Letztes Jahr kam ein wahrer Goldregen über den Schifferverein in dem ich Mitglied bin. Die Filmproduktion Duell - Enemy at the Gates, vulgo Stalingrad, charterte einiges an unserem historischen Gelumpe, darunter etliche Schuten, Pontons, ehemalige Hafenschlepper und ein Monster von einem kleinen Bugsierboot, dessen glücklicher Lenker ich war. Für einen guten Tagessatz sollten wir die russichen Truppen über die Wolga schippern. Diese war ein gefluteter Kohletagebau in der Lausitz.
Im Kriege angekommen wurden wir in dreckige Klamotten gesteckt, denn wir waren ja die Russen.
Man muß wissen, daß Schiffer (ich bin eigentlich keiner) ein stures, leicht beschränktes, liebensswertes und doch geschäftstüchtiges Völkchen sind. Einer von uns hatte spitzbekommen, daß man zusätzlich zum Tagessatz Komparsengeld bekommt, wenn man als Crew, also Produktionsmitarbeiter die wir ja waren, in Komparsenklamotten im Bild zu sehen ist, oder dies zumindest dem mit teilweise über 1000 Statisten etwas überforderten Komparsenbüro anzeigt.
Selbstverständlich liefen die Schiffer von diesem Tag an grundsätzlich in den russischen Stinkeklamotten herum, egal ob wir nun hinter oder vor den Kulissen arbeiteten. Das hatte allerdings einen Haken. Auf dem Set herrscht eine rigide Zweiklassengesellschaft: Die Crew - und die Komparsen.
Die Crew, knapp 300 Leute, hatten ein eigenes Zelt mit richtig gutem Esen, Büffet, tollem Kolbenpresskaffee etc. Die Komparsen, hatten auch ein eigenes Zelt, aber beschissenes Essen und Kaffee aus Kanistern. Ist ja klar wo die Schiffer hingingen.
Das gab unerwartete Probleme. Am ersten Tag standen im Crewzelt all die Profis mit ihren Overalls Schlange und warten auf die Berge voll Schnitzel, so auch wir Schiffer, nur halt mit den fiesen Russenklamotten. Und als der erste von uns kurz vor den Fleischtöpfen angelangt war, kam die Schöpfkelle der Köchin und sagte 'patsch, patsch, das ist hier aber nicht für Komparsen' und wollte die Schiffer wegschicken. Grosser Aufstand, ganz großer Aufstand.
Schiffer können jähzornig sein, besonders der Kapitän des größten Schleppers von knapp 30 Tonnen namens 'Linda'. Um es kurz zu fassen, alles hatte sich bald geklärt, die Schiffer bekamen ihr Fleisch und alles ward gut, bis auf die Tatsache, daß wir, um der Verwechselung mit Komparsen vorzubeugen, am nächsten Tag unsere Schwimmwesten über die Russenklamotten zogen, was natürlich super dämlich ist wenn man mit 10 Leuten an einem Biertisch sitzt und irgendwelche Idioten von der Pyrotechnik nichts besseres zu tun haben als die Reißleinen zu ziehen. Diese Schwimmwesten blasen sich automatisch auf...
Aber ich will hier ja keine Dönnekens über Komparsen und Schwimmwesten erzählen, sondern über Jude Law. Jude Law hatte zwei Probleme:
1. Er war dumm, arrogant und überheblich, hielt sich für einen großen Hollywoodstar und keine Sau kannte ihn.
2. Er spielte im Film einen einfacher Soldaten und hatte deshalb fiese stinkige Russenkomparsenklamotten an.
Wir befinden uns also in dem Teil der Geschichte, wo es wegen der Schmitzel große Aufruhr gegeben hatte und alle sich bis auf den Kapitän des Schleppers 'Linda' einigermaßen beruhigt hatten.
Ich stand also mit dem Lindakapitän in der immer etwas längeren Schlange vor der schon erwähnten Kolbenpressmaschine wo es den guten Kaffee gab. Jude Law drängelte sich an der gesamten Schlange vorbei um nicht so lange anstehen zu müssen. Weder der Kapitän noch ich erkannte den Star, für uns war das ein ganz kleiner Komparse.
Es kam wie es kommen musste: Der immer noch auf 180 hochtourende Kapitän blaffte den Hollywoodschauspieler an, hier sei nicht das Komparsenzelt, er möge sich doch einfach verpissen, Jude Law schnappte auf englisch zurück, er sei hier immerhin der Hauptdarsteller.
Nun platzte dem Kapitän endgültig die Hutschnur (ohne Scheiss, er hat Hutgrösse 65, findet mal eine passende Mütze für den!, er kramte seine paar Worte englisch aus dem Funkerhandbuch zusammen und flippte aus:
Aufstand, riesengrosser Aufstand! Es fielen viele Worte mit FUCKING. Der Lindakapitän wollte eigentlich nur sagen, daß Jean-Jaques Annaud auch anstehe(was stimmte), und der sei ja schließlich der Regisseur, Jude Law solle sich daran ein Bespiel nehmen, er sei für ihn ein ganz kleines Nichts.
Der Streit drohte zu entgleisen, auf der einen Seite versuchten Menschen in schwarzen Anzügen den Hollywoodstar vor der mordlustigen Meute abzuschirmen, auf der anderen forderten 15 aufgebrachte Schiffer gleiche Rechte für alle.
Die Sache eskalierte, als Jude Law schrie, der Kapitän müsse vom Set fliegen bevor er weiterspiele, worauf der Kapitän zurück brüllte, dann könne ER ja versuchen seine 30 Tonnen schwere Linda mit Anhang durch die Wolga steuern, usw. und sofort, es war ein reeler Patt, ja es war herrlich bis Annaud selbst schlichtend eingriff, und diplomatisch erklärte, Jude Law habe sich beeilen müssen, denn er hätte noch eine Szene mit ihm zu besprechen wollen.
Seit diesem Ergeignis hatten wir Schiffer unseren Namen weg, wir waren die Boat-Gang, man ging uns respektvoll aus dem Weg, wir konnten sogar schon am nächsten Tag ohne Schwimmweste essen gehen.
(Beitrag wurde von honz am 24.09.2001 um 21:01 Uhr bearbeitet.)
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