Und das ist meine Geschichte: Im süßen Alter von 19 Jahren hatte ich meine zweite Freundin, Waltraud, aus Stuttgart. Mit 19 war ich also Zivi und hatte wenig Geld. Außerdem war ich großer Hans-Dieter Hüsch-Fan.
Hüsch gastierte zu diesem Zeitpunkt in Stuttgart im Residenztheater, einem damals noch ziemlich scheußlichen dunkelbraunen Etablissement. Eine Karte kostete, tja, also circa 30 Mark, einen Betrag, den man mit 19 (ich war doch 19?) gerne spart.
Während ich mit meinem zu betreuenden Bekannten an der Ostsee weilte (kennt jemand Damp 2000? Aber das ist ein anderes Thema. Ich traf dort einmal Gideon Krämer. In Damp. Seltsam), schrieb ich eine Postkarte an Hüsch. Ich Zivi ... blala ... großer Fan ... sososo ... usw. Und was tut der Kabarettistengott? Er lässt Hüsch eine freundliche Postkarte zurückschreiben: ... freut sich sehr ... zwei Karten an der Abendkasse ... danach gehen wir noch zum ... UNLESBAR. Ein Regentropfen hat die Schrift zerfließen lassen und einen Tintensee der Phantasie gebildet. gehen wir noch ...
Aufgeregt, wie nur ein 19-jähriger Zivi sein kann (und das war ich) holte ich meine Freundin ab und ging an besagtem Datum ins Renitenz (oder Residenz?) theater. In der Garderobe berührte ich ihn zum ersten Mal. Er war aufgeräumt und klopfte mir (mir!) auf die Schulter. 'Und danach gehen wir noch zu meinem Italiener ...' Aha. Das wars also.
Über das Programm (Niederrhein, Tante Hedwig, Last mit den Beinen, Gutenachtlied) kein Wort mehr, kaufen Sie die CD. Ich hatte auch alle, doch verlor sie irgenwie (aber das ein andermal). Nach dem offziellen Teil setzte sich der Tross aus Freunden, Technikern und uns in Bewegung, zu einem recht noblen Italiener unweit des Theaters. Hüsch war hier Stammgast: 'Und eine große Portion Alles für die jungen Personen hier'. Ich saß ihm gegenüber (Herr Lottmann, nicht nur Sie sitzen Stars gegenüber) und Hüsch war ein perfekter Gastgeber (nicht wie Gerhard Polt, aber das vielleicht ein andermal) mit viel Gefühl für das prästudentische Leben: 'Gibt es eigentlich noch die Happy-Night-Bar am Bahnhof?', 'Ist das Deine erste Freundin? Hübsch!' oder 'Lesen Sie von Thomas Bernhard GEHEN, damit sollte man beginnen!'. Glücklich torkelte ich nach Hause.
Heute bin ich einer der zehn größten Thomas-Bernhard-Fans und trotz aller Eitelkeiten und Peinlichkeiten nistet HHD (wie er von Freunden teilweise genannt wird) irgendwie in meinem Herzen. Kann man das verstehen?
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