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...sind uns nie begegnet, aber immerhin habe ich ihren kleinen Bruder kennengelernt. Zumindest glaube ich das. Es war in einer Jugendherberge in New Orleans, es war November, und nach dem Abendessen trudelten die Gäste nach und nach in dem nicht allzu großen Gemeinschaftsraum unterm Dach ein. Draußen wars kalt, drinnen wars warm, und in jenem holzgetäfelten Zimmer fand sich eine buntscheckige Runde zusammen. Da waren zwei Japaner,
-- hier stand bis 19 Uhr ein schlechter Japaner-und-Ossi-Witz --
drei Schweden, zwei Israelis, einige Kids unbekannter Nationalität, ein Amerikaner, ein Franzose und ich. Lingua franca, wie es sich bei solchen Gelegenheiten gehört, war Englisch.
Wie nun jeder weiß, haben die Franzosen damit meist ein Problem. Dieses Problem besteht darin, daß sie kein Englisch können. Auch der unter uns anwesende Franzose litt unter dieser, tja, wie soll man sagen, Veranlagung? - um genau zu sein, sprach er natürlich ein paar Worte Englisch, aber nicht genug, um am allgemeinen Gespräch teilhaben zu können. So war es mir vorbehalten, meine Französischkenntnisse hervorzukramen, mit ihm zu plaudern und bisweilen den anderen zu übersetzen.
Es stellte sich heraus, daß der junge Mann Hubert hieß, 18 Jahre alt und der kleine Bruder von Juliette Binoche war. Meine Begeisterung ob dieser Tatsache wurde durch den Umstand geschmälert, daß ich sie mit niemandem teilen konnte, denn außer mir hatte keiner der Anwesenden den Namen der ätherischen Diva des französischen Films jemals gehört. Das gab mir allerdings die Möglichkeit, ungestört von fremder Neugier Details aus dem Privatleben der Binoche zu erfragen. Es stellte sich heraus, daß die Familienverhältnisse schwierig gewesen waren; Hubert hieß mit Nachnamen nicht wie sie, weil ihr gemeinsamer Vater... oder die Mutter... trotzdem waren sie gemeinsam aufgewachsen, soweit man das im Rahmen eines derart großen Altersunterschieds sagen kann.
Leider muß ich gestehen, daß Hubert nichts Pikantes zum Besten gab, was wohl auch daran lag, daß mir nicht die richtigen Fragen einfielen. Denn, und bitte dreht mir daraus keinen Strick, ich kann Juliette B. und die Filme, in denen sie spielt, eigentlich nicht besonders leiden. Für mich ist sie eine von den Figuren, die man als auch nur ansatzweise cineastisch Interessierter kennen muß, um wenigstens sagen zu können, warum man sie nicht mag.
Hubert jedenfalls war seines Zeichens Klarinettist. Und zwar ein verdammt guter. Er war nach New Orleans gekommen, um hier den Jazz zu lernen - und viel bessere Orte, um das zu tun, gibt es nicht auf der Welt. Hubert hatte sein Instrument stets bei sich, und außer ihm hatten das noch einer der anwesenden Japaner sowie der Amerikaner. Letztere waren allerdings nicht mit Klarinetten, sondern mit Gitarren bewehrt, und schon während meiner Konversation mit Hubert hörte man das eine oder andere Zupfen und Schrammeln aus ihrer Ecke.
Binnen Minuten war das Dachzimmer in eine Swing-Session getaucht. Zweie klampften, einer klarinettierte, der Rest wippte und trank kalifornischen Rotwein aus dem Liquor Store an der Ecke Charles Street. Draußen wars kalt, drinnen wars warm, und über uns stand der silberne Mond des Südens und schien hernieder auf prominente und nichtprominente Menschenkinder sowie deren Anverwandte.
Die Mühe, einen näheren Blick auf Juliettes Familienverhältnisse zu werfen, habe ich mir nie gemacht. Hubert konnte so süß Klarinette spielen - niemals, niemals hätte er gelogen.
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(Beitrag wurde von christoph am 11.12.2001 um 18:56 Uhr bearbeitet.)
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Schiebt das schwere Eisentor auf, ein Lichtstrahl fällt in die leere Halle, darin schwebt träge Staub. Räuspert sich.
Hallo? Haaaloooo! Da schmort die Geschichte schon einen halben Tag und wurde zwischendurch noch geschliffen, und niemand ist hier. Ist doch irgendwie atmosphärisch dicht, oder? Die Rührung im Angesicht des Binoche-Bruders irgendwie besonders? Nun denn.
Hustet, stemmt sich gegen das Tor, das krachend ins Schloss rollt. Betrachtet die öligen Hände, kopfschüttelnd ab.
(Beitrag wurde von chuck am 10.12.2001 um 21:21 Uhr bearbeitet.)
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knipst den Rechner an, sieht Christophs schöne Abendschwüle aus New Orleans, erinnert sich, schon gestern das mit Freude gelesen zu haben und bloß zu schüchtern zu einer ersten Antwort gewesen zu sein, gibt Chuck Recht und liest nochmal den Satz 'draußen war's kalt, drinnen war's warm' ehe er den Rechner ausmacht und sich ins kühle Bett legt.
(Beitrag wurde von Herr Cohn am 10.12.2001 um 22:52 Uhr bearbeitet.)
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ich mag keine geschichten, in denen 'billiger Rotwein' getrunken wird, auch wenn er aus dem sagenhaften 'Liquor Store an der Ecke Charles Street' gewesen ist.
aber sonst ok.
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Völlig richtig. Der billige Rotwein ist mir selber sauer aufgestoßen. Habs geändert. Solche Klischees können die ganze Atmosphäre verderben.
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Ich mag keine Geschichten, in denen 'kalifornischer Rotwein' getrunken wird. Klingt so billig.
Ansonsten okay, obwohl Hubert ein sehr merkwürdiger Name für einen Franzosen (Übähr) in den U.S.A. (Hjubörd) ist.
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Hubert ist als Vorname in Frankreich sehr häufig anzutreffen.
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Ich mag keine Geschichten, in denen Frankreich vorkommt.
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Vermutlich besteht ein Zusammenhang zwischen Beliebtheit eines Namens und der Unaussprechlichkeit. Sollte man vielleicht in einem großen Programm alle Zonen-Renés mit den Huberts aus Frankreich austauschen?
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Lieber die Silvios und Enricos. - Hat euch schon mal jemand gesagt, daß ihr allesamt große Spinner seid?
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kommt hektisch auf seinem Einrad hereingesaust, stürzt, rappelt sich wieder auf
Joh! Öch! Öch! Öch hab dös schon imma gesahgt! Spinna! Allös Spinna!
drischt christoph anerkennend auf die Schulter. Leider etwas zu fest.