später flog Ben Becker noch vorbei
Verbindlichsten Dank. Gestatten Sie, daß ich fortfahre. Beim Abklopfen nämlich meiner Vita auf prominententrächtige Erlebnisse, stand dieser Abend weit heraus, nicht so sehr wegen der vielen Prominenten, sondern wegen des Abenteuers, daß sich wenig später unter den Augen wenigstens Ben Beckers vollzog. In meiner Begleitung nämlich befand sich ein junger Herr, der Freund der besten Freundin meiner neuen Geliebten, der aus dieser Tatsache Kapital zu schlagen versuchte, indem er mich immerfort damit aufzog, ich könne doch nicht im Ernst glauben, irgendetwas von mir meiner Liebsten zugerauntes würde nicht binnen Tagesfrist sein Ohr erreichen. Wir waren beide schon angetrunken, ich entsprechend leicht verletzbar, er hingegen in der psychischen Falle, einmal gezeigtes Verhalten einfach nicht aufgeben zu können. Er ist kein schlechter Mensch, nein, auch wenn ich mich letztlich, nach einigen Jahren, von ihm getrennt habe. Nach einem LSD-Segeltörn auf dem Grunewaldsee (ohne Verletzte oder Vermisste), aber das gehört wirklich nicht hierher. Er ist einer von jenen Zeitgenossen, die gern in anderer Leut's Kerbe hauen, dabei allerdings auch nicht beleidigt sind, wenn man zurückkeilt - zumindest wenn das verbal geschieht.
Irgendwann also platzt mir der Kragen, ich stopfe eine frische Flasche Prosecco kappheister in meinen Hosenbund, um sie zuhause allein zu verköstigen, und stürme, in Richtung U-Bahnhof "Rosa-Luxemburg-Platz", die Außentreppe der Volksbühne hinab, die sich dafür auch ausgezeichnet eignet.
Mein vormaliger Begleiter läuft mir nach, ihn hatte wohl so etwas wie plötzliche Reue gepackt, und fasst mich am Ärmel, was ich nicht ausstehen kann. Ich reiße mich los, er greift mich erneut, ich reiße mich wieder los, das wiederholt sich solange, bis die bei mir eingebaute Scheu vor körperlichen Auseinandersetzungen weicht, und ich mich brüsk umdrehe. "Dann laß es uns wie Männer ausmachen!" So oder so ähnlich waren meine Worte. Er war, verblüfft zwar, einverstanden, also stellte ich die Flasche Prosecco ab, zog mein Jackett aus, krämpelte die Ärmel hoch und begab mich in Boxhaltung, darauf wartend, daß mein Gegner ebenfalls seine Vorbereitungen abschlösse. Mit Boxhaltung meine ich so etwas wie eine Buster-Keaton-Boxhaltung, denn ich bin in diesen Dingen herzlich unerfahren. In einem dieser Momente schließlich rauscht Ben Becker feixend, zeigend, daß er, wenn überhaupt, dann über Kneipenschläue verfügt, an uns vorüber und ließ uns allein, die wir versuchten, abwechselnd, mit aller Kraft, das Gesicht des anderen zu treffen. Es zog sich etwas 5 Minuten hin, schließlich war unsere Zielgenauigkeit schon etwas eingeschränkt, und der jeweils andere konnte einigermaßen leicht unter der Graden des Gegners wegtauchen. Letzten Endes erwischte ich ihn, ich bild mir darauf nix ein, es hätte genausogut andersrum ausgehen können, und ich hätte mir eine Menge Ärger mit meiner neuen Liebsten erspart, deren Bekanntenkreis mich natürlich unisono als Schläger schmähte.
Ich hatte also Satisfaktion erlangt, und machte mich auf meinen weiteren Heimweg, wobei mich mein einstiger Gegner mit seinem blutigen Gesicht, ein ums andere Mal zum Bleiben aufforderte. Allerdings, ohne mir an den Ärmel zu gehen! Was aus der Flasche Prosecco geworden ist, weiß ich nicht, getrunken habe ich sie an dem Abend nicht, denn kaum zuhause, liefen schon die Drähte heiß und mein Tribunal wurde vorbereitet. Ich habe mich übrigens, bei einem Treffen auf neutralem Boden, im "Kloster" in Kreuzberg, auf die Formulierung zurückgezogen: Leid täte mir, ihn verletzt zu habe, entschuldigen könne ich mich nicht.
Er trägt seitdem eine coole Narbe an der Oberlippe, um die ich ihn ein bißchen beneide.