Wer schon mal einen Serengeti-Film mit dem Schwerpunkt Hyänen gesehen hat, weiß, wie Benjamin von Stuckrad-Barre lacht: So ähnlich wie ein Wildhund, der gerade einem anderen ein Stück Thomson-Gazelle abjagen will.
Ich hatte Gelegenheit dieses angesaugte uah-uah-uah Ende Mai 2001 in der Plattenabteilung des Kulturkaufhauses Dussmann zu hören und war sofort ziemlich alarmiert. Wilde Tiere mitten in Berlin? Dann sah ich, dass der Verursacher nur ein junger Mann mit kurzen Haaren war, der vor einem anderen jungen Mann mit braungebrannter Haut, verwachsenem Popper-Haarschnitt und wirrem blauen Blick einen lachenden Diener machte. Der mit den kurzen Haaren schien sich uah-uah-uah jedenfalls zu amüsieren. Der Blonde schien sich insgeheim zu fragen worüber.
Mir war sofort klar, dass es sich bei den Frohsinnigen um die beiden gehyptesten Jungautoren (wenn schon Superlativ, dann hier) der Republik handeln musste: Benjamin von Stuckrad Barre geht mit Christian Kracht CDs kaufen. Ein möglicher Titel für ein Dramolett. Nur der Ort war irgendwie zu uncool für solche Hipster, die seit Jahren so tun, als wüßten nur sie und ihre zehn besten Kumpels, wo der Frosch die Locken hat.
Ich schaute mich um, ob auch anderen Regaldurchforstern die Celebrities ins Ohr gestochen waren. Die meisten trugen Kopfhörer. Außerdem kann Berliner generell fast nichts mehr schrecken. Gleichgültigkeit überall. Ich nahm ebenfalls eine Musikdusche und beobachtete beim Mitwippen, wie die beiden Weltliteraten zwischen den Auslagen herumirrten, schließlich vor einer Säule mit Hiphop-CDs und Kopfhörern halt machten und mal hier mal da reinhörten. Immer noch keine Unterschriftenjäger, nirgends.
Etwa zehn Minuten später ging ich zur Kasse und stellte mich, in den ersten Seiten eines neuen Buches blätternd, in die Schlange. Eine junge, nicht sehr attraktive Frau kam auf mich zu, lächelte so haarscharf an mir vorbei, dass ich zuerst dachte, ich sei gemeint und sagte mit einer wunderbar tiefen Radio-Stimme: ÈSchau mal Christian, so sieht Deine aus.Ç Dabei klopfte sie auf eine CD, die aus meinen Augenwinkeln ein bißchen so wirkte wie ÈDark Side of the MoonÇ in Weiß. Der erstaunlich kleine blonde Hoffnungsträger der lesenden deutschen Jugend hinter mir lächelte statt einer Antwort weise und vielleicht ein wenig bekifft. Dazu ertönte ein trockenes uah des kurzhaarigen Pop-Prinzen an seiner Seite. Die Frau strahlte.
Ich zahlte meinen Einkauf. Die beiden Spitzen-Autoren hatten inzwischen mitbekommen, dass da, wo sie sich angestellt hatten, gar keine Kassiererin war und gesellten sich mit ihren vier CDs in jeder Hand widerstrebend zu mir. Und so durfte ich im Weggehen Zeuge werden, wie Benjamin von Stuckrad-Barre mit großer Geste seine Kreditkarte zückte und von der Frau an der Kasse um ein Autogramm auf dem Kassenzettel gebeten wurde.
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