Mustörmänn, is heut der Lektör krönk?
(Beitrag wurde von Ostzonencombo am 06.11.2001 um 17:51 Uhr bearbeitet.)
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Mustörmänn, is heut der Lektör krönk?
(Beitrag wurde von Ostzonencombo am 06.11.2001 um 17:51 Uhr bearbeitet.)
Hallo, liebe Lacoste! Finden Sie das auch alles so traurig?
@combo: Die Handnägel sind wahrscheinlich in die falsche Fußreflexzone geraten. Er ist sozusagen mit dem falschen Bein aufgestanden, steht jetzt irgendwie neben sich.
HEHE.
kalle, aus die kiste. du quatscht schon wieder opern.
außerdem verrätst du nix neues, das ist alles schon bekannt.
wann kommt eigentlich ihr nächster beitrag?
noch in diesem leben???
'Manfred Mustermann ist Verleger aus Heidelberg. Herrje.'
Herr Genista
Helmut Pöll, der Möchtegernschriftsteller. Jetzt wird mir einiges klar. Und auch wer 'Karl Raduns' vermutlich ist und warum das Geplänkel zwischen diesen beiden so esoterisch, eitel und nicht nachvollziehbar erscheint. Bevor sie weitere Invektiven gegen Herrn Lottmann simulieren, Herr 'Mustermann', würde ich Sie doch bitten, den Text und seinen Subtext noch einmal in Ruhe zu lesen und anschließend den armseligen Mund zu halten vor Schriftstellerei wie dieser. Aber auch die Kommentare der anderen Forumsteilnehmer, die allgemeine Entrüstung über Lottmanns Selbstdarstellung und die Darstellung der käuflichen Liebe in diesem Text kann ich nicht unkommentiert lassen. Lottmann hat, das habe ich nachgesehen, schon einige Texte in diesem Forum geschrieben und sie wurden ALLE kontrovers rezipiert. Aber die Reaktionen hier machen mich ratlos. Soll das witzig sein? Ich weiß nicht, wie man so weit unter das Niveau fallen kann. Natürlich handelt es sich bei Lottmanns Text weder um 'pseudoironisches Gewäsch' (Rübenkraut) noch um ein reales Ereignis. Es handelt sich um Kunst. Houellebecq gibt nur den Vorwand für diese furiose Schilderung ab. Lottmann ist viel zu sophisticated, um den französischen Dummkopf mit seinen 08/15-Thesen zur Drittweltsexualitätssituation abzukanzeln; er verbirgt seinen Ekel hinter einem Lob des 'Politischen'. Wenn Lottmann irgend etwas nicht interessiert, ist es das Politische, diese Ausrede der Rechtlosen. So ist Lottmann. Und das muß man wissen, wenn man über Lottmann spricht. Das einzige, was ihn wahrscheinlich noch weniger interessiert als das Politische ist SEX. Das erschließt sich in erster Linie aus seinen Lebensumständen. Lottmann ist seit seiner geschiedenen Ehe, da verrate ich glaube ich keine Geheimnisse, impotent. In gewisser Weise war das sogar der Standard um das Jahr '75 herum. Zu dieser Zeit, nach den Encounter-Gruppen, dem Emanzipationsdruck und den Selbstfindungs-Frauen (nicht negativ gemeint) war das gang und gäbe. Ich habe deswegen mit Langhans und einigen anderen damals eine Psychoanalyse gemacht, und ich erinnere mich noch genau an die Irritation, die ich empfand, als mich jemand auf den Gesichtsausdruck Lottmanns aufmerksam machte, wenn das Thema diskutiert wurde. Lottmann war der einzige, der die Psychoanalyse ablehnte. Er war zufrieden mit seinem Status. Ich glaube, zum ersten Mal in seinem Leben habe ich ihn glücklich gesehen. Wir spazierten gemeinsam durchs föhngeplagte München, leichtbekleidete Frauen gingen an uns vorbei, und Lottmann leuchtete innerlich. Ich habe das zuerst gar nicht verstanden. Aber er war einfach froh, dieser Welt mit ihren schmutzigen Bedürfnissen entronnen zu sein. Er hatte eine Lösung gefunden, die er gar nicht gesucht hatte. Wie jeder Romantiker fürchtete er sich vor Entscheidungen. Er liebte das lyrische Ungefähr, das seelische Schweifen, die Unendlichkeit - und da war die Asexualität wie eine Befreiung. Kaum jemand hat das verstanden, und wie gesagt, auch ich am Anfang nicht. Um es zu erklären, muß ich etwas weiter ausholen. Das ganze ereignete sich zu einer Zeit, in der das Metaphysische allgemein verleugnet wurde. Es gab wichtigtuerische Aufklärung, es gab auch den Backlash der Esoterik. Hauptsächlich aber ging es nur noch um Politik, Sex, Selbstfindung. Die Langhans-Sache. Später auch um Umweltschutz. All diese Themengebiete waren Lottmann, dem künstlerisch Hochbegabten, genuin fremd und sind es bis heute. (Warum L. dennoch so häufig von Politik und Sexualität redet, erkläre ich nachher.) Was als Revolution gestartet war, endete in der Cliquenwirtschaft, in den Manifesten der Weltverbesserer. Da war kein Platz für das Numinose, ohne das kein Künstler existieren kann. Die 70er und 80er waren die kunstlosesten Jahrzehnte des vergangenen Jahrhunderts. Politsches Geschwafel und Zurschaustellung der Sexualität zerstörten jeden Gedanken. Dagegen setzte Lottmann sich erst unbewußt (mit seinem Körper), dann bewußt (als Intellektueller) zur Wehr. Er beginnt mit seiner Strategie der blasierten Bejahung, der forcierten Geschwätzigkeit, die dialektisch betrachtet ja auch eine Form der Askese ist.
Das alles steht in einer festen gottsucherischen Tradition. Seit dem späten Mittelalter setzt im Abendland ein Vorgang ein: die Verselbständigung der Welt gegenüber der Offenbarung eines überweltlichen, herrschenden Gottes. (Man mag das Wort 'Gott' als anstößig empfinden, aber ich verwende es hier ganz bewußt.) Und zwar verläuft diese Verselbständigung in verschiedenen Formen. Die auffälligere und heftigere besteht in der direkten Leugnung Gottes und einer von ihm an die Welt herantretenden Ordnung. Die andere leugnet die Gotteswirklichkeit nicht, sucht sie aber mit der Welt zu verschmelzen. Damit das möglich wird, muß diese in einer Weise erfahren und gesehen werden, daß sie für die Attribute der Göttlichkeit tragfähig erscheint, was wiederum auf einer doppelten Linie geschieht. Zuerst so, daß die Welt für unendlich und absolut erklärt wird, wie das im neuzeitlichen Pantheismus der Fall ist, von Cusanus bis Novalis. Da ist Gott die Seele, die Geheimnistiefe, der schöpferische Ursprung, die geistige Ordnung und Sinnfülle des Alls. Eine andere Auffassung tritt deutlich erst im neunzehnten Jahrhundert hervor. Danach wird die Welt als durchaus endlich, diese Endlichkeit aber als derart intensiv und sinnvoll erfahren, daß sie hinreicht, um das Dasein zu tragen. Der erste klare Durchbruch dieser Haltung scheint in Hölderlin zu geschehen; zu programmatischer Klarheit und Schärfe gelangt sie in Nietzsche. Zu ihr bekennt sich auch Lottmann. Mütterlicherseits aus einer strengen Pfarrersfamilie stammend, ist er mit diesen Denkmodellen vertraut. Das, in Kombination mit seiner Sensibilität, bewahrt ihn vor den Irrtümern der Zeit, dem Gewäsch der 68er, der kommunistischen Irrtumsdoktrin, der plakativen Revolte (und auch dem, was wir heute 'Pop' nennen). Er beteiligt sich an allen diesen Strömungen, ahmt ihre Verhaltensmuster täuschend ähnlich nach, bleibt aber innerlich ungerührt.
Zu diesem Zeitpunkt trifft ihn die Asexualität wie eine Erlösung. Innerlich vereinsamt und vom Getue der anderen angewidert, sieht er eine Möglichkeit gekommen, auf Distanz zu gehen. Das war, wenn mich nicht alles täuscht, um das Jahr 1976 herum. Wir hatten gemeinsam ein Seminar besucht, eine Encounter-Gruppe, in der auch Sri Mahrajan auftrat. Das Seminar dauerte vierzehn Tage, die wir auf einem abgelegenen Bauernhof in der Nähe des Chiemsees verbrachten. Es wurden die gängigen männerfeindlichen Thesen und Übungen gemacht, und es war das Schlimmste, was ich in der Hinsicht erlebt habe. Danach ging ich wie gesagt in Psychoanalyse, aber das ist eine andere Geschichte. Mit Lottmann verhielt es sich genau gegenteilig. Er machte in dieser Gruppe, wie sie nackt und diskutierend herumstand (damals war man immer nackt, wenn man diskutierte), einen ganz abgehobenen Eindruck. Er erfüllte die Forderungen genau. Er war allen zu willen, er hatte zweimal am Tag den erforderlichen Nervenzusammenbruch, und er regredierte auf erstaunlichem Niveau. Diese Form der Überanpassung an die Gruppe war mir damals noch nicht als ironische durchschaubar. Das Konzept der subversiven Affirmation. Zurück in München kam es zu einem absurden Erlebnis. Brandtstätter und zwei andere, die die Sache ebenfalls nicht einwandfrei überstanden hatten, wollten jetzt dringend 'die Sause machen'. Wir betranken uns mehrere Stunden, gingen ins Eros-Center in der Türkenstraße und kamen schließlich unverrichteter Dinge zurück. Keiner hatte einen hochgekriegt. Nur Lottmann schien zufrieden. Später am Abend trafen wir in der Kneipe zwei Italiener, einen davon erkannte Brandtstätter. Er stellte sich als 'Giacomo Leopardi' vor. Es war, wie sich bald herausstellte, Sanguinetti, und er war gerade auf der Flucht. Kurz nach seinem Coup gegen die KPI. Nach einer überschwenglichen Begrüßung kam es sehr schnell zum Streit. Die Italiener hatten nichts als Hohn und Spott für uns übrig. Lottmann tat wie immer das richtige: er fiel (bildlich gesprochen) vor ihnen auf die Knie. Nach einigen weiteren Bieren offenbarte Sanguinetti eine ordinäre Seite, über die in den Geschichtsbüchern leider wenig zu lesen sein wird. Er fiel zwei Frauen am Nebentisch an, er beschimpfte Brandtstätter und Lottmann mit ihren langen Haaren als effeminierte Nullen und forderte sie wiederholt und lautstark zum 'Schwanzvergleich' auf. Es war eines der wenigen deutschen Worte, die Sanguinetti kannte. Ansonsten erfolgte die Unterhaltung auf englisch. Der Wirt tat, als würde er nichts bemerken. Irgendwann öffnete Sanguinetti seinen 'Hosenstall' und holte etwas Verschrumpeltes hervor und legte es auf den Tisch. Es war einen Moment lang vollkommen still. Dann stand Lottmann auf und holte aus seiner Hose ein ca. dreißig Zentimeter langes, glänzendes Ding. Sanguinetti bekam einen hysterischen Lachanfall. Brandtstätter und ich schauten uns an. Es war ein Umschnalldildo, wie es sie damals auch in Orion-Fachgeschäften nur unter der Ladentheke zu kaufen gab. Ich weiß nicht, wie lange Lottmann damit umhergelaufen ist. Ein paar Jahre, vermute ich. In diesem Moment, der, das gebe ich ohne weiteres zu, problematisch war, fand natürlich eine Verschiebung statt; Sublimation wäre zu wenig gesagt. Der Sackgasse der Sexualität entronnen, wandte Lottmann sich neuen Irrtümern zu: der Vergottung des Individuums. Dem Numinosen. Er entwickelte seinen Geniekult. Das mag einigen nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch ich habe es ja wie gesagt am Anfang nicht verstanden. Unnötig zu erwähnen, wie verstörend Lottmann auf die Opfer seiner Anbetung wirkte. Einen klinischen Begriff hat es für das Phänomen nicht (am nächsten kommt Adler dem Gebilde noch mit seiner 'Begierde nicht nach der Macht, sondern nach der Nähe der Macht'). Wir alle kennen die peinlichen Briefe, die verwirrte Frauen während des Dritten Reiches an Hitler schrieben, die Socken strickten für den Führer und die im klinischen Sinne vermutlich geistesgestört waren. Viel seltener und in seinen Ausprägungen weit weniger spezifisch ist diese Symptombildung bei Männern zu beobachten. Lottmanns Bewunderung für die seiner Meinung nach Großen dieser Welt (Goetz, Reich-Ranicki, Kracht) enthält bei aller Erotisierung immer auch einen Beigeschmack von Selbstauslöschung. Die Anbetung des unendlichen Geistes ist der Socken, den Lottmann ihnen strickt, seine eigene Vergänglichkeitsangst - und die seiner Gene - beschwichtigend. Daraus resultieren großartige Texte wie dieser (und langweilige wie 'Deutsche Einheit'), und es ist völlig unerheblich, ob Lottmann in Thailand war oder nicht (er war es nicht). Die Vergänglichkeit - welche nichts als die Erlebnisform der Endlichkeit ist - wird im zweifachen von Hegel gedeuteten Sinn aufgehoben und angenommen. Für Lottmann besteht die eigentliche sexuelle Handlung in ihrer Vermutung. Die Beschreibung als solche ist schon Konzession. In dieser Haltung gehört Lottmann in eine Reihe mit Huysmans, Spengler oder Ivan Bloch. Man muß sich vergegenwärtigen, daß dies nichts anderes ist als eine Spielart des Menschlichen wie Homosexualität oder Kinderschändung (von der L. übrigens gar nichts hält, er haßt Kinder). Dazu paßt auch gut die dauerhafte Beziehung zu seiner sog. Nichte (Hase), die ihm in Frigidität nichts nachsteht. Ich habe sie einmal auf der Buchmesse getroffen; sie reagiert auf körperliche Annäherungsversuche wie Amerikaner auf tieffliegende Flugzeuge.
(Beitrag wurde von Simplicius Simplicissimus am 08.11.2001 um 15:10 Uhr bearbeitet.)
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auweia, kommt das oberlehrerhaft daher und im nächsten Moment unerhört privat.
dennoch: den großen Lottmann-Text ausholend verteidigt zu sehen, das freut mich!
Ich bin jetzt in Simplicissimus verliebt. München ist wirklich nicht nur föhn- sondern auch föngeplagt, das kann man nur unterschreiben.
Jockel, Du holzwegst.
ok lottmann ok. ok.ok.ok.
sie haben gewonnen.
jetzt liebe ich sie.
jetzt verehre ich sie.
jetzt lese ich sie noch einmal.
lottmann, ich habe verloren.
ich habe mich an sie verloren.
Großkritiker Simplicius Simplicissimus in Hochform! Da kann man nur noch vor Lachen auf dem Boden liegen, beste Satire, ich gehe ja mal davon aus, daß das auch Lottmann ist, wer denn sonst.
Eines glaube ich nicht: das Houllebecq nur als Vorwand dient. Vielmehr als Waschbrett oder Fußabterter, aber das mag man ihm nicht zugestehen. Sowohl Lottmann als auch Simplicissimus mussten die 70er schließlich bewusst miterleben.
Und nun müssen sie den fürchterlichen Houllebecq rezipieren indem sie ihn meta-rezipieren, unter Umständen auch meta-meta-rezipieren. Ich kann das nachvollziehen, wenn auch nur abstrakt.
17:05 Uhr: Seit Lesebeginn dieser Seite sind sind 35 Minuten ausgesprochen vergnueglich vergangen. Selten sind Straenge so ergiebig und vielfaeltig wie dieser.
Dogmatisch gefuehrte Debatten ueber die Frage, wie Literatur/Theater/Malerei/usw.-Stuecke zu leisten haben, um fuer 'gut befunden zu werden, oder ueberhaupt als kuenstlererische Leistung zu gelten -- die finde zwar seit Jahren nicht mehr spannend genug, um mich daran zu beteiligen. Auch Fragen um Glaubwuerdigkeit, Authentizitaet, politische Korrektheit und Massengeschmacksvertraeglichkeit interessieren mich nicht mehr so brennend.
Den ungebrochenen germanischen Streiteifer zu beobachten -- das hat allerdings immer noch sehr hohen Unterhaltungswert. Dank an die Kombattanden also. Und an den grossartigen Simplicissimus, den man ja wohl leider nicht abonnieren kann.
Ansonsten werde mir jetzt mal ein paar Lottmann-Elaborate besorgen. Der obige Text jedenfalls liesst sich wie eine Sammlung fiebriger Versatzstuecke und das gefaellt mir nicht schlecht. Metaebenenexperimente hin, praetenzioeses Kompilieren her...
(Beitrag wurde von DREA am 07.11.2001 um 11:16 Uhr bearbeitet.)
Lottmannleim also. das wird noch ein Tag werden heute.