Zimbl (Mutter! Oh Gott, Mutter!)
Das größte Café auf dem Saarbrücker Universitätscampus heißt „Ausländercafé“. Es gibt keinen offensichtlichen Grund für diesen Namen, vielleicht wissen die anderen Saarländer hier mehr darüber. Wenn damit den hier lebenden Ausländern jedoch nur eine versöhnliche Geste, ein schüchternes „my fault“ für die Verfolgung, Schmähung, Ächtung und auch Ermordung angedeutet werden sollte, denen sie in diesem Land ausgesetzt waren und sind, so macht meine Stirn runzeln, dass die Uni ansonsten zwar weder eine Ostlerklause, ein Obdachlosenasyl noch ein Vertriebenenstübchen aufweist, wohl aber ein „Juristencafé“.
Vor dem Ausländercafé breitet sich die AC-Wiese aus, ein weites, oft grünes Terrain, das bis zur Bushaltestelle reicht. Hier verbrachte man das Sommersemester, und hier finden jährlich die „Asta Open“ statt, kein Tennisturnier für Hunde, sondern ein Studentenfest mit Livekonzerten. Die Saarbrücker Uni weist eine beispielhafte Konzertgeschichte auf. Bands, die weltweit Millionen Platten verkaufen, treten hier auf, erst 1981 spielten zB Depeche Mode im „Canossa“.
Als Stargäste der Asta Open vor vier oder fünf Jahren waren die „Bates“ angekündigt. An dem heißen Nachmittag dieses Tages saß ich mit Ruxandra auf den im Carré angeordneten steinernen Sitzgelegenheiten vor der Haltestelle. Mächtige Bäume spendeten uns Schatten. Wir studierten beide Jura, und das Gespräch drehte sich um Gerechtigkeit, es hatte Klausuren zurück gegeben. Langsam schwenkten wir um auf „Depressionen“ und tranken gemächlich unser Dosenbier. Da setzten sich Zimbl, der Sänger der Bates, und ein anderes Bandmitglied auf die Steinbank links neben uns. Es zischte, und auch die Musiker saßen nun, genau wie wir, die Ellbogen auf die Knie gestützt, mit einer Bierdose zwischen den Beinen und einer Kippe zwischen den Lippen und unterhielten sich. Als die Bates irgendwann in den 90ern eine Coverversion des One-Hit-Wonders „Independent Lovesong“ (Scarlett) heraus brachten, hatte mir das Lied gefallen, und so lächelte ich den beiden zu und nickte in ihre Richtung, unterdessen ich meine Bierdose um einen halben Zentimeter hob. Zimbl tat genau das gleiche. Er war dünn und sah sehr sanft aus. Obwohl ich mir kaum vorstellen kann, dass er schon für das Konzert geschminkt war, wirkte seine Haut auffallend bleich und dünn, die tiefschwarzen, wirren Haare unterstrichen das noch. Sein Lächeln war sehr einnehmend, und er setzte es häufig auf, während er mit seinem Kollegen sprach, in gelassenem Ton, vom Inhalt habe ich nichts mitbekommen.
Nachdem wir alle je drei Bier getrunken hatten, war eine friedvolle Stunde vorbei, und abends spielten die Bates vor dem Ausländercafé, während ich, der ich kein Rockstar bin, mit Kopfweh nach Hause fuhr; es war kein guter Tag für Bier.
