Merkel, Angela, Berlin 23.04.2009
Der 23.04.2009 führte mich nach Berlin zu einer Veranstaltung, über die ich berichten sollte. Da sprachen auch ein paar Menschen, die ich sonst auch nur von Anne Will kannte, wie der Bundesarbeitsminister und der DGB-Vorsitzende, und so lieh ich mir eine schöne Kamera mit beeindruckend wirkenden Objektiven aus. Und meine kleine digitale Ritsch-Ratsch-Klick-Variante stopfte ich für hauptstädtische Schnappschüsse auch noch in die Tasche.
Auf dem Rückweg wartete ich vor dem Berliner Hauptbahnhof auf den Zug zurück nach Hannover und auf die Wirkung des Zigarettenrauchs in meinem Organismus, als recht viele Polizisten mit einem Mal den Haupteingang abzusperren begannen. Es fuhren dann drei teuer wirkende Audis vor und ich entwickelte das unbestimmte Gefühl, das hier etwas passieren würde, das es wert sein könnte, mit dem digitalen Bildsensor festgehalten zu werden.
Nachdem nun die tolle Poserkamera mit all ihren Objektiven in der tollen Kameratasche in meinem nicht so tollen Rucksack schlummerte, suchte ich nach meiner erwähnten Kompaktkamera, die man stattdessen einfach anschaltet und knipst, ohne sie 10 Minuten lang aufnahmebereit machen zu müssen. Ich suchte, fand aber nicht. Ich fand Schreibmappe, die große Fotoausrüstungstasche, Tagungsbände und mehr, nicht aber das kleine Knips-Teil. Als ich aufblickte, stand unsere amtierende Kanzlerin ca. 1,5 Meter vor mir und winkte. Ich suchte schneller, blieb aber erfolglos. Wir -- die umhersitzenden und ich -- applaudierten, wie höfliche Paparazzi dies in ekstatischen Momenten zu tun pflegen, Frau Merkel fuhr in einem der großen Audis von dannen, und mir fiel ein, dass die kompakte Kamera in der kompakten rucksäcklichen Vortasche steckte.
Epilog 1:
Frau Merkel fährt gemeinhin selten mit der Deutschen Bahn. Die Suchmaschine meines Vertrauens verriet mir, zuhause angekommen, dass sie eine Ausstellung in einem Wissenschaftszug eröffnet hatte.
Epilog 2:
Eindruck schinden konnte ich mit der Erzählung zurück im Büro nicht; ein Kollege ergänzte anläßlich meines Versuchs, dass er mit Angela zusammen Physik studiert habe.
Epilog 3:
Das beschriebene Szenario hat mich eine tröstliche Erkenntnis mitnehmen lassen: die Polizeikräfte, die unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung sichern, schützen unser Staatsoberhaupt sehr pragmatisch. Als jemand, der unmittelbar vor der bundesrepublikanischen Lenkerin in einem großen Rucksack vehement wühlt, habe ich demnach nicht genug Aufmerksamkeit erzielt, um als potentielles Sicherheitsrisiko eingestuft zu werden. Oder vielleicht klassifizierte man mich nur als zu doof, etwas anzurichten, was ja im übertragenen Sinne auch zutraf; auch, wenn ich nur ein Foto für den Teil der Nachwelt anfertigen wollte, der technisch in der Lange ist, Bilder im Joint Picture Expert Group-definierten Standard (JPEG) anzusehen.
Epilog 4:
Ich stecke die kleine Kamera von nun an in die Hosentasche und versuche mich daran zu erinnern.
