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Thema: Mikhail Baryshnikov

  1. #1
    Large Member Avatar von vir
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    Mikhail Baryshnikov

    Ich brauche nicht Sebald, Conrad oder de Sade lesen. Ich weiss auch so, dass das abgrundtief Böse auch in mir steckt. Weil, wenn ich in einem Konzert bin und diese pelzbehangenen, stinkenden Drecksomas - natürlich meistens beim pianissimo oder zumindest doch an der schönsten Stelle – mit ihrer Husterei anfangen, dann würde ich sie am liebsten alle töten; und in der Pause bin ich nachher froh, dass ich, zumindest meistens, keine grosskalibrige Faustfeuerwaffe mit mir herum trage, denn sonst könnte ich für nichts garantieren.

    Letztes Jahr war ich Ballett gucken, die „White Oak Dance Company“. Ich kokettiere nicht, wenn ich bekenne, dass ich vom Tanz nichts, aber auch gar nichts verstehe. Trotzdem sehe ich gerne schönen Menschen zu, die erstaunliche Sachen mit ihrem Körper anstellen und ausdrücken können – speziell wenn es unter dem Etikett 'Modernes Ballett' daher kommt.
    An diesem Abend wurde nun ein Stück der mehrteiligen Vorstellung zwanzig Minuten lang ohne Musik getanzt – vielleicht nennt man das beim Ballett auch a capella. In den wenigen Minuten, in denen während dieser Zeit Stille herrschte, war das ganz wundervoll, man hörte nur das zarte Geräusch des Schleifens der Ballettschuhe auf der Bühne und sah den farbig gekleideten Tänzern bei ihrem wundersamen Wechselspiel viel konzentrierter zu, weil man nicht durch Musik abgelenkt war. Dann aber, was sollte man auch erwarten: Husten, Räuspern, wieder Husten und nochmals Husten im Publikum. Ich hatte am Schluss sogar den Eindruck, dass die eher auf traditionelles Entertainment konditionierten alten Abonnementshexen absichtlich husteten, als Missfallenskundgebung, die Miststücke. (Um irgendwelchen Einwänden gleich vorzubeugen: in meinen Blickfeld sah ich tatsächlich keinen einzigen männlichen Huster oder Räusperer. Nicht einen. Und auch keine Geräusche verursachenden Frauen unter 50). Ich war ausser mir vor unterdrückter Rage und hatte geradezu das Gefühl mein Kopf würde gleich explodieren.

    Dann Pause, und selbst in Italien darf man nicht mehr rauchen in der Oper aber ich musste jetzt einfach, um mich zu beruhigen nämlich. Also entweder auf einen von Tauben vollgeschissenen Minibalkon oder ins Personalraucherzimmer hinter der Bühne. Letzteres, denn draussen schifft es in Strömen. Drei Damen, die in diesem Opernhaus arbeiten, nehmen mich ins Schlepptau Richtung Kaffeeraum. Da stecken wir uns alle vier eine Zigarette an, fluchen über das undisziplinierte Hüstelpack und schwärmen auch ein bisschen über die tollen Tänzerinnen und ihre Körper.

    Auf einmal sehe ich einen stark geschminkten Homunkulus in einer engen weissen Skihose durch die Kantine trippeln. Es ist Michail Barischnikov. Er deutet Tanzschritte an, summt dabei ganz leise vor sich hin und macht hin und wieder Dehnungsübungen bei denen er ein Bein gegen die Wand streckt. So von nahem gesehen bin ich völlig verblüfft wie unglaublich drahtig dieser doch immerhin schon vierundfünfzigjährige Mann ist und wie gross der Kopf auf diesem Körper wirkt - und wie gross trotzdem die mit violettem Lidschatten zart umrahmten Augen in diesem Kopf wirken. Aber was mich am meisten verblüfft ist, dass er, obwohl er unten weiter tänzelt, oben eine Zigarette raucht.

    Das sei nicht unüblich bei Tänzern, klären mich meine Begleiterinnnen auf. „Schau, schau“ denke ich bei mir „aber hustet er deshalb während der Vorstellung? Eben!“

  2. #2
    Avatar von Benzini
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    Immer mein Reden. Jede Oper, jedes anständige Theater sollte ein standrechtliches Erschiessungskommando beschäftigen, dass notorische Huster sowie prostataschwache Pinkelgänger ohne viel Federlesens füsiliert.

    hustet

  3. #3
    Avatar von Herr Genista
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    Das Schlimmste an den Hustern und Lärmmachern ist, daß ich mir fast sicher bin, daß die überwiegende Mehrheit von denen hustet und Lärm macht, wenn es auf der Bühne respektive im Film grade etwas leiser wird. Darauf wartet das Saupack offenbar gradezu, und kaum lässt die Lautstärke etwas nach, räuspert, hustet und knistert es plötzlich aus allen Ecken. Man möchte rasend werden.
    Zeterum zenseo.

  4. #4
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    Ich glaube, hier liegt ein Mißverständnis vor. Im allgemeinen ist es doch so, daß man die Huster nur hört, wenn es gerade leise wird. Denn sonst ist es ja zu laut dafür, oder? Außerdem werden manche Leute nervös, wenn es leise ist, Stadtmenschen eben, sie werden nervös, bemühen sich angestrengt, ganz ganz leise zu sein, und dann muß man ja praktisch husten, es geht gar nicht anders. Es gibt bestimmt noch viele, völlig natürliche Erklärungen für diese Husterei, man muß wirklich nicht annehmen, daß diese Menschen bösartig sind, wirklich nicht.

  5. #5
    Moderater Avatar von Murmel
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    Sei doch nicht so naiv, Aleks. Natürlich bin ich bösartig und huste, um zu stören.

  6. #6
    Avatar von Aporie
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    Die natürlichste Erkärung ist: vorher rauchen. Aber nicht wie virchow erst in in der Pause. Es kann nämlich sein, dass man dann erst nach der Vorstellung hustet.

  7. #7
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    Es ist natürlich auch eine Frage der Fokussierung. Neulich am zwölften Loch gelang mir ein Birdie, obwohl der Abschlag im Bunker landete. Ich stehe also im Bunker, konzentriere mich, genieße diese Sekunden der Stille kurz vor dem Schlag, hole aus, und der Ball fällt wunderschön aufs Grün und rollt direkt ins Loch. Als ich wieder aufblicke, sehe ich noch die Rücklichter des Güterzuges, der gerade am Golfplatz vorbeigefahren ist.

  8. #8
    Administrator Avatar von Graham
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    Ich habe neulich Nacht drei Stunden lang die Weltmeisterschaft im Billiard angesehen. War super! Irgendwann bemerkte der Kommentator, dass es so etwas wie eine "Disziplin des Hustens" geben würde. Diese sah so aus, dass während der "Stöße" (Kugeln ansehen, grübeln, Kugeln ansehen) ein Gehuste (bisweilen fast in Gekotze übergehend) herrschte, als seien HNO-Ärzte, Halsbonbons oder gehaltvolles Daheimbleiben noch nicht erfunden worden. Sobald der Spieler aber zum Stoß ansetzte, verstummten die Aushuster einhellig und es wurde sehr still. Der Kommentator erwähnte lobend, dass das Fachpublikum eben wisse, was sich so gehöre.

  9. #9
    Avatar von Benzini
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    Sowas nennt man, glaube ich, Höflichkeit. Ansonsten ist mir völlig egal ob es sich um zwanghafte, nervöse, unterdrückt renitente oder ernsthaft lungenkranke Huster handelt. Wer hustet gehört nicht in die Oper, wer blasenschwach ist, vergisst nicht den Katheter, wer Parkinson hat, muss nicht beim Mikado mitspielen, auf der Landstrasse wird nicht links gefahren. Das ist eine Frage GUTER KINDERSTUBE.

  10. #10
    Abebe Lowumbo Avatar von joq
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    völlig richtig. wer todkrank ist soll sich cds anhören. die welt wäre eine besser wenn menschen den guten alten arztterminus BETTRUHE ernst nähmen anstatt sich mit maul- und klauenseuche in bus, bahn und flugzeug zu setzen.

    wird sowieso alles zu lasch gehandhabt. husten im konzert: verwarnung. zweites husten: letzte verwarnung. drittes husten: 500 eur geldstrafe und hausverbot. ZACK!

    so muss das gehen.
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  11. #11
    Moderator Avatar von Klede
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    Diese Geschichte ist gross. Die Leute hoert man nicht nur an leisen Stellen husten, weil man sie sonst nicht hoeren kann, sie husten an leisen Stellen, weil sie bekloppt sind, weil sie nicht anders koennen in ihrer Erbaermlichkeit. Ausserdem kommt das Husten immer stossweise, wenn einer hustet, husten drei andere. Ansonsten gilt nach wie vor als Verhaltensregel was Kinski sagt:

    Stern Nr. 12 (15.03.1979) S. 106-120, Michael Jürgs und Alfred Nemeczek interviewen Klaus Kinski.

    ...Stern: Und wenn ein Besucher an der falschen Stelle lacht oder auch nur hustet, wie es oft vorgekommen ist...

    Kinski: ... den würde ich beschimpfen, wenn ich sehr aufgepeitscht wäre. Wäre ich in einer anderen Verfassung, würde ich vielleicht gar nichts sagen und in meine Garderobe gehen, bis die Leute sich anständig benehmen.

    Stern: Sie teilen also nicht die Auffassung vieler Profis, die sich sagen, wir sind die Komödianten und müssen tanzen, weil das Publikum auch für die Freiheit bezahlt hat, seinen Gefühlen Luft zu machen.

    Kinski: Nein. Als ich Gast in Münchhausens Talk-Show war und einer dazwischenquatschte vor immerhin 25 Millionen Zuschauern am Fernseher, da habe ich gerufen: Was ist denn das für ein Marsmensch oder Geisteskranker. Ich bin überzeugt, die Mehrzahl aller Zuschauer waren meiner Meinung: denn ich habe ihnen zu der Konzentration verholfen, die sie im Grunde ja selber wollen. Das Eintrittsgeld berechtigt keinen, das alles in Gefahr zu bringen.

    Stern: Gilt diese Forderung auch für den Zuschauer Kinski?

    Kinski: Ich glaube, ich würde eher ersticken, bevor ich husten würde.

    Stern: Und wenn das Stück mies ist.

    Kinski: Dann würde ich still rausgehen. Schlechtes Benehmen halten die Leute doch nur deswegen für eine Art Vorrecht, weil keiner ihnen aufs Maul haut. Vor Jahren bin ich mal im Auto durch Paris gefahren und musste im Quartier Latin plötzlich stoppen, weil an einer Querstrasse eine Horde Studenten Autos umschmeisst. Um nachher sagen zu können, wir hatten unsere Revolution, wir sind auf die Barrikaden gegangen. Dabei war der Anlass irgendein Scheissdreck. Vielleicht war ihnen in ihrer Mensa der Orangensaft nicht gelb genug....

  12. #12
    Abebe Lowumbo Avatar von joq
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    hab mal georg ringsgwandl im mousonturm frankfurt gesehen. in der ersten reihe saß eine frau die hat gehustet, dass ich denke entweder sie kotzt oder stirbt gleich. im minutentakt.

    man konnte sie aber nicht richtig anzischen, weil sie im rollstuhl saß.

    irgendwann hat ringsgwandl gesagt: "wennsd mir in die nächste balladn a no reinspeist, dann schiab i di pasönlich naus".

    szenenapplaus, leider nur von mir.
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