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Thema: von Hannover, Ernst August (aus allererster Hand)

  1. #1
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    von Hannover, Ernst August (aus allererster Hand)

    Vor einigen Jahren trafen sich in dem in den 20er Jahren erbauten Kurhaus noch portugiesische Witwen zum Ball, und dieser Hauch von Tristesse ist in den ehrwürdigen Räumen mit all den kitschigen Ölgemälden an der Wand einfach hängengeblieben. Nur die einsamen Herzen geben sich mittlerweile anders: in bunten Fußballtrikots, gerne orangefarben, mit Schals und grellbunten Haaren. Oh Holland! Up your’s! Wer – außer den Oranjefans von 2004 - hat heutzutage noch was übrig für Tradition?

    Wir befinden uns in Falesia, Algarve, Portugal, Sommer 2004. Euro. Im Hotel nebenan logiert die holländische Nationalmannschaft, das gesamte Umfeld droht zu versinken in Fahnenmeer und Presserummel. Aus jedem Hotelzimmerfenster weht eine andere Flagge, die Tage sind heiß, die Nächte auch.

    Wer, wie ich, in Hallein lebt, einem Kaff bei Salzburg, freut sich über jede Abwechslung, und seien es orangefarbene Trompetenspieler, die nach Sonnenmilch stinken. Hallein ist trostlos. Der größte Sohn des Städtchens ist Karl Moik, der Pate Halleins, der mir schon zweimal im Flugzeug von Salzburg nach Wien begegnete. Beide Male sah er sehr gelb im Gesicht aus und versteckte sich hinter der „Zeit“, wobei ich nicht sicher bin, ob er sie las oder nur als Sichtschutz verwendete.

    Doch zurück an die Algarve: Die langen Abende dieses Fußballsommers verbringen wir entweder im Kursaal oder im Strandcafé. Zwischen kurzhosigen Heinekentrinkern und schmerbäuchigen „Ich-buche-alle-Spiele-bis-ins-Finale“-Luxustouristen fällt uns schon bald ein jüngeres, vornehmes Ehepaar auf. Er nippt am Prosecco, sie am Espresso. Wir kommen ins Gespräch, nicht zuletzt, weil der österreichische Zungenschlag schon von weitem hörbar, wenn nicht gar sichtbar, war. Small talk, Lächeln, das übliche Programm, wenn sich zwei Paare gegenüber sitzen, die sich kaum kennen. „Aus Grünau“ seien sie, erzählen die beiden. „Das ist ja nur ein Katzensprung nach Hallein“, sagen wir. Hat nicht dieser Prügelprinz, den man jetzt nicht mehr so nennen darf, ein Anwesen in Grünau? Die Frage kommt unverhofft, doch sie trifft ins Schwarze. Die beiden schauen sich kurz an, dann lachen sie. „Wir arbeiten seit Jahren für Ernst August“, erzählen sie, wobei ich mir nicht mehr sicher bin, ob sie „Ernst August“ sagen oder irgend einen hochtrabenden Titel.

    Wir sitzen dem Verwalterehepaar des Prinzen gegenüber, der in Grünau im Almtal einen riesigen Landsitz mit Jagdschloss besitzt. „Sehr große Zufriedenheit“ zeichne die Zusammenarbeit aus, betonen die beiden. „Sehr große Zufriedenheit“. Er werde ja in den Medien „völlig falsch dargestellt. Völlig falsch.“ Ernst August von Hannover, sei in Wirklichkeit ein äußerst distinguierter Mensch, sehr nett, sehr höflich. Er und Caroline würden sich in Grünau wie „ganz normale Menschen bewegen“. Sie speisten in gutbürgerlichen Wirtshäusern und seien bei den Einheimischen überaus beliebt.

    Ich erinnerte mich daran, dass mir der Prinz und Caroline mal in Salzburg über den Weg liefen. Aufgefallen ist mir damals, dass beide auf der Straße rauchten. Sie trugen Einkaufstüten von Loden Frey oder Gössl Tracht, so genau weiß ich das nicht mehr.

    „Geradezu rührend“, so das Verwalterehepaar, sei es beispielsweise gewesen, wie sich der Prinz um die Angehörigen des verstorbenen Butlers gekümmert habe. Wir hätten doch die Geschichte von dem Butler gehört? Nicht? Der persönliche Butler des Prinzen, ein Ire, stürzte im Herbst vergangenen Jahres auf dem Nachhauseweg von einer Geburtstagsfeier in den Almfluss. Offenbar schwer betrunken. Erst am nächsten Morgen wurde er tot gefunden. Der Prinz kümmerte sich um alles. Wir sind gerührt.

    Auf dem Heimflug nach Salzburg lese ich im „Spiegel“ einen langen Bericht über den Prinzen, den „guten Menschen“, den „Patron von Grünau“. Der „Spiegel“-Redakteur ließ sich vom „Kirchenwirt“ erzählen, wie (Zitat) „eines Tages der Prinz zu ihm hereinkommt, mit seiner Caroline, etwas von der Karte bestellt, gutbürgerlich, und Töchterchen Alexandra sitzt dann bei der Wirtin auf dem Arm. Oder dass er den Grünauern Weihnachtskarten schreibt. Und dass er mal zurückgeeilt ist, von irgendwoher aus der weiten Welt, weil der Junge seines Forstverwalters beerdigt wurde, nach dem fürchterlichen Unfall mit dem Laster.“

    Seit diesen Tagen sehe ich Ernst August, Prinz von Hannover, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, königlicher Prinz von Großbritannien und Irland, in einem ganz anderen Licht. Ich mag ihn, den Prügelprinzen.
    Geändert von Prügelprinzessin (29.07.2004 um 10:13 Uhr)

  2. #2
    psychohasi Avatar von Nicki Tuete
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    Herr Weber auch!
    Pommes dazu?

  3. #3
    Weber Member Avatar von Herr Weber
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    Ich mag den Prinzen und seine offene, direkte, herzliche Art auch sehr, aber ich habe - obwohl ich ihm bis ins kleinste Detail zum Verwechseln ähnlich sehe - nichts mit ihm zu tun. Außerdem rauche ich nicht in der Öffentlichkeit.

  4. #4
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    Auf dieses Posting habe ich seit über drei Jahren gewartet. Immer wieder dachte ich: Heute schreibe ich mal einige Zeilen. Dann aber erschien mir der Anlass zu nichtig und eines Beitrags nicht würdig. Doch heute nun ist es soweit. Und während in all den anderen Strängen getobt, geprügelt und gesnobbt wird, herrscht hier, in MEINEM Strang, himmlische Ruhe und Harmonie. Das ist schön. Ich möchte der unbekannten Autorin recht herzlich für diese wundervolle Geschichte danken, die mich endlich einmal in einem völlig anderen, einem richtigen, Lichte zeigt.

  5. #5
    Large Member Avatar von vir
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    Ganz wuderbare Geschichte und erst noch ein Erstling. Besonders schön auch die Seitenbemerkung betr. Karl Moik.

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