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Thema: Furtwängler, Maria

  1. #1
    Avatar von Die Wucht
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    Furtwängler, Maria

    oder

    Mehr als sechsi


    Seit dem kleinen Fernsehtod anno Mai 2005 läuft hier unentwegt das Radio. Letztens erst hörte ich eine Psychologin im Interview, die – leider sehr vorhersehbar – von Psychologie und Sex sprach. An sich keine nennenswerte Erwähnung, die allerdings einen 180 Grad turn erlebt, wenn man sich ihre Aussprache vergegenwärtigt: „Tsücholokie“ und „Sechs“. Sechs sagen, ist wie Fack schreiben. „In meiner Praxis habe ich viel mit Sexualstörungen zu tun. (...) Impotenz kann man für sich nutzen.“ Impotenz ist in gewisser Weise sehr männlich, setze ich ihre Ausführungen gedanklich fort und leihe diesen Satz jedem gratis, der ihn braucht.

    Letztens wurde Maria Furtwängler anläßlich ihrer Ernennung zur erotischsten Fernsehkommissarin des deutschen Fernsehens auf Radio Eins interviewt. Kann man ohne Logikeinbuße von einem Superlativ sprechen, wenn ihm eine dreifache Flankierung zugrunde liegt? 1.) Erotisch – das ist nicht heiß oder sexy, nicht einmal sechsi! Erotisch sagt, wer nicht als lüstern gelten will. 2.) Fernsehkommissarin – davon gibt es sowieso nur noch zwei, seit Schimanski abgesetzt wurde. 3.) Deutsches Fernsehen - hat schon mal jemand den Weg der Gabel zum Mund unterbrochen, weil ein vergleichbarer Titel im französischen Fernsehen verliehen wurde? Wieviele Einschränkungen verkraftet ein Superlativ ohne dürftig ummäntelte Bedeutungslosigkeit zu offenbaren?

    Wegen einer knacksenden Telefonverbindung musste sie von den Moderatoren angebrüllt werden, wofür sie sich am Ende des Gesprächs herzlich lachend bedankte. Ab diesem Moment wurde sie mir sympathisch. Ich würde ihr ganz andere, viel bessere Titel verleihen. Im Laufe des Interviews fiel mir ein, sie einmal gesehen zu haben. Auf der Hochzeitsfeier eines guten Freundes fragte mich ein Kavalier nach meinem Feuerzeug, der es Maria Furtwängler überreichte. Bald darauf ging der Ort des Geschehens, Schloß Ellmau, in Brand auf. Lest selbst.

    Nachdem ich die Einladung zur Hochzeitsfeier erhielt, tauschte ich mich mit meiner Kollegin und Freundin Karolina darüber aus.
    - Bist Du traurig darüber, dass er heiratet?
    Nein, das ist nicht so eine Sorte Freund. Ich freue mich für ihn und ich komme mal wieder zum Feiern. Aber mich wundert es, was andere sich trauen. Das kann man doch eigentlich gar nicht entscheiden, ob man wirklich den Rest seines Lebens mit jemand verbringen will.
    - Aber man kann’s doch versuchen. Vielleicht lernst Du da ja jemand kennen.
    Karolina (sich genervtes Augenrollen vorstellen), das wird sich auf einer Hochzeitsfeier mit über hundert Gästen wohl kaum vermeiden lassen, dass ich da jemand kennen lerne.
    - Nein, so meine ich das nicht, (hier Strahlen einblenden) ich meine einen Mann. Ich verstehe sowieso nicht, warum Du keinen Freund hast.
    Das ist kein Satz, der mich glücklich macht. Außerdem bin ich noch nicht über die Trennung von Andreas weg.
    - Ach komm, das ist vorbei. Deine Schwellung im Gesicht ist weg, Du siehst toll aus, mach was damit! Was ziehst Du an?

    Als ich in Klais aus dem Zug stieg, behauptete das Bahnhofsschild, ich befände mich bei neunhundertnochwas Metern auf dem höchsten Intercitybahnhof Deutschlands. Seitdem Braunschweig sich per Bahnhofsuntertitel zur Stadt der Forschung erhebt, weiß jeder, dass die Urheber dieser Schilder nicht immer die Realität zur besten Freundin haben. Der Skepsis folgend, betrieb ich später eingehende Recherche (in den Atlas gucken, google): Mitnichten handelt es sich im Klais’schen Fall um einen irreführenden Superlativ, es ist tatsächlich der höchste Intercity Bahnhof in Deutschland. Die Luft war dünn und klar, ein Unterschied zu Berlin, wie er sich mit Tag und Nacht nur schwerlich fassen läßt, eher ein Unterschied wie Tag und Nasebohren. Nach nur dreieinhalb Stunden war ich am Rande des mir verständlichen Sprachraums und mitten in den Bergen angekommen.

    Als ich mich auf dem Schloß zum Abendessen einfand, suchte ich meinen Platz auf der Namensliste am Eingang des Festsaals. Bei einem Namen hielt ich verstört inne: Furtwängler. Manchmal rächt es sich, wenn man das Feuilleton gleich mit dem Sportteil ins Altpapier sortiert. War er ein Nazi oder nicht, der Dirigent? Worauf hatte man sich geeinigt? Entwarnung folgte sogleich: Es wurde kein toter Dirigent zur Feier gebeten sondern eine Frau gleichen Familiennamens.

    Später leistete mir ein Unbekannter Gesellschaft. Er habe sich bei unserem gemeinsamen Freund erkundigt und behauptete, alles über mich zu wissen. Ich versuchte mir nicht anmerken zu lassen, wie tief ich gerade in die Gletscherspalte aka Defensive gerutscht war. Von ihm war außer dem Vornamen und Beruf (Christoph und Anwalt) gerade mal ein Hauch mehr als nichts zu erfahren. Ihm war unbehaglich, weil er von einem der anwesenden Männer kritisch beäugt wurde, mit dessen Frau er vor Jahren geturtelt hatte. Ob ich ihm glaubte, dass die Frau (die da, Kopfschwenk) früher viel besser aussah. Warum ich diesen kalten Armreif trage, das würde mich noch härter machen. Ich hielt mich tapfer bei seinen Fragen, kärglich verteilten Freundlichkeiten und seiner Kritik, als einer dieser vielen Männer im Anzug an uns herantrat. Er bat mich, ihm mein Feuerzeug zu leihen. Mit Blicken verfolgte ich den Weg meines Feuers. Er überreichte es der späteren „erotischsten“ „Fernsehkommissarin“ im „deutschen Fernsehen“, die sich damit eine Zigarre anzündete. Es waren die 90er, als es ganz normale Crazyness war, bei Feiern Zigarren zu rauchen.

    An dieser Stelle muss mein Furtwängler-Report leider sein Ende finden. Ich verlor sie aus den Augen, denn ich war mit Tanzen und dem Anwalt beschäftigt, der mich zu später Stunde mit den anderen Gästen erklärungslos zurück ließ und vergaß. Nu soviel: Der Kavalier der Furtwängler gab mir das Feuerzeug zurück.

    Wenn ich in letzter Zeit an Christoph dachte, hatte ich immer die Vorstellung, wie er im Holocaust-Mahnmal verschwindet, um nach einer kleinen Weile ernst, mit schwitzigen Stirnfalten aus dem Stelenfeld hervor zu treten und kein Wort zu sagen. Eine völlig irrwitzige Idee, zumal er wahrscheinlich noch nie in seinem Leben [in Berlin] im Holocaust-Mahnmal war.

    ------------------------------

    Nachtrag:

    Maria Furtwängler kann man heute sehen: Tatort Märchenwald, 20 Uhr 15.

    Aus dem Schoß der Ehe gingen bislang zwei Jungen hervor.

    Das Schloß brannte infolge eines Heizdeckenunfalls ab, den der greise Eigentümer verursachte.
    "Mir läuft ein metaphysischer Schauer über den Rücken."

  2. #2
    Moderator Avatar von Ruebenkraut
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    wunderbar versponnen, die geschichte, was ist eigentlich der höchste regionalbahnbahnhof?

    (und warum denkst du nach zehn jahren noch an diesen christopf-anwalt, wie machte er den bleibenden eindruck?)

  3. #3
    Abebe Lowumbo Avatar von joq
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    Geil, inkls. metaphysischem Schauer am Schluss.
    More gin in teacups

  4. #4
    Avatar von Die Wucht
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    (Rübe, es ist der Fluch des guten Gedächtnisses! Ich durchsuche meinen Kopf nach "Material" und davon gibts in der Vergangenheit mehr als in der Gegenwart.)
    "Mir läuft ein metaphysischer Schauer über den Rücken."

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