Als Zivildiener begleitete ich vor gut zehn Jahren eine Sommerfreizeit des Jugendkreises einer Pfarre, in der ich meinen Dienst versah, nach Wien. Quartier nahmen wir im Predigerseminar in Purkersdorf, das in den Semesterferien komplett verwaist war. Weil die Plätze zunächst kaum nachgefragt waren, hatte ich den Großteil meiner Freunde dazu bewegt, sich anzumelden. An die ausdrückliche Anweisung des Pfarrers, dabei keine „Saufziegen“ zu rekrutieren, hatte ich mich nicht gehalten. Da es unter Gleichaltrigen nichts zu betreuen gab, bedeutete das für mich zwei Wochen freie Zeit in Wien.
Der Sommer war heiß. Die Mittagszeit verbrachten wir in schattigen Beisln, wenn die Hitze nachließ, zogen wir modest alkoholisiert durch die Stadt oder über den Zentralfriedhof und langweilten uns.
An einem Tag hatten wir uns als Vorabendzeitvertreib auf den Besuch eines Pornokinos geeinigt, wo die wenigsten von uns bis dato gewesen waren. Auf dem Weg dorthin sahen wir einen entspannten Egon Bahr, den großen alten Mann der bundesrepublikanischen Ostpolitik, im hellblauen Kurzarmhemd in einem Straßen-Café sitzen, weibliche Begleitung neben, einen großen Braunen vor sich. In der Straße, in der sich mehrere dieser Kinos angesiedelt hatten, gab es eine Gastwirtschaft, die mit einem Aufsteller für das Tagesgericht „Hirn mit Ei“ warb. Im Kino lief dann ein französischer Streifen, dessen Originaltitel man mit „Fickerl der Bumskönig“ übersetzt hatte. Beides hat sich auf ewig in mein Gedächtnis eingebrannt.
Dem Predigerseminar stahl ich aus der offen zugänglichen Bibliothek ein Exemplar von Musils „Mann ohne Eigenschaften“, brach nach etwa 30 Seiten die Lektüre aber
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