Es heisst immer noch Windhorst-Bande
Die Windhorst Holding (Windhorst Gruppe), unter deren Dach so illustre Firmen wie Windhorst Oil, Windhorst Werbung, Windhorst AG (Film) sowie Windhorst Electronics GmbH zu finden sind, übt nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" keine aktive Geschäftstätigkeit mehr aus, sie soll aufgelöst werden..
Zitat:
Rahden/Minden - Zwei Gerichte haben die Zwangsversteigerung von Privatimmobilien des einstigen Vorzeige-Jungunternehmers Lars Windhorst angeordnet.
Es gehe um eine Mindener Immobilie mit einer Grundfläche von 601 Quadratmetern sowie eine Eigentumswohnung in Rahden, teilten die Amtsgerichte in Minden und Rahden mit. Ob es zur Versteigerung komme, sei aber noch nicht klar.
Er kann 2 marokkanischen Geschäftsleuten ihre Anteile nicht auszahlen.
Eine Jugend in Ostwestfalen
"Vater wir haben Hunger!" Daran erinnere ich mich noch sehr genau. Fast 50 Parteien im 36-Parteien-Wohnsilo. Eigentlich waren wir zwei Parteien. Meine Großeltern hatten das hintere Zimmer, meine kleine Schwester und ich das Durchgangszimmer auch noch als wir längst zu groß dafür waren.
Lampen hat meine Vater gespritzt im Industriegebiet. Das war auch mein erster Ferienjob, Stundenlohn drei Mark siebzig. Als seine Lunge in die Knie gegangen ist, wegen der vielen Lacke, ging er im Nordkreis Maschinenteile verpacken und später Spielautomaten schrauben.
Abends saß er in Ostwestfälischen Kneipen, Bier und Korn trinken mit Verlierern. Gestrandete der untergehenden Tabakindustrie, gescheiterte Lebensversicherungsverkäufer, am Nachbartisch neureiche Profiteure im Spielautomatenland.
Wir hatten viel Hunger, haben regelmäßig Supermärkte ausgeräumt und Vaters Brieftasche. Da war allerdings nie viel zu holen ausser Ärger, denn wir flogen regelmäßig auf. Mein Vater war nachsichtig mit uns, schlimm war meine Mutter. Sie steigerte sich in einen Rausch, prügelte uns, bis sie ohnmächtig war, genau wie wir. Heute nehme ich ihr das noch nicht einmal mehr übel.
Meine Versuche abzuhauen, auszubrechen und dem Wahnsinn zu entfliehen, scheiterten kläglich und endeten mit vielen blauen Flecken, einem gebrochenen Finger und dem Rauswurf aus der Schule.
Wir haben uns in eine eigene Welt geflüchtet. Verbotene Lagerfeuer bei Bier und Maria-Cron-Cola im Wassersteinbruch. Knutschend mit Maike in den Büschen, die Hosen über den Knien, während sich einige Meter neben uns Holger die Seele aus dem Leib kotzt. Maike war ständig selbstmordgefährdet, Vater Alkoholiker mit paranoiden Anfällen.
Mein älterer Bruder ist einen anderen Weg gegangen. War bis zum Schluss auf dem Gymnasium und Stammgast im i-Punkt. Dort traf sich die linksintellektuelle Szene, Joints rauchen und später auch alles andere. Diese Leute habe ich immer zum Kotzen gefunden. Wie Molldi. Liedermacher, Ende 30, immer cool, immer wichtig, immer breit, Alt-68er, ein Hauch von Baghwan. Mit 19, kurz vor dem Abitur, hat mein Bruder alles geschmissen, ist zu Molldi in die Kommune auf dem Bauernhof im Nordkreis gezogen – eine der über die Landkreisgrenzen hinaus bekannten Hochburgen für politischen Widerstand, freie Liebe und Drogenkonsum aller Art. Danach haben wir ihn nur noch sehr selten gesehen. Keiner weiss, was er heute treibt.
Geändert hat sich das erst mit der Ausbildung und später dann sehr radikal.
Damals war Elektriker die Ausbildung der Wahl, weil wir nicht enden wollten wie unsere Familien. Wer es gut erwischte, wurde Rundfunk- oder Fernsehtechniker aber da waren die Stellen begrenzt. Eigenes Geld zu haben verändert das Leben nachhaltig. Elektriker waren gefragt, man konnte eine Menge Geld nebenher machen, Strippen ziehen bei Bekannten von Bekannten. Vom ersten selbstverdienten Geld habe ich mir ein frisiertes Moped gekauft. Meine Freundin kam aus dem Nachbardorf – bei ihren Eltern hatte ich den Stall verkabelt. Wir haben endlose Touren durch die Diskotheken im Landkreis gemacht, waren auch in den Nachbarstädten: in Osnabrück im Hyde Park, in Minden im Klimperkasten oder im AJZ in Bielefeld. Geld eröffnete neue Perspektiven auf die Welt, das stand für mich fest.
Zivildienst war die coolste Zeit. Zu zweite hatten wir Dienst im Jugendlager, inklusive Dienstwohnung. Nebenbei verkauften wir Anlagen für Lutz. Hifi für Kinder reicher Leute im Landkreis. Lutz war ein feiner Kerl, hatte den richtigen Riecher für großes Geschäft und behandelte uns sehr fair. Freunde, Bekannte aber auch wildfremde Menschen rissen uns die Anlagen aus der Hand, der Hifi-Boom hatte begonnen und wir schwammen im Geld.
An den Wochenenden foppten wir die christlich-jugendlichen Teilnehmer, die zu frommen Seminaren im Jugendlager waren und vögelten mit den Mädels, die kamen und immer viel zu große Wollpullover trugen. Wir hatten eigene Autos und fühlten uns wie Gott.
Das richtige Geld allerdings kam erst mit den Computern. Lutz war rechtzeitig ins Computer-Geschäft eingestiegen und von ihm haben wir alle gelernt. Arbeiten als Elektriker war nach dem Zivildienst ausgeschlossen. Wer als Elektriker einen PC schrauben konnte, dem war der Aufstieg sicher. PC, das konnte nicht jeder, aber jeder brauchte einen. Es war besser als Anlagen, viel besser. PCs waren das ganz große Geld und das ganz schnelle dazu. Fast alle, die damals für Lutz gearbeitet haben, haben sich anschließend selbständig gemacht. Fast alle wurden wir damals Millionäre, einige sind es heute noch. Einige wenige haben ihre Firmen rechtzeitig an Großkonzerne verkauft und sind heute sehr reich. Andere sind auf dem Boden geblieben, wie Lutz selbst und arbeiten noch immer hart, obwohl sie es nicht nötig hätten. Einige haben abgehoben und sind sehr tief gefallen.
Es war eine Zeit des Aufbruchs, eine Zeit, in der alles ging. In dieser Zeit ist Lars Windhorst aufgewachsen.