Zwischen meinen Hobbys 'Spazierengehen' und 'Ponys' und den Notwendigkeiten 'Arbeit' und 'Schlaf' tue ich manchmal Plattenauflegen. Eigentlich nur, weil es gemein wäre, die ganze schöne Musik im heimischen Wohngemach einzusperren. Musik will leben und gehört unter Menschen gebracht! Sie wünscht, dass junge Menschen Pirouetten drehen, dass alte Menschen Walzer und andere Menschen Squaredance tanzen. Sie braucht lautes Gelächter, rüdes Getrinke und schummrige Rotlicht-Bars. Wohngemächer und Supermärkte. Oder eben die Astrastube in Hamburg, deren Fensterfront dem Hinausblickenden ein sehr metropolitanes Straßenpanorama bietet. In dieser ehemaligen Gardinen-, jetzt Junge-Leute-Kneipe waren Plattendreher-Kollege L. und ich seit geraumer Zeit am fröhlichen Beschallen, als ein bereits dezent angegrauter Herr zur Kanzel trat, mir eine Postkarte überreichte und inmitten lauter elektronischer Klänge '... von Peter Sempel...' rief. Ich dankte mit einen kleinen Kopfnicken, steckte das Kärtchen erstmal weg und widmete mich der mir obliegenden Auflegerei.
Peter Sempel. Von dem hatte ich natürlich gehört - ich kannte sogar Menschen, die schon vor Jahrzehnten ausgesprochene Sempel-Afficionados waren. Um auf dem Laufenden zu bleiben, habe ich auch mal einen Sempel-Film gesehen: 'Dandy' nämlich. Eine Szene gefiel mir gut. Und zwar diejenige, in der Blixa Bargeld 'der tod ist ein dandy, der tod ist ein dandy, auf einem pffferrrd' in die Kamera schrammelt. Das ist großes Action-Kino und hat mich noch mehr gerührt als die Madonna-stirbt-Sequenz in Evita. Inhaltlich gehe ich allerdings nicht ganz d'accord. Ich bin der Meinung, der Tod sollte neutral sein. Viele Menschen haben bekanntlich gar keinen Draht zum Dandytum und dennoch irgendwann und unweigerlich mit dem Tod zu tun.... Ein Liberaler auf einem Pony wäre vielleicht ganz gut.
Solcherart sind meine Sempel-Gedanken, dem Anlass wahrscheinlich unangemessen. Jetzt aber saß der leibhaftige (oder vermeintliche?) Sempel vor mir. Am Tresen. Neben dem Herrn, der die Karte überreicht hatte. Beide tranken Astra und schienen sich ganz gut zu amüsieren. Als sie den Laden verließen, wurde es Zeit die Karte einer genaueren Betrachtung zu unterziehen. Da verteilten sich einige schwungvolle Kugelschreiber-Buchstaben, und eine abstrakte Zeichnung hat daneben Platz gefunden. Zweifellos eine Künstlerkarte! Wie jedes Lob ist mir der Text ein wenig peinlich. Um der Vollständigkeit und des Künstlers Ausdruck Willen (nicht etwa aus persönlicher Eitelkeit, großes Ponyehrenwort!) will ich ihn Euch aber nicht vorenthalten:
'Hallo!
DJ Mensch!!
gute Musik!!
Peter Rubens (o.ä. - schlecht zu lesen - kenne ich im Übrigen nicht)
Peter Sempel'
Das ist höflich!! Kollege L., der den Herrn Sempel sehr schätzt, freute sich beinahe einen Kratzer in seine Nick Cave-Scheiben und auch ich kam nicht umhin an Ort und Stelle einer Freundin von dem ungewöhnlichen Prominentenlob zu berichten. Was sie darauf sagte, war gemein und hat mich zweifeln lassen, ob diese Geschichte hier einen Platz bekommen sollte, oder ob der Mantel des Schweigens nicht die bessere Kleidung gewesen wäre. Allein aus Trotz habe ich mich für erstere Alternative entschieden. Die Freundin jedenfalls sagte: 'Peter Sempel. Den kennt doch keiner mehr!' Ist das so? Schade wär's.
Im Übrigen: Dass Prominente, bzw. ehemalige Prominente, aus eigenem Antrieb Autogramme an Normalpersonen verteilen, ist ein beachtenswertes Phänomen. Solche Prominente braucht die Welt. Kluftverringernde Prominenz. Höflicher Prominentismus. Das hätte der Weizsäcker auch ruhig mal tun können.
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