also, es war an einem wochenende im februrar 2000. ein zwanziger jahre-lieder-abend im
haus am waldsee, das eine christian schad ausstellung ausgerichtet hatte.
ich bin eigentlich nur hingegangen, weil da ein galerist kommen sollte, der den meister noch. selbst gekannt hat. schad, dieser göttlichste aller hautmaler der neuzeit. mich interessiert noch heute der hintergrund
eines portraits des berliner hautarztes dr.
haunstein.
der galerist ist, weil er krank war, am starnberger see geblieben und zu den chansons ha man meine freundin und mich auch nicht reingelassen, weil wir nicht reserviert hatten. folglich haben wir uns im café rumgelümmelt, weil es nach der
singerei noch ein buffet für das kunstsinnige publikum geben sollte. ganz umsonst wollten wir auch nicht gekommen sein.
unter den nicht zum gesang zugelassenen gästen war eine hoch gewachsene blondine mit rotem kussmund, lavendel-augen in einem schwarzen schneiderkostüm, die mir sofort auffiel. kein wunder bei dem erscheinungbild. schnell stellte sich heraus, sie war die schatzmeisterin des kunstvereins, und für meine begriffe berlins schönste rechtsanwältin.
der abend war öde, was mich immer zu höchstleistungen peitscht. mit meiner einzigen und innigsten freundin an der seite, malte ich mir ein kostümfest ‡ la roaring twenties in den schillernsten Farbnuancen aus.
alle damen, die sich an uns vorbei den häppchen entgegenstreckten,
wurden einer überprüfung unterzogen, was sie von diesem projekt hielten. allesamt nicht geflunktert - waren geradezu enthusiasmiert.
sogar meine gynäkologin, die ich dort antraf. wir schwelgten in rauschenden bildern. diese grossbürgerliche villa mit dem verwunschenen garten, die gatsby-terrasse über dem
dunklen teich und dem honiggelben parkett als location, das überflutete uns geradzu mit Inspiration uns. ich konnte alles vor mir sehen, ich würde die göttin des abends ein, es würde himmlisch werden.
unter den gästen war auch die fundus-verwalterin der komischen oper, die herrin über einen kosmos
an bubi-kopf-roben, reform-kleidchen, zigarettenspitzen und strasshaarbändern mit feder. auch sie bekam hektische rote flecken und glühende augen bei der aussicht, ein eine rauschende soirée auszurichten.
berlins schönste rechtsanwältin hatte einen besonderen wunsch, 'die musik muss tukur
machen'.überhaupt kein problem dachte ich und sagte ich. da gab es doch die webgrrls, dieses fraueninternetnetzwerk, darüber war das engagement tukurs auf jeden fall zu wuppen.
über finanzen haben wir keine sekunde nachgedacht,nicht zuletzt weil der chef von debis, der nachbar von madame justizia ist und bei dem könnte man ja wegen des sponsorings mal locker anfragen.
noch in derselben nacht mailte ich an meine grrls im web. kennt eine von euch tukur? ist eine mit seiner schwester in den kindergarten gegangen, eine kusine mit ihm ins zeltlager gefahren, das übliche eben. schon einen tag später hatte ich die rettende mail.
eine dieser webfrauen verriet mir die mail-adresse seiner agentin in münchen.
meine blonde paragraphen-künstlerin bekam herzbeschwerden vor freude und atemnot. wir trafen uns bei borchardts, wo sich tout berlin trifft. das fest nahm zwar keine konkreteren formen an, aber es fühlte
sich zumindest so an.
tags darauf fuhr ich mal wieder an die alster. irgendwer da hatte geburtstag. den ersten nachmittag verbrachte ich schlendernd auf der eppendorfer landstrasse. gemässigt
langweiliges shopping, mir taten die füsse weh. kurz vor der kottwitzstrasse, entdeckte ich, dass aus dem jeansladen an der ecke, ein friseurbedarf geworden war. plötzlich
gibt es einen knall, grad so, wie wenn
ein reifen unfreiwillig platzt.
ich erschreck mich zu tode wie immer in
so einer situation. so wird mein letztes
stündlein aussehen, da bin ich sehr sehr
sicher. also, ich dreh mich zur strasse und guck schräg über die kreuzung. vom reifen keine spur, aber da kommt er in der diagonale auf mich zu.
ja, ich schwörs mit dem innigsten indianerinnen-ehrenwort. er kommt einfach
die strasse längs gesegelt.
wie unter voodoo-zauber gebannt, kann ich meinen überschlagenden gedanken nur mit mühe folgen.
ist er's wirklich? ja. nein, doch nicht. doch, klar. das ist er. ein grosser blonder mit bodenlangem fohlenbraunem verlourledermantel, der lässig offensteht. es ist saukalt.
als er schon fast an mir vorbei ist, ruckts in meinem kopf, die stimme legt scheppernd los: 'halt, halt'. ja wirklich, so plump
bin ich zu werke gegangen.
er dreht sich um und bleibt stehen. guckt sein unwiederstehliches tukur-gucken
und sagt, 'ich hab keine geld'. ich hör nicht drauf und stottere '...ich hab sie gesucht, im netz...'.
er versteht nichts, wie sollte er auch. Zieht
die Nase kraus und sagt irgendwie leicht
schnippisch, 'wieso, ich bin doch da'. Ganz offensichtlich sucht er nach anzeichen, ob ich eine kusine von richard papkin bin.
ich weiss nur ein, jetzt muss ich's bringen, eine zweite chance gibt es nicht. ich laufe zur hochform auf und erkläre ihm in drei sätzen, dass berlins schönste rechtsanwältin ihn haben möchte, für dieses fest in
der villa.
und dass es etwas ganz ganz besonders werden wird. sein körper entspannt sich, er fängt an
zu lachen und kramt in seinen innentaschen. endlich fördert er eine autogrammkarte mit
kontaktadresse seines managers zutage. dort soll ich anrufen. ich lass nicht locker und
fordere ihn auf, mir ganz tief in die augen zu sehen, damit er sich später erinnert, an
diese szene und sein versprechen auf unserem fest zu singen. er lacht und gibt mir die hand.
und fort ist er.
ich setz mich erstmal auf einen strassenpoller, fächle mir mit der karte luft und atme den nahenden herzinfarkt weg.
ja, was soll ich sagen. aus dem fest ist nie was geworden. die karte liegt immer noch auf
meinem schreibtisch und tukur tritt zweilen in der bar jeder vernuft auf. berlins schönste rechtsanwältin müsste ich mal wieder
treffen und ein kostümfest ‡ la cabaret ist was wunderbares.
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