ŒIch gehe nicht so gerne ins Theater, weil ich es hasse. Als ich aber mal in Berlin war, wurde ich von Dietrich Kuhlbrodt für eine Vorstellung Christoph Schlingensiefs in der Volksbühne eingeladen, da Dietrich Kuhlbrodt und seine durchgeknallte Frau Brigitte darin spielten und ich habe nicht nein gesagt. Mein letzter Theaterbesuch lag schon so lange her, daß ich dachte, vielleicht macht der Christoph Schlingensief das Theater etwas anders. Außerdem kannte ich Christoph Schlingensief noch gar nicht und war schon scharf darauf, ihn kennenzulernen. Tatsächlich wollte ich was von ihm. Ich wollte, daß er für mich eine böse Geschichte schreibt, die ich dann als Zeichentrickfilm zu adaptieren vorhatte. Nun wurde ich durch die Hintertür in die Volksbühnenkantine reingeschleust. Dort lief so ein Typ rum, der seinem Outfit nach zum Theaterstück gehörte. Er sah wie Udo Kier aus und mir war schon klar, er wird auf der Bühne den Wahnsinnigen abgeben. Daß Kuhlbrodts Frau Brigitte auch wahnsinnig auf der Bühne ist, kannte ich schon aus den Filmen Schlingensiefs, aber der Udo Kier war extra für wahnsinnig gestylt. Ich dachte, na, der läuft ja privat bestimmt ganz langweilig in grauem Strickpulover oben und unten trägt er nicht mal eine Jeans. Er trägt nicht mal eine Kordhose. Er trägt bestimmt eine markenlose Stoffhose vom roten Kreuz und hat sonst auch noch eine Glatze.
Das Theaterstück begann doch nicht nur für mich durch die Hintertür. Alle Zuschauer mußten auf der Bühne sitzen, davor die Leinwand, auf der irgendwelche Operations- und Nazifilmausschnitte projiziert wurden. Nach einer Weile wurde die Leinwand hochgezogen und man sah das Schauspielerteam von hinten in den leeren Bühnenraum patentieren. Brigitte Kuhlbrodt beweinte den toten Helmut Kohl und der Dietrich sprang auf einem Hometrampolin. Sehr lustig für einen damals 65jährigen Mann. Die Sitze im Bühnenraum waren in Alufolie eingepackt. Absurd das ganze. Irgendwann sprang auch noch Christoph Schlingensief im weißen Anzug zu flotten Beats vom Tape und neben ihm der Wahnsinnige Pseudokier. Seinen Name BERNARD SCHÜTZ, aber das habe ich erst viel später erfahren. Tatsächlich wird sich jeder HÖFLICHE PAPARAZZI wundern, daß ich über diesen Vogel schreiben will, den keiner kennt. Doch er ist halt immer bei Schlingensief dabei. Ich habe schon Spaß an diesen PAPARAZZI Seiten, bin aber nicht ganz im Reinen, ob ich meine echten Promis verraten sollte. Zum Beispiel den belgischen Botschafter Frederic, den ich 1999 in New York auf dem 131 Stockwerk kennenlernte und er mich jetzt heiraten will, aber da er nach KINSASSA versetzt wurde, wird mir sein Posten dann doch zu unattraktiv. Nun zurück zu BERNARD SCHÜTZ, dem linken Ei, dem krummen Finger, der Ersatzwarze, dem Hampelmann, dem Schauspieler von Christoph Schlingensief; Schlingensief, dem Zappelphillip, dem unfrisierten Lobbyisten der Arbeitslosen, Behinderten, Putzfrauen und schlechter Schauspielerei. Sein Theaterstück hat mir außerorndentlich gut gefallen. Vielleicht deswegen, weil er bis auf drei Ausnahmen von Laien bespielt wurde. Diese drei Ausnahmen waren Sophie Rois, ein mir namentlich nicht bekannter Schauspieler und jener BERNARDO SCHUEZORRO. Von den drei Schauspielern haben alle, meiner Meinung nach, bis auf eine Ausnahme ganz gut gespielt. Und diese Ausnahme war natürlich der BERNI. Er hat geschauspielert! Und wie. Fürchtbar. Ich hasse das. Deswegen gehe ich nicht so gerne ins Theater. Dort wird geschauspielert. Kinski hat geschauspielert. Aber Kinski war wirklich so. Er war manieriert bis zum geht nicht mehr. Ich entschuldige Kinski seine Schauspielerei, schon alleine deswegen, weil er in dem selben Ort geboren wurde wie ich. Das ist aber ein anderes Thema. Nun hin und gut. Wie das so üblich ist, gehen alle nach der Aufführung eines Theaterstücks in die Theaterkantine und saufen sich das Adrenalin runter. Dietrich hat mich dann dorthin mitgenommen und ich habe mit allen Behinderten, Arbeitslosen und Putzfrauen reden können, auch mit der angeblich heroinsüchtigen Sophie Rois, die fürchtbar nett war und mir auch noch ihre Adresse gab. Mit dem unbekannten schauspieler sowie mit Christoph Schlingensief habe ich nicht geredet, weil sie gar nicht in der Kantine auftauchten. Besonders wegen Christoph war ich untröstlich, weil ich nun mein Geschäft nicht abwickeln konnte. Insbesondere hat mich das Gespräch mit dem sogenannten KOPF beeindruckt. Sein Name war Rolf oder Ralf. Er bestand eigentlich nur aus seinem Kopf, der aber zu leise sprach. Auf der Bühne wurde er mit einem Mikrophon verstärkt, aber im echten Leben hatte er wohl keinen Bock darauf und meistens redete für ihn sein Zivi und manchmal auch er selbst, aber ich verstand davon nur die Brocken, mochte jedoch nicht bei jedem Wort nachfragen. Der Körper war auf wirklich sehr wenig verkümmert und gerade noch genug, daß der KOPF über den Rollstuhlrand schauen konnte. Nach dem ergreifendem Gespräch, bei dem mir der KOPF bestimmt meine Bewunderung seiner Verfassung ansah, wechselte ich den Platz und setzte mich an den Tisch, wo mein Bekannter Dietrich Kuhlbrodt Abiturientenjungs anbaggerte. Er steht nun mal auf alles, was frisch und jung ist. Ich bewundere diesen Mann für seine Neugierde. Als ich gerade so 5 Minuten, vielleicht waren es 10, das kuhlbrodtsche Flirten beobachtete, setzte sich ein Mann zu uns, von dem ich ahnte, daß ich ihn schon mal im Leben gesehen habe. Er hatte eine Halbglatze, einen grauen Schnurrwollepullover und eine Egalhose aus dem Rotekreuzcontainer. Er fragte mich nach meiner Meinung über daß Theaterstück oder ich fragte ihn, was er mit dem Theaterstück zu tun habe und als er es mir verriet, daß er der Udo Kier sei, habe ich zu ihm gesagt, aber ich gebe es offen zu, ich bin manchmal zu direkt, besonders wenn ich etwas Alkohol zu mir genommen habe, daß ich mir schon das die ganze Zeit gedacht hätte, als ich ihn vor der Vorstellung in seiner Montur sah, daß er hinterher dieses langweilige Outfit tragen werde und außerdem habe er halt zu sehr geschauspielert. Ich glaube, er nannte mir noch seinen Namen, den ich auch aufschreiben wollte und dafür meine Handtasche gerade öffnete, darin nach Stift und Adressbuch wühlte, als ich plötzlich merkte, daß mir Bernard in das Tascheninnere sein Bier direkt aus der Flasche kippte. Dennoch blieb ich cool, schaute Berni mit dem Blick UND JETZT? an und wartete auf die Ergebnisse. Bernöde vervollständigte jedoch sein Werk nicht. Er stand plötzlich mitten im Flaschenbierpissen in die Handtasche einer für ihn zu durchgestylten, rotlockigen Frau in türkisblauem Kostüm auf, schlug die Bierflasche auf dem Tisch zu Scherben und zog mich plötzlich an meiner schönen Frisur zu Boden. Sekunden des reaktionslosen Staunens wollten die Peinlichkeit der Situation überbrücken, dann rief gottseidank Diedrich persönlich: BERNARD, WAS MACHST DU? Daraufhin ließ Bernard meine Haare los, verließ mit wackelnden Hüften die Kantine, denn er war sich sicher, jeder schaut seinem Weggang zu, was auch stimmte. Ich bin von seiner Mißhandlung einigermassen gut weggekommen, denn ich habe kein Widerstand geleistet. ich wollte noch auf eine andere Party und habe mich deswegen so doll aufgedonnert. Wollte ich dort den iranischen Botschafter rumkriegen? Ich weiß es nicht mehr. Auf alle Fälle wollte mir der Kantinenangestellte kein Ersatzwein ausgeben, der durch Bernados Ausrasterei zu Schutt gegangen ist. Der Thekenheini meinte, Bernards Allüren kenne er und habe Null Bock, die Kosten dafür ständig zu begleichen. Nun. So einen rauhen Ton bin ich nicht gewohnt. Ich dachte, mit Staatsanwalt Kuhlbrodt, der in einem Theaterstück spielt, werde ich in etwas gepflegteren Kreisen untergebracht. Aber nein, da hat mich jener BSErni auf den Boden der Tatsachen gebracht. Seitdem traue ich mich nicht mehr so gerne in die sogenannten Künstlerkreise. Ich gehe lieber ins Museum, wo ich mich gerade heimlich und dennoch unbefangen mit dem Kulturataché der Chinesischen Volksrepublik treffe. Na und. Die sind sich ja wenigstens der eigenen Position bewußt. Wer viel reist, wird auf eine sehr natürliche Weise der Großen Welt gewachsen und küßt dem schönen Geschlecht die Hand. Bernard, KOMM KÜSSEN!
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