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Thema: Goldt, Max

  1. #1
    Avatar von Joachim Lottmann
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    Berlin Mitte Ende Februar 2001
    JOACHIM LOTTMANN TRIFFT ZUFÄLLIG MAX GOLDT
    Kürzlich traf ich zufällig zum erstenmal in meinem doch immerhin schon 41 Jahre langen Leben den linksalternativen Autor und ehemaligen Musiker Max Goldt auf einer seiner berühmten Lesungen. Man hatte mir immer schon gesagt, daß seine Lesungen toll seinen, und vor allem in den letzten Jahren hörte ich das oft, zu einer Zeit also, da ich gedacht hatte, Max Goldt sei der Sänger von Alphaville und bereits eine Legende, also nicht DIREKT aktuell. Ich hörte allerdings gerade von jungen Leuten, daß er besonders jetzt recht beliebt sei - also ging ich hin, und er war natürlich auch wirklich da. Er saß auf der Bühne eines alten Theaters, ein riesiges Haus, 800 Plätze, 19. Jahrhundert, Stuck und Armleuchter überall, sehr sehr sehr beeindruckend, liebe Leute, und später signierte er seine Bücher, sodaß ich ihn kennenlernen konnte. Ich sagte zu ihm, er solle nachher in die BE-Kantine kommen, das wäre das beste. Er sah hoch und nickte etwas irritiert. Wahrscheinlich dachte er, daß er irgendetwas nicht richtig verstanden hätte und sich das gleich aufklären würde. Ich war überrascht, und zwar ehrlich und nachhaltig überrascht, wie gut Max Goldt aussah und wie jung. Ich hatte einmal den Sänger von Alphaville (oder wer das war) auf einem nachgedrehten Video gesehen und war entsetzt gewesen. Ganz anders der beliebte Autor. Er war erstaunlich schlank, wirkte alterslos irgendwie zwischen Ende 20 und Anfang 40, trug ein wunderbares Jackett mit altschottischen Mustern und war absolut souverän. Von ihm ging eine Aura natürlicher moralischer Autorität aus, die ich sogleich fiebrig einatmete. Später wartete ich vor dem Bühneneingang auf ihn. Er kam im Pulk heraus, lauter wichtige Funktionäre waren um ihn herum, die mich natürlich nicht beachteten. Nur Alexander Fest schüttelte mir in seiner herzlichen und aufmerksamen Art die Hand, als besäße ich in seinen Augen dieselbe Menschenwürde wie die berühmten Menschen. Um Max Goldt auf meine Seite zu ziehen, ging ich rasch auf ihn zu, aber er ließ es sich nicht gefallen und schloß sich den Funktionären an. Das war gut so. Denn in der BE Kantine hätten wir keinen schönen Abend gehabt, die ist nämlich nicht mehr die alte. Stattdessen gingen wir in einen Luxusitaliener. Zufällig (kein Scherz) saß ich M. Goldt am Tisch genau gegenüber. Ich sprach ihn nun häufig an, und er antwortete mal souverän, mal menschlich, mal gar nicht, mal unwirsch und beleidigend. Man konnte nie ganz sagen, wie er antworten würde - und kann man etwas Besseres über einen Menschen sagen? Der große Max Goldt! Ich war hingerissen. Manchmal drehte er sich angeekelt zur Seite, wie ein Boxer im Ring. Einmal sagte er zu seiner Entourage auf eine meiner Einlassungen 'Ich möchte nicht gezwungen werden, auf dieses Thema einzugehen'. Ich zog es eiligst zurück. Ich fand ihn wirklich sympathisch. Einmal platzte es aus ihm heraus: 'Bla-bla-bla!', nein, immer wieder platzte dieses 'Bla-bla-bla!' aus ihm heraus, gemünzt auf mich. Ich überlegte, ob die anderen wohl weniger langweilig redeten als ich, konnte das aber irgendwie nicht entscheiden. Ich fand es jedenfalls gut, daß er so reagierte. Und natürlich fand ichs gut, daß er um soviel besser aussah als erwartet und nun mir genau gegenüber saß. Ich, ja ich muß es sagen, war weniger verletzt als begeistert, das war eben so, so war's, auch wenn das nicht schmeichelhaft für mich ist. Max Goldt!, dachte ich immer wieder. Es wurde furchtbar viel getrunken selbstverständlich, mehr kann man dazu nicht sagen, ich gehe davon aus, der Leser kennt die Situation. Wenn nicht, ist sie genau so, wie Leser sie sich vorstellt. Deswegen gleich zum Schluß! Alle standen auf, die Funktionäre verabschiedeten sich, und dabei passierte etwas Verblüffendes: sie brauchten wohl 45 Minuten, um sich alle voneinander zu trennen. Als wenn sie echte Freunde wären und Klassenkameraden und gemeinsame Kriegsgefangene. Als wenn sie also echte Bindungen zueinander hätten. Würde man von Kulturfunktionären doch nicht denken. Vielleicht, weil es Max-Goldt-Freunde oder -Fans waren? Immer wieder standen sie zu zweit irgendwo, hielten sich an den Mänteln fest, an den Armen, fanden immer neue Abschiedsworte. Das machte mich wahrlich nachdenklich. Max Goldt, nicht wahr, und das in unserer Zeit, 'respect!', was immer es auch heißt. Und ich? Verabschiedete mich dann gleich mehrmals von dem Autor - und ich weiß gar nicht, ob ich es absichtlich tat. Ich glaube, ja doch ich weiß es, DREIMAL verabschiedete ich mich. Bei den ersten beiden Malen drehte er sich wieder weg wie der angeekelte Boxer, bei der versuchten und auch halb ausgeführten Umarmung. Ich sagte ohne nachzudenken: 'Kopf hoch, das wird schon wieder!', er drehte sich weg. Erst beim drittenmal erwiderte er vorbehaltslos die Umarmung, sah mir hilflos aber auch völlig arglos in die Augen, es war einfach und wirklich nett oder so, ich kann es nicht richtig ausdrücken, vielleicht wäre 'bedeutungslos' das richtige Wort. Ganz anders Alexander Fest, der den ganzen Abend über gut zugehört hatte und mir am nächsten Tag einen Brief schrieb, in dem er mich umfassend in Schutz nahm. So hatte der Abend mit Max Goldt doch auch sein Gutes.
    ------------------

  2. #2
    Avatar von lacoste
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    Joachim Lottmann! Du bist aber wirklich ein außergewöhnlich höflicher Paparazzi. Das ist bis jetzt eine der schönsten Geschichten, finde ich. Wenn auch nicht so richtig zufällig, aber is egal! Danke! Ich werde sie jetzt direkt nochmal lesen.

  3. #3
    Avatar von Kai Herrmann
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    Ein wahrhaftiger Paparazzi!

  4. #4

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    Der Star dieser Geschichte ist gar nicht so sehr Goldt, sondern die Erzählung selbst. Sie nimmt einen schön mit. (Komme gerade von der hypnotischen Therapie und weiß, wovon ich rede.) Du tauchst ein, und musst ein Weilchen nicht selber leben.

  5. #5
    ***schwampf******schwampf******schwampf******schwampf******schwampf******schwampf******schwampf******schwampf******schwampf***
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    Ich versetzte mich soeben fuer einen Moment in die Person Goldt, und da war mir, als sei dieser Abend vielleicht doch nicht der allerschoenste meines Lebens gewesen, und der paparazzihafte Beobachter vielleicht doch nicht der allerhoeflichste, nicht einmal der allerdiskreteste, der mir je begegnete.

    Insofern muss ich Herrn Phettberg Recht geben insofern, als weder Herr Goldt noch Herr Lettmann die Stars sind, sondern die Erzaehlung selbst, die trotz der Ausuferung zu Ende gelesen sein will.
    Was wiederum fuer den Autoren spricht.

  6. #6
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    Wirklich ganz aussergewöhnlich...

  7. #7
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    Was ich immer sage, Dichtung geht nun mal vor Wahrheit. Dann bist du also, Truthahn, Inhaber der Wahrheit. Vielleicht. Und Lottmanns Joachim gebührt der Kranz des Dichters. Auf jeden Fall.
    Lügen, die das Leben schrieb, das sind meine liebsten.

  8. #8
    Avatar von lacoste
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    Angelika, wieso Lügen? Ist die Geschichte denn erfunden? Joachim Lottmann, ist sie es?

  9. #9
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    Nein Corinna, so meine ich das nicht. Keinesfalls. Überhaupt nicht.Es war von mir vielleicht etwas zu frei daherassoziiert.
    Ich las den Truthahnschen Kommentar, der nahelegte, zumindest mir, daß es verschiedene Beobachtungen oder Interpretationen dieser Begebenheit zu geben scheint und so habe ich, habe ich, ja was habe ich eigentlich. Da ich nicht dabei war, habe ich da gar nichts zu haben. Was nun auch immer, es schmälert den anbetungswürdigen Beitrag von Joachim Lottmann nicht im mindesten und der Ausdruck 'Lügen, die das Leben schreibt' ist ein von mir gern benutzter, und meint eine begebenheit, die so sonderbar oder schön oder sontwie mekwürdig ist, daß sie eigentlich nicht in echt stattfinden kann und deshalb vom Leben selbst gelogen ist. Etwas in der Art.Ungefähr.Macht das Leben aber andauernd, sowas, jedenfalls meines.

  10. #10

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    Ich weiß nicht, ob es Euch auch so geht, ich habe gewisse Leute zweimal. Also - jetzt werde ich mich vollendet hassenswert machen -aber ich rede jetzt nicht von Max Goldt, der unverrückbar wundervoll ist, und den Sprachraum feinst möbliert, sondern nehme ihn nur als Beispiel: also ich habe ihn hirntechnisch mit dem Hape Kerkeling aufbewahrt. Und beim Herunterholen (nicht genital jetzt) hab ich immer beide. Genauso geht es mir mit Josef Hader, den hab ich herntechnisch zusammen mit Fritz Ostermayer, D E N österreichischen Radio-Sir. Ich hoffe das versteht jetzt irgendwer, sonst bin ich hirntechnisch anders. ònd wenn das die vier erfahren, bin ich vielleicht dann tot. Gut, das wär ok. Aber ich könnte versichern, dass ich hirntechnisch fast alles so gelöst hab. Z.B. der Dieter Hildebrandt und der Herbert Feuerstein sind zsam. Oder die Elisabeth Flickenschildt und die Adele Sandrock, die Therese Giese und die Annie Rosar. Interessant isses bei Johannes XXIII und Hannah Arendt. Aber sonst geschlechtlich getrennt. Wenn ich einmal wirklich genau nachschaun würd hirntechnisch, wären alle 6 Milliarden auf 3 Milliarden zsamm. Hirntechnisch. Oder den, der das Vetorecht der Zeitschrift 'Transatlantik' innehatte und den Herausgeber des 'Konkret' - die beiden hab ich zsamm. Und beide Namen jetzt nicht da. (Das meine ich alles nicht zynisch oder sarkastisch oder kulturkritisch, meine Rede war hirntechnisch!) Vielleicht kann ich immer nur zwei.
    (Beitrag wurde von Phettberg am 27.02.2001 um 02:03 Uhr bearbeitet.)
    (Beitrag wurde von Phettberg am 27.02.2001 um 02:15 Uhr bearbeitet.)
    (Beitrag wurde von Phettberg am 27.02.2001 um 02:17 Uhr bearbeitet.)

  11. #11
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    Lieber Hermes phettberg, das kann ich sehr gut nachvollziehen, es geht mir nämlich genauso. Jedenfalls bei Max Goldt und Hape Kerkeling. Weil sie eine stark ähnliche äußere Erscheinung haben, jedenfalls inzwischen. Würden sie behaupten, sie seien zweiäugige Zwillinge, ich hätte nichts daran auszusetzen. Und Dieter Hildebrandt und Herbert Feuerstein haben auch das gleiche trockene, zerknitterte, listige im Gesicht,
    kann ich nachvollziehen. Von den andern beiden weiß ich nur wie der Hader Josef ausschaut, da kann ichs nicht wissen.Aber das ist doch ganz praktisch, wenn die Ordner im Gehirn derart komprimiert sind, daß immer zwei auf einmal Platz haben.Und natürlich auch abgerufen werden.

  12. #12
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    ich kenne zwar Max Goldt nicht, aber ich weiss, dass er extrem beleidigt ist, wenn man ihn mit HP Kerkeling vergleicht, keine Ahnung warum

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