Um es gleich vorweg zu sagen: diese Paparazzierung ist eine Zweite-Hand-Paparazzierung. Sie ist aber in einwandfreiem Zustand, weist kaum Gebrauchsspuren auf und ist nur Minuten alt. Ich biete sie deshalb trotzdem hier feil.
Ich arbeite im Hinterhaus. Im Vorderhaus ist ein Adidas-Laden, der ein schlichtes Konzept verfolgt: coole Verkäufer verkaufen coole Sachen an coole Kunden. Der letzte Teil stimmt nicht immer, aber heute schon. Der Adidas-Laden macht bereits um halbacht zu. Eine Viertelstunde später kommen mehrere Personen in den Laden. Einer davon ist Robbie Williams, die anderen sind seine Leibwächter, die aber gar nicht so leibwächteresk aussehen. Sie sind relativ klein, und auch normal angezogen, keine schwarzen Anzüge, keine Sonnenbrillen.
An dieser Stelle geht im Büro eine Rundmail rum, die bewirkt, dass alle weiblichen Angestellten und einige männliche auch aufspringen. Wie zufällig trifft man sich im Flur, wartet auf den Fahrstuhl, huch, fünf Sekunden und er ist noch nicht da, dann eben runtergelaufen. Gerannt.
Ich sitze im Meeting und bekomme nichts mit.
Fünfzehn Mädchennasen und zwei Jungsnasen drücken sich an den weitflächig umfensterten Adidas-Laden. Sie benehmen sich überhaupt nicht unauffällig. Sie machen allesamt keinen Hehl daraus zu glotzen. Es gibt keine sonst übliche Grenze der Coolness. Man ist sich nicht zu schade für unwürdige Schubsereien an der Fensterfront.
Ich sitze noch immer im Meeting.
Robbie lässt sich kaum anmerken, dass er beobachtet wird und probiert in Ruhe Kleidung aus. Von allem etwas. Er tut das so, wie die Mädchennasen gehofft haben, indem er die Benutzung der Umkleidekabinen wie zufällig vermeidet. Mit freiem Oberkörper probiert er verschiedene Hemden an. Eins findet er besonders schön und lässt es gleich an. Es ist rosa, hat blaue Streifen und eine Zahl hinten drauf. Die meiste Zeit aber springt er herum oben ohne. Er ist "etwas arg tätowiert", wie eine Kollegin sagt.
Meeting dauert an.
Auch Robbie Williams, im Grunde seines Herzens eben doch ein Angepasster, bestätigt das Vorurteil, dass Prominente live viel kleiner sind. Das wird von vielen Kollegen als Zumutung empfunden.
Schliesslich packt Robbie die Sachen, die er gut findet, höchstselbst in zwei Reisetaschen. Diese sind danach auch voll bis an den Reissverschluss. Schuhe sind dabei, Trainingsanzüge im mittelgrossen Massstab, Hemden, ein Trikot, leider ist nicht zu ermitteln welches.
Obwohl die Verkäufer streng nach Konzept vollkommen cool sein sollten, gelingt ihnen das jetzt nicht so ganz. Während Robbies Anprobe haben sie noch Verkäufertätigkeiten ausgeübt wie Sachen ordnen und zusammenlegen. Als er aber in Richtung Kasse geht, fällt die Coolness von den Verkäufern ab wie ein losgelassener Lenkdrachen im Wind. Unkontrolliert stürmen sie alle vier oder fünf zur Kasse. Ellenbogen. Der grösste setzt sich durch. Er klärt das mit Robbie. Es ist nicht zu sehen, ob Robbie bezahlt oder das irgendwie superstariger gelöst wird. Geht sowas auf's Haus? Bekommen Superstars Rabatt? Oder müssen sie gar mehr bezahlen, weil der Laden extra geschlossen werden muss?
Diese Fragen bleiben im Dunkeln. Mein Meeting endet, als die fünfzehn heiter-gelöste Mädchen am Computer bereits versuchen, für das Konzert noch Karten zu bekommen.
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