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Thema: Berg, Sibylle (ist wirklich so)

  1. #1
    Moderatorin Avatar von Frau H aus B
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    An einem lauen Sommerabend vor sechs Jahren spazierten meine Begleiterin und ich in aufgeräumter Stimmung durch das babylonische Ishtar-Tor. Vor dem Tor hatte sich eine größere Schar von Menschen um einen weißgewandeten Priester versammelt, der zu Trommelbegleitung einen rituellen Tanz vollführte. Auch wir blieben stehen und betrachteten interessiert diesen ziemlich kompakten, dabei aber erstaunlich graziösen orientalischen Herrn bei der Ausübung seines Amtes. Aus irgendeinem Grund wollte mein Blick jedoch nicht auf dem frommen Mann verweilen. Er schweifte zu einer Gestalt, die zu Füßen des Priesters kauerte: ein zierliches Persönchen in Kostüm und Pumps, den Kopf vorgeschoben, die Lippen gespitzt und die dramatisch kajalumrandeten Augen unverwandt auf den Tänzer gerichtet. 'Guck mal', raunte ich meiner Begleiterin zu. 'Da sitzt Sibylle Berg. Wahrscheinlich schreibt sie im Geiste gerade an einer Zeit-Kolumne über die Unmöglichkeit, bei einem Ishtar-Priester Liebe und Geborgenheit zu finden.' Da geschah etwas Merkwürdiges: Obwohl etwa hundert Leute die Szenerie umringten und die beliebte Buchautorin uns nur aus dem Augenwinkel sehen konnte, hatte ich plötzlich den bestimmten Eindruck, daß sie unsere Blicke wahrgenommen hatte. Ja, bei näherer Betrachtung des Szenarios erschien es mir überhaupt so, daß sie vielleicht eine Spur zu nahe bei dem Priester saß, eindeutig näher als alle anderen Umsitzenden jedenfalls, so daß sich beinahe der Eindruck aufdrängte, es gehe ihr mindestens so sehr ums Bemerkt- und Erkanntwerden wie ums Priesteranhimmeln. - Wir hatten dann Lust, auf den Pergamon-Altar zu klettern, von dem sich meine Begleiterin, die Höhenangst hat, längere Zeit nicht mehr heruntertraute, und vergaßen Sibylle Berg.

    Nach dieser Strapaze verlangte es uns nach einer Stärkung. Wir suchten das Museumscafé auf. Direkt hinter der verglasten Eingangstür dieses Etablissements steht ein Tischchen. Daran saß (Fortsetzung folgt)
    *Einschub für Ortsunkundige*
    Wir befinden uns im Berliner Pergamon-Museum.
    Die Ishtar-Priester liegen dort normalerweise im Magazin, aber einmal im Jahr, zur 'Langen Nacht der Museen', werden sie herausgeholt.
    (Fortsetzung) ein elfengleiches Geschöpf und sah uns, die wir Mühe hatten, beim Eintreten nicht über das Tischchen zu stolpern, aus großen, traurigen, kajalumrandeten Augen an. Wir flohen an einen Tisch im Hintergrund des Cafés. Aber merkwürdig: Wollten wir nicht auf die Tischplatte oder gegen die Wand starren, waren wir gezwungen, Sibylle Berg (denn sie war es) anzusehen. Ich sondierte die Lage: Von jedem Punkt des Raumes aus war es dasselbe. Sie hatte sich unter allen Tischen den ausgesucht, der einem Präsentierteller am nächsten kam. Dabei machte sie aber einen scheuen, nahezu autistischen Eindruck: Sie sank immer mehr in sich zusammen, kippte nach rechts, wo sie ihren Kopf gegen die kalte, harte Wand lehnte, derweil schlüpfte sie nervös aus ihren Pumps und wieder hinein und schien die ganze Zeit von nichts und niemand um sich herum Notiz zu nehmen. Ein Bild des Jammers. 'Mein Gott', murmelte meine Begleiterin, 'die ist ja wirklich so.'
    Epilog
    Als wir das Café verließen, mußten wir die zusammengesunkene Kolumnistin passieren. 'Kopf hoch', sagte ich im Vorbeigehen, einem plötzlichen Mitleidsimpuls folgend. Da richtete die Angesprochene sich auf und strahlte mich an, so ein unglaubliches Lächeln, das bei den Augen anfing und sich über das ganze Gesicht ausbreitete, es war, als ginge die Sonne auf.
    Nachdenklich machten wir uns auf den Heimweg.
    'Wer jetzt lacht, der kricht gescheuert.' (Helge Schneider)
    (Beitrag wurde von Frau H aus B am 22.04.2001 um 17:53 Uhr bearbeitet.)
    (Beitrag wurde von Frau H aus B am 23.04.2001 um 08:48 Uhr bearbeitet.)

  2. #2
    Avatar von Christopher Wurmdobler
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    hab ich mir gedacht, dass sybille berg wirklich so ist, die alte spaßbremse...
    feine geschichte!
    c

  3. #3
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    liebe frau h,
    da ich mich kürzlich als helgekenner exponierte, möchte ich ihr lobenswertes zitat, welches ihre ebenso lobenswerte, weil plastische erzählung abschliesst, höflich aber doch, richtigstellen:
    'wenn hier jemand lacht der kricht gescheuert' (näselnd, h.s.)
    symphatisierend,
    ihr o aus c.
    ------------------
    ... personalpolitik ist die kunst, mitarbeiter so schnell über den tisch zu ziehen, dass sie die reibungshitze als nestwärme empfinden. by spiesser alfons

  4. #4
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    Frau Hs Debut im Aquarium!
    Dankedanke, auch für den dramaturgisch geschickt gesetzten Mittelteil.
    Bleibst aber noch bei uns ein Weilchen, ja? Nicht gleich wieder abhauen, wie manch andere Debutanten, wie Slowtiger mit der Schnecke im Gesicht, Fredi aus Holland mit dem Prinzen und der sensationellen Sprache, oder Der Mann, der uns GAGAIN BRACHTE!

  5. #5
    Moderatorin Avatar von Frau H aus B
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    Danke, die Herren, für die anerkennenden Worte; und Herr Rubinowitz, Ihrer Aufforderung zum Bleiben komme ich gerne nach.
    Erfreut: Frau H.

  6. #6
    Camembert Avatar von Edding Kaiser
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    Frau H., Sie sind gar kein Tintenfisch (wie Sie anderswo behaupteten), sondern ein Melanotaenia fluviatilis, vulgo ein Australischer Perlmutt-Regenbogenfisch. Das ist ein schwimmfreudiger Schwarmfisch aus dem Erlebnisaquarium, wie mich www.aquarium.de gerade wissen liess. Ja, ein solcher sind Sie. Was für eine schöne, höfliche Geschichte!
    Ich habe SB mal im Supermarkt (wo ich sie häufig treffe) mit dem Einkaufswagen übel gerammt, als ich etwas übereifrig um die Ecke bog. Damals lachte sie nicht. Aber egal.
    (Beitrag wurde von Karlo Tobler am 22.04.2001 um 21:10 Uhr bearbeitet.)

  7. #7
    Avatar von lacoste
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    Ich bin Sibylle Berg mal in einer Kneipe in Berlin begegnet. Ich war da mit einem Freund und einer Freundin, die unglaublich schöne, lange Haare hat. Sibylle Berg saß am Nachbartisch und hatte bemerkt, dass wir sie bemerkt und erkannt hatten. Sie kam zu uns und bewunderte Ines' Haare und erzählte uns, dass sie früher auch mal so schöne Haare gehabt hätte. Durch irgendeinen Umstand waren sie ihr aber mal abhanden gekommen (wahrscheinlich freiwillig, ich weiß nicht mehr), und sie erzählte, dass sie so schöne Haare wie Ines in ihrem ganzen Leben nie wieder haben würde. Oje, sie wirkte schrecklich traurig.

  8. #8
    Camembert Avatar von Edding Kaiser
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    Frau H., Sie Schwarmfisch, jetzt aber her mit 'Erläuterung zu einem Foto, das meine Tante beim privaten Frühstück mit Sean Connery zeigt'! Eröffnen Sie einen eigenen Strang dafür! Wenn Sie zu schüchtern sind: der von Ihnen gesuchte Strang ist http://www.alles-bonanza.net/forum/s...threadid=10397
    Harrend: Karlo Tober
    (Beitrag wurde von Karlo Tobler am 22.04.2001 um 22:28 Uhr bearbeitet.)

  9. #9
    Camembert Avatar von Edding Kaiser
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    Wenn man SB so sieht, so kommt man unweigerlich zu dem Schluss, dass sie ein Problem hat. Und zwar eines, das mit erzwungener fehlender Nahrungsaufnahme zu tun hat; vielleicht auch mit dem Gegenteil von fehlender Nahrungsaufnahme, nämlich übermässiger Nahrung-wieder-von sich-Gabe. Sie wirkt anorektisch, anämisch und apathisch; wahlweise auch bulimisch, blutleer und bräsig (jetzt kriegt Tex wieder einen Alliterations-Allergie-Anfall - und jetzt gleich den nächsten). Sie tritt einem in einer Art gegenüber, die Beschützerinstinkte weckt. Man möchte sie umarmen, wiegen und füttern. Was man auf keinen Fall möchte: sie mit dem Einkaufswagen rammen. Das kommt einem Mordanschlag gleich, stellt man ihre offensichtlich schlechte Konstitution in Rechnung.
    (Beitrag wurde von Karlo Tobler am 22.04.2001 um 22:16 Uhr bearbeitet.)

  10. #10
    Avatar von lacoste
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    Sie war mir in dem Augenblick, als sie so ehrlich Ines um ihre schönen Haare beneidete, auch gar nicht unsympathisch, aber ich KANN sie einfach nicht lesen.

  11. #11
    Camembert Avatar von Edding Kaiser
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    Das WARUM NICHT wäre nun aber schon von Interesse, La Coste...

  12. #12
    Moderator
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    Nein, lesen kann man sie wirklich nicht.

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