Buchmessefeten sind langweilig, man muß aber hin, weil man sich dem inzestuösen Diskurs nicht entziehen soll. Was für abgelegene Bergdörfer gut ist, wird dem Literaturbetrieb gerade recht sein. Deshalb mag ich die Berliner Szene so sehr. Das Modell ist dort so erfolgreich, daß nun schon Münchner ³Focusã-Journalistinnen ihren Geburtstag in den Hackeschen Höfen feiern. Roger Willemsen wird darob so langsam unruhig, denn man hat ihn einfach in Frankfurt stehen lassen, versehen mit einem Round-Trip-Ticket nach Hamburg. Dort traf ich ihn am Hafen, als er just einem kleinen Touristenboot entstieg, in dem er für ³arteã diese berühmte amerikanische Rap-Sängerin interviewt hatte. Man kennt das ja: Dreh vorbei, Interview vorbei, noch rasch ein paar gestellte Ein- und Ausstiegszenen, die Prominenz fährt ab, Roger steht am Kai. Und fragt sich, warum er nicht bei der Wissenschaft geblieben ist, sein Buch über Musil ist ja immerhin gar nicht mal schlecht. Vielleicht fragt er sich auch, ob er nicht alt wird. Oder, ob sich das neue Buch mit der ganzen politischen Korrektheit wohl gut verkaufen werde. Oder, ob er nicht schon alt *ist*. Ich habe es genau gesehen: In diesem Moment bekam er feuchte Hände. Er wischte sich durchs Haar (jetzt weiß ich auch, warum er das immer tut, und übrigens: Schamhaare *können* gar nicht so lockig sein), mit beiden Händen, rückte das senf-farbene Jackett zurecht und nahm tapfer die Abmoderation in Angriff. Ich wußte: Ich muß mit ihm reden. Ihn trösten. Ihm Mut zusprechen. Ihn nach Berlin einladen, wo es sicher noch einige Verlagsmitarbeiterinnen gibt, die ihn gern haben würden. Wir haben hinterher noch viel geredet und er hat mir verraten, wo er in Hamburg sein göttliches Olivenöl kauft. Zum Abschied drückten wir uns die Hände, und sie waren kaum noch feucht.
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