Eine wirklich sehr schöne Geschichte. Obwohl ich diesen Künstler nicht kenne, möchte ich in diesen 'Kunst-Forum' eine andere Geschichte hinzufügen. Kennt jemand noch Bernd Mattheus aus Kassel? Mattheus machte sich damals einen Namen als Herausgeber der Schriften von Antonin Artaud und Georges Bataille. Ebenso gab es Recherchen und Textcollagen zu den verstorbenen Wiener Aktionisten Rudolf Schwarzkogler. Es existieren auch sehr gut geschriebene, umfangreiche Biografien zu Artaud und Bataille von Mattheus. Damals, etwa 1980 oder 1981, waren diese Artaudübersetzungen neu in Deutschland. Ich entwickelte mich geradezu zu einen Artaudfan, verschlang jedes Buch und folgte die Wege von Mattheus ersten Publikationen in ganz kleinen, alternativen Literaturzeitschriften, bevor Matthes & Seitz ihn für sich entdeckten. Der Gedanke, ihn zu besuchen, spornte mich an. Ich erwartete, dass sich Seelenverwandte treffen würden. Also fuhr ich eines Tages nach Kassel, da ich seine Adresse ja von einen dieser früheren Herausgeber kannte und brauchte auch nicht lange, seinen Wohnplatz zu finden. Der lag in einer Hochhaussiedlung, die ähnlich dem 'Markischen Viertel' hier in Berlin ist. Das hatte ich mir ganz anders vorgestellt. Die zweite Verwunderung war, ein Namensschild aus Messing, welches völlig neu zu sein schien und den namen 'mattheus' schon klein schrieb. (Die Kleinschreibweise war damals noch nicht üblich, aber ein Mesiingschild hatte ich nciht erwartet). Ich nahm mir also ein Herz, klingelte und irgendwo in den oberen Stockwerken stand Bernd Mattheus vor mir; leicht irritiert und aus seinen Gedanken gerissen, da er keinen Besuch erwartet hatte. Merkwürdigerweise ließ er mich gleich in seine Wohnung, ohne zu fragen, wer ich sei. In seinem Arbeistzimmer lief die elektrische Kugelkopfschreibmaschine. Ich nahm unaufgefordert Platz und erst jetzt kniff Mattheus die Augen zusammen und fragte, ob wir uns kennen würden. Ich verneinte diese Frage und sagte, ich hätte seine Bücher gelesen, wobei ich alles andere als entspannt war. Mattheus war nicht der abgemagerte 'poet maudit' mit dem feurigen Blick, den ich erwartet hatte. Er war ein kleiner blasser Mann mit Bauchansatz; vielleicht Anfang 30. Es war eine sehr unangenehme Atmosphäre zwischen uns. Nachdem ich ihn gesagt hatte, dass ich seine Bücher kennen würde, nickte er die ganze Zeit geistesabwesend vor sich hin, ohne mich auch nur einmal anzuschauen. Das ging tatsächlich einige Minuten so. Schliesslich sagte er, 'dass das jetzt nichts mehr bringen würde', was mit anderen Worten soviel hiess, dass ich gehen solle. Also ging ich, frustriert und enttäuscht und mit dem merkwürdigen Gefühl, mich schlecht benommen zu haben.
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