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Thema: Reich-Ranicki, Marcel (Wie MRR mal bei Alfred Greisinger Kaffe trank)

  1. #1

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    Alfred Greisinger leitet das Cafe König seit fünf Jahren, oder auch zehn. Früher war er hier einmal Pralinenmeister, danach Backstubenleiter, alles unter'm alten König, der ein Genie war, wie Alfred sagt. Herr Greisinger ist als Kunstsammler über die Stadtgrenzen hinaus bekannt, er sammelt vor allem Beuys und seine Schüler, namentlich Droese, Knoebel etc., und hat sich als einer der ersten Käufer der heute unbezahlbaren Rosemarie Trockel hervorgetan, damals in der Galerie Tanit in München. Als ich ihn zum ersten mal bewußt wahrnahm, war ich sicher schon drei Jahre in Baden-Baden. Den Besuch von Cafehäusern diesen althergebrachten Stils hatte ich mir seit Münster (Cafe Schucan) abgewöhnt. Ausserdem hatte ich ja keine Zeit für sowas, da ich rund um die Uhr schuftete und abends zur Kleinstfamilie nach Hause ging.
    Jedenfalls kam ich mit ihm ins Gespräch Ð er steht ja auch immer am Tresen und redet mit allen. So findet er heraus, welche Kuchen gefragt sind, z.B. solche mit wenig Zucker, wegen der Gesundheit. Der Kopf des Herrn Greisinger biegt sich beim Reden etwas nach hinten, mag sein, daß es an der Brille liegt, die immer auf der Nase herunterrutscht, so daß das Blickfeld eigentlich weiter unten wäre Ð dafür würde sprechen, daß er sich die Brille gelegentlich hochschiebt. Mag auch sein, er hat es sich angewöhnt, auf die Leute herabzublicken. ãHier werden Sie geschleiftÓ, ãSie müssen hier wegÓ, peitscht es mir regelmäßig um die Ohren, seit ich einmal fallenließ, daß ich erwäge, Baden-Baden gegen eine Großstadt einzutauschen.
    Früher führte er das Kunstcafe Drechsel (Schreibweise?) in Augsburg, da war es immer voll. weil die Leute da was von Kunst verstehen, nehme ich an. Und hier, warum hängt er hier nicht mal was auf aus der Sammlung? Die nehmen doch sogar die silbernen Kännchen mit, das Stück für 3000.- Mark.
    In den Schaukästen um den schattigen Innenhof hängen Plakate, auf denen Filzhüte zu sehen sind, wie man sie von Beuys her kennt. Kunsthaus Villa Roosevelt, steht darunter Ð da wohnt er. Schlägt man die Speisekarte auf, so wechseln kakaotragende Biedermeierdamen mit moderner Kunst ab. Eine einladung in die Villa des ehemaligen US-Präsidenten habe ich bis heute nicht erhalten.
    Neulich stand ich also wieder einmal plaudernd an der Theke, Ð manchmal kaufe ich auch ein Stück Kuchen oder eine Brezel, Ð da raunt er mir zu: ãWissen Sie wer jetzt kommt? Der Reich-Ranicki.Ó Das geht schon die Tür auf und ein kleines, gebeugtes Männlein kommt herein, in seinem Körperschatten eine noch viel winzigere Frau, Teofila. ãGrrrroßer Meister, ich grrrrrüße SieÓ, mit diesen Worten tritt der Literaturpapst in den Verkaufsraum, ordert sogleich ein paar Stücke Kuchen und fragt herrisch, ob denn auch wirklich Zeitungen da sind, namentlich die FAZ. Wenn die nämlich nicht da ist, gibt's ein Donnerwetter. Als der bekannte Gast dann um die Ecke ist (ein großer weitverzweigter Cafésaal schließt sich an, mit vielen Nischen, alles vom Genie König persönlich eingerichtet, also von 1950), überlege ich, wie ich wohl auf die Ankunft einer solchen Berühmtheit reagieren soll (damals waren mir hoefliche Paparazzi noch unbekannt), und ich hatte den Einfall, der mir wohl am natürlichsten schien: ich könnte ihn ja fragen, ob ich ihn malen darf.
    Ich wußte zwar nicht, ob der Annäherungsversuch an Reich-Ranicki erfolgreich sein würde, ob es nicht zu penetrant, also unhöflich wäre, aber Herr Greisinger riet mir auch, es zu wagen. Also ging ich hin, klopfte förmlich in der Luft vor seinem Tisch an und nahm auch Blickkontakt mit seiner Frau auf.
    Ich stellte mich also vor, entschuldigte mich für die Störung usw., und richtete die Frage an ihn, ob ich ihn einmal malen dürfte. Das hätte ich wohl besser nicht gemacht! Für so etwas habe ich keine Zeit, fuhr es aus ihm heraus, und er sei schon tausendmal gemalt worden, und überhaupt, für so etwas sei er zu alt. Unwirscher und indignierter hätte seine Antwort wohl nicht ausfallen können, jedenfalls für mein Gefühl in dem Moment. Nur Teofila lächelte weiter ungerührt vor sich hin. Jetzt könnte natürlich jemand sagen, ich hätte es nur falsch angefangen, aber ich bin fest der Überzeugung, daß er sich wirklich nicht malen lassen wollte, nicht von mir oder von irgendjemand anderem. Ich zog mich zurück. Nicht einmal die Wegwerfkamera, die ich mir eigens vorher gekauft hatte, weil ich meine nicht dabei hatte (das war eine Frage von zehn Sekunden), traute ich mich noch aus der Tasche zu ziehen. Ich murmelte noch sowas wie: na, dann male ich Sie eben vom Fernsehen ab. Woran man mal wieder sieht: Das Medium ist die Botschaft. Oder so.
    PS: Seit diesem Ereignis hat sich Herr Greisinger gewandelt. An den Wänden seines altmodischen Cafés hängen jetzt moderne Kunstwerke, z.B. leere Keilrahmen von Imi Knoebel, sowie Fotos, die ihn selbst als jungen Mann mit Josef Beuys zeigen.
    PPS: Ich kann es ihm nicht verübeln,dass er sich zu alt fühlt, aber ich hätte ihn schon etwas embelliert! Im übrigen wäre auch nicht viel Zeit dabei vorloren gegangen, die doch so kostbar ist, für eine Berühmtheit wie ihn.

  2. #2
    Embedded Senator Avatar von DerCaptain
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    (Beitrag wurde von DerCaptain am 04.07.2001 um 13:07 Uhr bearbeitet.)

  3. #3
    Moderator Avatar von honz
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    Hier schreibt die großartige Bettina Semmer eine noch großartigere Geschichte und niemand bewundert sie, anstatt dessen spielen alle mal wieder die dubiosen Spiele des noch dubioseren Herrn Shandy, der es nicht einmal schafft einen vollen Namen zu schreiben, und statt dessen Paparazzen-Quizshows veranstaltet, wobei, ja wer denn sonst, mal wieder die Berliner Limousinen und rote Teppiche organisieren müssen, schön, wir können das ja! Frau Semmer schreibt gleich Marcel Reich-Ranicki hoch zwei, damit man das sofort merkt.
    Schön auch, daß ich jetzt weiß, was Bettina Semmer für Kunst macht. Diese, im nachhinein zugegeben dämliche Frage hatte ich ihr nämlich gestellt, nachdem ich mit Frau Maisch Lottmanns Kühlschrank paparazzt habe, und jetzt weiß ich es.
    Ich glaube sie ist eine große Malerin, so wie Goya, der ja praktisch den gesamten spanischen Königshof paparazzt hat. Reich hätte sie gemalt wie Caravaggio, das hat er nun davon, der sich schon tausendmal hat malen lassen, dieser Stümper. Aber wie! Über diese Pinscherfratzen auf den SPIEGEL-Titelblättern hat er es ja nicht geschafft.
    Ich warte auf en Tag, das uns Bettina Semmer hier eine vermeersche Impression von Madonna mit Guy Ritchie und Kinder am Strand malt, leicht unscharf , und verwackelt, wie durch ein 1200-er Teleobjektiv, ja da wart ich drauf.


  4. #4
    Hobel Avatar von Ignaz Wrobel
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    Ja, honz, wie Recht du hast! Hier ist's wie anderswo auch: Die Masse lechzt nach Fäkal- oder Fortpflanzungshumor! Kaum eröffnet einer einen 'Schöne Scheiße'-Strang, kann er der Aufmerksamkeit sicher sein, ein Wort wie 'Restevögeln' vermag selbst Mutter Maisch zu begeistern. Schöngeister wie Du und Ich (hüstel) haben's nicht leicht in dieser Welt, so ist's nun mal.
    Natürlich hat das auch der hier Paparazzte begriffen, der weiß, wie man Literatur verkauft! SEXSEXSEX. Ja, hätte Bettina Semmer den guten Marcel allein, ohne seine Gattin angetroffen, wer weiß... Über einer Schwarzwälder Kirschtorte wäre man sich näher gekommen, der Meister hätte einen Termin in ihrem Atelier ausgemacht, zufällig ist es Sommer, es ist heiß, sie hilft ihm, die Krawatte zu lockern, beugt sich über ihn, dabei fällt sein Blick unweigerlich auf//Cut! Wir sind hier ja nicht nebenan!

  5. #5
    Moderator Avatar von honz
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    Reich-Ranicki soll ja ein richtiger Bock sein, oder gewesen sein. Ich würde gerne mal wissen, mit wem der alles eine Affaire gehabt hat. Weiß das hier wer?

  6. #6
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    BSemmer: Ein Meisterwerk!

  7. #7
    Moderatorin Avatar von Frau H aus B
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    Eine Ausnahmegeschichte. Filzhut ab.

  8. #8

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    Was für eine wundervolle Begegnung, was für eine wundervolle Geschichte!
    Aber die Seitenhiebe der Herren Honz und Wrobel... das tut auch mir weh. Ich hab doch auch Gefühle.
    Mich mit MRR in eine Kiste zu stecken, nicht doch.
    Und zum Trost für BSemmer, falls sie sich dem allgemeinen Gejammer anschließen sollte:
    Ach! der Menge gefällt, was auf den Marktplatz taugt,
    und es ehret der Knecht nur den Gewaltsamen;
    an das Göttliche glauben
    die allein, die es selber sind.
    P.S.: In Hölderlin bin ich gut.
    (Beitrag wurde von Tristram Shandy am 05.07.2001 um 12:07 Uhr bearbeitet.)

  9. #9
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    Ich kann leider nicht sagen, mit wem MRR alles eine Affäre hatte, aber ich weiss eines Versuches.
    Auch eine Geschichte bei Kaffee und Kuchen,
    die sich aber nicht mir zutrug. Aber Münster spielt auch eine Rolle. Welch Zufälle.
    Ich arbeitete damals in Hamburg in einer Werbeagentur (fliege ich jetzt aus dem Forum raus?). In einer Mittagspause sass ich so rum, als eine Kollegin auf mich zukommt und fragt, ob ich einen Sven K. aus Münster kenne. Ja, den hatte ich aber seit meiner abgebrochenen Studententage nicht mehr gesehen und gehört.
    Mit dieser Kollegin hatte ich übrigens nichts gemeinsam eher das Gegenteil, was auch ihre enorme Oberweite betraf. Das erwähne ich, weil ja MRR ins Gespräch kommt. Also grosse Verblüffung meinerseits, wiesoweshalbwarum: sie war auf einer Taufe Patin und der andere Pate war Sven. So kamen sie ins Gespräch, 'was machst Du' blabla und so kam das heraus.
    ABER: auf der Taufe war auch MRR, der ein Verwandter des Täuflings war und meine Kollegin konnte erzählen, dass er ihr bei der Kaffeetafel sehr nahe rückte und ihr vertraulich eine Hand aufs Knie legte.
    Und die Verwandschaft bestätigt, das er dies häufig und gerne tut.
    Wenn er dicht bei einem sitzt und spricht, spuckt er.

  10. #10
    Moderator Avatar von honz
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    Ah, auf die Finnen ist verlass!
    Also:
    Nr.1 MRR spuckt einer großbrüstigen Werbefrau bei einer Taufe in den Ausschnitt.

  11. #11
    Hobel Avatar von Ignaz Wrobel
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    Tristram:
    Auch Du natürlich ein wahrer Schöngeist, klar! Hölderlin, der große Schwabe...unter welchem Pseudonym würde er sich wohl im allegra-Chat einloggen? Umnächtigt, nein vielleicht nur angenächtigt, im Turmzimmer sitzend, verbunden mit der Welt nur durch seinen Internetanschluß... hätte er mit Nietzsche chatten können? Oder mit Diotima(hieß sie so)? Halbbildung! Ja, so soll doch das neue Forum heißen, es wird Zeit! Es ist heiß draußen! Und die Eulen der Minerva werden erst in der Dämmerung nach Köln getragen! Restvögel, unglückliche. Gestern vor meiner Kirche merkwürdige kleine fliegende schwarze Mäuse gesehen, was soll mir das bedeuten? Wer bezahlt meine Internetrechnung? Gibt es Elfen? K. Passig schreibt ein Buch über Pinocchio... Schwimmbad... wie kommt man ins nächste Schwimmbad? Mal bei Ulla Flegel-Macho anrufen, Termin geben lassen. Oder besser bei Urte-Dörte Finger-Treschner, die hat ein Buch gegen Gewalt geschrieben... Fledermäuse! Was macht ihr in meinem Turmzimmer?

  12. #12

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    Zuviel der Ehre, lieber Honz. Goya, das ist einzuräumen, wurde natürlich erst durchs Paparazzen so gut, wie er dann einmal war. Vermeer, das Genie, fuhr eine andere Strategie. Doch: Dir habe ich es zu verdanken, daß ich nun endlich das Portrait MRR vom Foto vom Fernsehen abgemalt, begonnen habe. Ich möchte jedoch an dieser Stelle vor Kurzschlüssen in der Geschichte warnen Ð ich male nicht so, wie Reich-Ranicki aussieht!
    Wobei das nicht despektierlich klingen sollÊÐ auf seine Art hat er ja was. Aber hätte ich die Superbrüste der besagten Taufpatin gehabt, hätte er seine wandernden Augen also darauf geheftet und statt abzulehnen, dankend darauf gespuckt, wären sie mit ja doch letztlich beim Malen hinderlich gewesen. Was Alfred Greisinger betrifft, so habe ich einen Plan: Demnächst werden einige Auserwählte mithelfen, diesem wunderbaren und hochdekorierten Konditor (mit Ausbildung bei Le Notre Ð falls jemand weiß, wer das ist) ein Cafe in die Mitte von Berlin zu stellen, ohne Hinterzimmer, aber mit Schwarzwälder Kirschtorte! Das könnte dann sowas wie eine Paparazzi-Lounge im Realen werden.

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