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Wenn die Symptomatik ein Bild bildet, wie dass In Ihrem Fall der Fall ist, ist jede Behandlung vollkommen unvollkommen.
Da, wo ich als Kind gewohnt habe, gab es eine Baumschule. Sie grenzte in unserer Straße an einige moderne Sechsfamilienhäuser und gleich daneben an eine Reihe von kleinen Bungalows mit hohen Gartenmauern. Nur zur Baumschule hin stand ein kleiner Zaun. In den Bungalows lebten zum Teil die, denen die Sechsfamilienhäuser gehörten. In den Sechsfamilienhäusern war es aber lustiger.
Weil in dem Haus, in das ich gezogen war, auch noch relativ viele andere Kinder wohnten, spielten zwei Nachbar-Väter jedes Jahr im Dezember Nikolaus und Knecht Ruprecht. In München macht man das so: Man verkleidet sich mit Bischofsmütze, Goldumhang und Rauschebart beziehungsweise mit Fellmütze, Sackjacke und Ruten. Dann gibt es verschiedene Möglichkeiten. Die beiden Nachbar-Väter zündeten einfach nur eine Fackel an und stapften vor aller Kinderaugen langsam und feierlich durch die Baumschule. Mehr nicht. Immerhin reichte das, um dem Glauben ans Christkind Fundamente aus Schlittenkufenstahlbeton zu verpassen, und um uns Kinder in eine Art Weihnachtswahnsinn fallen zu lassen. Sobald es Advent wurde, stand die Baumschule jedenfalls unter verschärfter Beobachtung.
Zu jener Zeit plante München gerade die Olympischen Spiele. Die Stadt wuchs sich noch zur Millionenstadt zurecht. Oberbürgermeister war Hans-Jochen Vogel und im Winter gabs noch Schnee. So lang ist das schon her.
In dem Jahr, von dem ich hier berichte, war die Baumschule besonders dicht eingeschneit. Der Mann, den wir manchmal nach Einbruch der Dunkelheit dabei beobachten konnten, wie er sich an Jung-Zwetschgen, Junior-Blautannen und Mini-Rosenstöcken vorbeiquetschte, hatte jedenfalls ganz schön zu kämpfen. Es verwirrte uns ein wenig, dass er einen normalen und keinen Purpurmantel trug. Von Fackeln hielt er nichts. Er hatte auch keinen Bart. Als ich meine Eltern ängstlich fragte, was denn der Mann da so spät in der Baumschule mache, bekam ich trotzdem keine Antwort, mit der ich etwas anfangen konnte. Aber das Treppenhaus-Getuschel um diesen Mann schwoll in der Folge venehmbar an. Ich, ein sogenannter Zugroaster, lernte in dieser Phase meines Lebens das bayerische Wort fensterln.
Es verhielt sich nämlich so, dass Herr Vogel zu jener Zeit eine Affaire mit einer ebenfalls unglücklich verheirateten Dame aus einem der Bungalows unterhielt. Der Weg durch die Baumschule und dann am Zaun entlang erleichterte wohl so manches. Auch später, als es schon längst wieder Sommer war. Noch etwas später heiratete Herr Vogel unsere ehemalige Bungalow-Nachbarin.
Geändert von Goodwill (29.06.2002 um 14:01 Uhr)
Was für ein Spaß!
Erst jetzt habe ich, werte bAbC, Ihre schöne Geschichte entdeckt und mich prächtigst amüsiert.
Dann kommt Godwill vorbei und setzt noch einen Knaller drauf. Schön das.
Sozusagen eine Kirsch, nein, eine Vogelbeere. Herrlich.
Digital Immigrant
Der Goodwill wieder! Paparazzt den schneestapfenden Vogel auf dem Weg zur Schäferstunde in den Bungalow! Schnee und kindlicher Irrtum. Jetzt erst gesehen. Wann wird's mal wieder richtig Winter?
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