Ich bin mal, sehr früh morgens, Michail Gorbatschow begegnet, noch gar nicht so lange her, wie lange genau weiß ich aber nicht mehr, zwei oder drei Jahre. Es war in Münster am Aasee, dort wo mir auch die liebenswerte MIR begegnete. Gorbatschows Frau Raissa lag damals in den Unikliniken in Münster, nicht weit vom Aasee entfernt, sie hatte Krebs und ist ein paar Tage später dort auch gestorben. Auf jeden Fall ging ich auf dem roten Schotterweg des Aasees entlang, links der See, rechts Waldgebiet, und Gorbatschow kam mir entgegen. Ich bin sehr kurzsichtig, erkannte ihn also recht spät, und hatte keinerlei Gelegenheit, mir irgendeine höfliche Reaktion zurecht zu legen. Deshalb starrte ich ihn mit unverblümter Verblüffung an, obwohl ich aus Zeitungen wusste, dass er in Münster war. Aber ihm einfach am Aasee zu begegnen, ganz allein, beim Rumwandern - damit hatte ich nicht gerechnet. Er sah natürlich, dass ich ihn anstarrte, wir kickten uns direkt in die Augen, er sah schrecklich traurig aus und kuckte schnell weg. Ich hatte das Gefühl, als wäre ihm unsere Begegnung und mein Starren peinlich, aber nicht unbedingt meinetwegen, sondern weil er sich in einer sehr intimen Situation befand. Ich habe auch schnell weggekuckt, mir war es auch peinlich, irgendwie.
Mir fällt jetzt erst ein, dass der Münsteraner Aasee in irgendeinem Kontakt zu traurigen Russen stehen muss.
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