Vor einigen Jahren, ich wohnte da in Berlin-Kreuzberg, ging ich die Wrangelstraße herunter, vorbei an der katholischen Obdachlosenspeisung des Ordens von Mutter Teresa, wo indische Nonnen deutschen alkoholkranken Männern warme Mahlzeiten bereiten. Da ich damals schon einen eigenen Herd hatte, ging ich wenige Schritte weiter, zu Kaisers. Dort habe ich Lebensmittel gekauft, was, das weiß ich nicht mehr, es war so Anfang, Mitte der 90er Jahre, so genau merke ich mir das nicht, den Einkaufszettel habe ich auch nicht aufgehoben. Ich hatte aber jedenfalls meinen weidengeflochtenen Einkaufkorb dabei, der gut in den Kaiserswagen passte, und da habe ich dann wohl Essen und Getränke hineingepackt.
Als ich fast an der Kasse war, stand hinterm Wagen vor mir Wiglaf Droste. Er war mittem im Gang stehen geblieben, so als hätte er vergessen, was er noch brauchte - vielleicht für ein Essen oder auch fürs Badezimmer. Jedenfalls blockierte er mit seinem Wagen den engen Gang des sehr kleinen Kaisers-Marktes. Ich dachte schon, etwas zu sagen, warf dann aber erstmal einen gekonnten Fleischerhakenblick um ihn herum auf seinen Wagen und die Einkäufe darin: Fünf Dosen Pilsner Urquell.
Er fasste dann seinen Wagen beherzt am Henkel und schob ihn ohne weitere Zuladung zur Kasse hin. Kurz zuvor hatte er gerade eine Glosse geschrieben über Kreuzberg und seine Autonomen in der irgendwie der Görlitzer Park (damals eher noch Brache) und der hübsche Vers: 'Kreuzberg ist kein Käsekiez / den Käse fraß die Kiezmiliz' vorkamen. Grund: Wiglaf Droste hatte (in der Glosse) versucht in SO 36 Greyerzer (vielleicht hieß es auch Gruyre ?) zu kaufen. Gab es aber nicht. Nicht in Kreuzberg 36. Worauf ein mit Liebe für die Liebste zu kochendes Mahl entfallen musste. So ungefähr.
Und jetzt mit fünf Dosen Pilsner Urquell. Ich bin dann schnell noch mal zurück zur Käsetheke. Da gab es Greyerzer, gar nicht mal wenig davon. Gerne hätte ich ihn darauf hingewiesen, traute mich das aber natürlich nicht. Kaisers-Käse sollte man wahrscheinlich sowieso nicht mit Glossen-Käse vermischen - ungute Gemengelage.
Selbst hab ich mir dann auch keinen Greyerzer gekauft. Aber was ich wirklich gekauft habe, das weiß ich nicht mehr.
Vielleicht ein gutes Kriterium für Prominenz im Supermarkt: Hernach weiß man noch, was die gekauft haben, vielleicht sogar noch, was man selbst nicht gekauft hat; das was man selber brauchte hat man aber jedenfalls sofort vergessen. Ausnahme: Mutter Teresa. Ihre alkoholkranken Männer wissen, Suff hin oder her, noch genau, was es am Vortag gegeben hat.
Womit ich nicht sagen will, die Katholische Kirche sei ein Supermarkt.
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MBart
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