dann auch noch mit mir über Geld sprechen wollte. Obendrein fand ich einen Haufen Mikrofone unter meiner Nase. Da ich keine Ahnung hatte, von welchem Geld die Rede war, holte ich mir von unserem Stand schnell eine der Vereinsgründerinnen, die aber auch von keinem Geld wußte, und sagte, daß sich ohne Geld unsere Arbeit halt sehr schwierig gestalte. Es wurde fleißig in diverse Notizblöcke gekrikelt. Der ältere Herr schaute ganz bekümmert, doch die SPD-Frau aus Nordrhein-Westfalen insistierte, sie wisse doch ganz genau, daß Gelder von der Stadt für uns bewilligt wären (noch eifrigeres Gekrikel). Da stellte sich heraus, daß die Dame unseren Verein mit einem anderen Frauenprojekt, einer Bildungseinrichtung, verwechselt hatte. Kaum war dieses Mißverständnis aufgeklärt, gab es erst ein betretenes Schweigen, dann wurden ö schwupps ö ganz schnell die Mikrofone weggezogen, und der Troß eilte weiter zu den anderen Frauen.
Das Schönste aber war das Foto auf der Titelseite der Lokalzeitung am nächsten Tag. Darauf war Johannes Rau zu sehen, wie er einem Mann die Hand schüttelte, dieser Typ war weit und breit der einzige kommerzielle Standbetreiber gewesen. Bildunterschrift: Internationaler Frauentag: Johannes Rau informierte sich über Frauenprojekte in unserer Stadt.
(Beitrag wurde von naja am 22.09.2001 um 17:31 Uhr bearbeitet.)
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