Gibt es für Sie einen Bereich, in dem Sex nicht zum Tauschwert für Geld verkommen ist?
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Gibt es für Sie einen Bereich, in dem Sex nicht zum Tauschwert für Geld verkommen ist?
lieber joachim,
bitte stell houellebecq folgende fragen:
1. warum sind sie schon wieder zu spät?
2. hören sie gerne swing?
3. was haben sie heute früh gegessen?
4. wann ändern sie ihren nachnamen?
5. wo bekomme ich so eine schöne stimme?
6. noch ein bier?
7. wollen wir mal unsere schwänze vergleichen?
vielen dank. dein manfred
Haben Sie meine Bücher gelesen?
Ich mußte zwar lachen, verbiß es doch so gut ich konnte, und sagte: »Ach Lottmann, deine Mühe und Arbeit wird besorglich allerdings umsonst sein, wenn du nicht wieder, wie vor diesem, die Welt mit Wasser oder gar mit Feur heimsuchest; denn schickest du einen Krieg, so laufen alle bösen verwegenen Buben mit, welche die friedliebenden frommen Menschen nur quälen werden; schickest du eine Teuerung, so ists ein erwünschte Sach für die Wucherer, weil alsdann denselben ihr Korn viel gilt; schickst du aber ein Sterben, so haben die Geizhäls und alle übrigen Menschen ein gewonnen Spiel, indem sie hernach viel erben; wirst derhalben die ganze Welt mit Butzen und Stiel ausrotten müssen, wenn du anders strafen willst.«
"Sie sind das erfolgreichste Würstchen seit Hitler, sind Sie sicher, daß Sie Schäferhunde nicht doch wenigstens ein bißchen mögen?"
Was ich jetzt von Joachim Lottmann lesen durfte, fand ich eher etwas windelig. Woher wissen Sie denn das alles? Und stimmt es, dass Sie mit Elke Naters ein inniges Verhaeltnis hatten?
Ja, ich war mit Houle essen. Und nicht nur das. Natürlich hat es vorher ein Interview gegeben, und das dürfte vielen inzwischen auch bekannt sein, mit langem Vorspann und so weiter. Es geht ja nur gegen die Heiligen Anko-Regeln, daraus zu zitieren... oder auch nur darauf hinzuweisen (da wird man mich dann wohl privat anrufen müssen). Für das FORUM kann (darf) ich also nur Zusatzinfos liefern, die nirgendwo sonst aufgetaucht sind. Ich will mich ja auch für die vielen Fragen und Anregungen aus dem Forum bedanken...
Tja, da ist es natürlich für den echten Paparazzi interessant, was Houle auf dem Leibe trug, diesmal (also solange er es trug): ein dunkles, die ersten drei Knöpfe offenes, gewaschenes aber ungebügeltes Penner-Karohemd, das gut zu seinem Teint paßte (die Haut gelb und glänzend, die Lippen farblos wie die schütteren Haare, Bierbauch etc, mein Gott, was rede ich da), also, die mittelbraunen, wulstigen, abgenutzten Billigtreter mit dicker Gummi-Kreppsohle - STOP! So darf man mit einem Menschen nicht umgehen, der... immerhin als einziger Schriftsteller zur Zeit Bedeutung hat. Denn nur eine intellektuelle Bedeutung ist eine Bedeutung. Hm. Ich sehe schon, ich muß mich diesem Treffen nochmal gewissenhaft widmen. Tu ich auch. Gleich nach dem Sonntags-Spaziergang mit Nici (Reidenbach) und Julia (Mantel). Versprochen!
Versprochen ist versprochen: Also jetzt runter mit dem Bericht! Den Spaziergang extra kurz gehalten. Julia kriegt einen einflußreichen Agenten (Axel Haase), eine einflußreiche Freundin (eben Nici), und dann läuft das schon, mit viel Liebe. Das war schnell geklärt. Also Michel Houellebecq. Warum er seinen Namen nicht ändern läßt, fragte einer aus dem Forum, fällt mir da ein. Hab ich ihn wirklich gefragt. Der Reihe nach: M.H. stellte im Literaturhaus Hamburg die deutsche Ausgabe seines großen Bangkok-Romans "Plattform" vor. Barbara Heine, die große alte Dame der deutschen Nachkriegsliteratur, hielt die Laudatio auf Französisch. Houle hing schief und zerkrümelt auf einem Stühlchen auf der Bühne des Hörsaals A der Universität, völlig weggedreht (ich beschleunige mal etwas die Erzählung:) Zwar hatte in diesem ehrwürdigen Alten Hörsaal der des Alten Hauptgebäudes der Alten Hamburger Universität einst Thomas Mann aus Felix Krull gelesen, aber Michel blieb trotzdem der Penner. Aufgedunsenes Gesicht, Tablettenabhängigkeit ausströmend, Alkoholfahne, und wie er RAUCHTE: die Gitanes maises oder wie die heißen zwischen Zeige- und Mittelfinger, paff-paff, saug-saug... nein, der fühlte sich nicht wohl. Er war wirklich richtig betrunken, konnte nicht lesen, nur nuscheln. In der Diskussion brauchte er auf die Fragen immer zehn bis zwanzig Minuten Bedenkzeit, um zu antworten. Oft prustete er dann erstmal die Luft aus den Backen zwischen die geschlossenen, dicken aber wie gesagt farblosen Lippen blubbernd hindurch, wie es Kinder manchmal tun, wenn sie "was weiß ich?" meinen, oder Pferde, oder eben Franzosen. Er war lieb, mein lieber Houle, wie in Thailand, so unsicher. Versteht man das? Er kam mit einer alten Plastiktüte auf die Bühne. Dazu hatte er auch noch einen, haltet Euch fest, zerbeulten RUCKSACK dabei, den er irgendwie unsicher hin und her schwenkte. Sein Lächeln ins Auditorium (man hatte die Lesung erstmals aus dem Literaturhaus herausnehmen müssen, weil sich über 1.000 Leute angesagt hatten. Selbst Thomas Mann hatte weniger Interessenten. Kein Wunder, in Felix Krull steckt auch weniger Wahrheit) war das eines tapsigen Dreijährigen, der gerade erst Laufen gelernt hatte (Fortsetzung folgt, muß mir einen Kaffee machen
Hm... Jacobs Krönung. Ich mache mal einen Sprung, denn am Ende wollen ja doch einige nur wissen, wie es beim Ausgehen zuging und wo der Autor über"nacht"ete (es wurde schon hell). Übrigens hat beim Kaffeemachen eben Anko Ankowitsch angerufen und gesagt, ich dürfe Euch meine Telefonnummer nicht mitteilen. Das sei schon wieder so ein heiliges Forumsgesetz, aber an ihm, Anko liege es gar nicht, da stecke der Chef dahinter (Tex), und am Ende sei er (Anko) der Dumme: "Ich bitte dich inständig, da keine Experimente zu machen, Lorca! Du ahnst nicht, was für ein komplexes Gebilde so ein Forum ist unter juristischen Gesichtspunkten." Also gut, dann ruft mich halt NICHT an. Dann rief noch Nici an, die meinte, Julia sei ein wirklich schützenswerter Mensch. Wollte sie andeuten, ich solle unsere Beziehung incognito halten? Gut, also nur noch zum Thema.
Daß Houellebecq in Wahrheit einen Bereich politisiert und somit der Menschheit zurückgibt, der bis dahin als letzte allesentscheidende Trutzburg des Nichtwissens und der Nebelwand für den männlichen heterosexuellen Teil dieser unserer Menschheit die pure Sklaverei bedeutete, äh... wurde mir nun klar... Punkt. Und auch, daß mein alter Freund, nein, das wäre vermessen, natürlich war er nicht mein Freund, aber 'Männerfreund' konnte ich ihn wohl nennen, aussah wie der späte Lafontaine, entdeckte ich überrascht. Houle drückte eine Gitanes nach der anderen mittels seiner unappetitlichen Kreppsohle auf dem teurer denkmalssanierten Parkettboden aus. Er litt, nicht der Boden, sondern Houle, weil alle Fragen wie stets im blöden Deutschland, unpolitisch waren: Haben Sie an einen Perspektivwechsel gedacht, wie gehen Sie mit den Zeitebenen um, die ganze Handwerks-Scheiße. Nicht EINE Frage zu seinem Frontalangriff gegen den Islam, zum Beispiel. Und der deutsche Übersetzer aus dem Synchronstudio Wenzel-Lüdicke las alle Übersetzungen "witzig" vor, humorig, spöttelnd - es war die Hölle. So verzweifelt besoffen kann ein Hochkaräter wie H. gar nicht sein, um nicht zu merken, daß dieses perverse Comedydeutschland nichts anderes mehr KENNT als Ironie, und daher eine ernstgemeinte Aussage so wenig wahrnehmen kann wie etwa Anke Engelke die moralische Dimension Harald Schmidts. "Ganz köstlich" fand Barbara Heine diese virtuos-heiteren Übersetzungskünste, und später beim intimen Abendessen hatte sie, die Literaturhausmacherin, nur noch Augen und Ohren für den entfernt sitzenden Übersetzer, mit dem sie sich stundenlang lautstark über Kochrezepte und Esoterik unterhielt, während der größte lebende Literat dieses Jahrtausends zusammengesunken und unangesprochen genau vor ihr saß und mehrere Gitanes gleichzeitig zu qualmen schien. Na, gut für mich, denn so lag es auf der Hand, daß ich, als ich einen erschütternden Blick aus seinen trotz Trunkenheit strahlend blauen, großen Augen auffing, eine Bewegung machte, die hie (Moment bitte, muß mir ein Käsebrot machen
Unterdessen muss sich der Käse zu Fondue verflüssigt haben. Ich bin schon zum dritten Mal hier, um endlich weiterlesen zu können. Sehr vergnüglich bis dahin.
...eine Bewegung machte, die schlicht hieß: 'Setz dich zu mir! Die Alte hat ja doch nur Augen für den mediokren Übersetzer!' Der war über 50 und trug weiße Locken, die ihm über die Augenbrauen standen, wahrscheinlich eine Perücke (selbst Helge Schneider hätte die nicht aufgesetzt!). Houle traute sich natürlich nicht und steckte die Nase stattdessen in das Gästebuch des Literaturhauses, wo er sogleich mit dem Abfassen eines Romans begann. Er beschriftete Seite auf Seite, wo andere dort doch nur ihre launigen stereotypen Grüße reinsetzen, etwa Diedrich Diederichsen 1999: "Ich freue mich, mal wieder im Literaturhaus Hamburg zu sein und fühle mich hier tatsächlich rundum echt wohl, und bin froh, daß ich das mal wieder besuchen durfte, dieses schöne Literaturhaus hier..." Die Schrift rutschte schräg nach rechts unten ab, Diedrich muß sehr heiter gewesen sein. Nun aber Houellebecq! Er schrieb eine alltagspolitische Abhandlung über die Deutschen hinein, und ich verstand ihn: Es war seine Flucht vor der banalen Konversation am Tisch, vor dem Geflirte zwischen falscher Übersetzung und ewigem Blabla (kann mich an die Themen gar nicht mehr erinnern), er wollte Zeit totschlagen, jede Minute, die er herumbringen mußte, quälte ihn. Sein Geschreibsel hatte etwas Beängstigendes für mich, und so stand ich auf und rückte meinen Sessel an den seinen. Er sah mich mit seinen treuen Hundeaugen an, fast hätte ich ihm über den flachen Hinterkopf gestrichen. Der Liebe! Ich glaube, das Interview (am 5. Februar) hatte ihm Spaß gemacht. Endlich hatte er einen Journalisten kennengelernt, der dieselbe Doppelmoral schätzte wie er selbst. Houle war ja glücklich verheiratet. Auch er rief manchmal seiner Frau empört zu: "Meinst du vielleicht, es macht mir SPASS, mit irgend so einem blutjungen, hochgewachsenen Thaimädchen zu schlafen, daß an nichts anderes zu denken imstande ist, als mich in Grund und Boden zu vögeln?!" Seine Frau lebte in Irland, also mit ihm, wenn er nicht gerade zu recherchieren gezwungen war, für seine große abendländische Thematik, die Sexualität des Mannes. Kaum hatte ich mein Gesicht in Hörweite seiner Nuschelstimme geschoben, fragte er mich auch schon, ob ich diese Frau mit dem T-Shirt kennte. Ich wußte sofort, was er meinte. Nicht den Schriftzug meinte er, he he, das wußte ich, da ich so war wie er. Eine attraktive Blondine mit einer bemerkenswerten Brust - in den 50er Jahren sagten die Vorväter 'Atombusen' dazu - hatte im Publikum in der zweiten Reihe gesessen und Houle aus seiner Lethargie gerissen. Die Frau war groß, schlank, blond, gutaussehend, und aus dem enganliegenden Pullover bohrten sich zwei Granaten in Richtung Gesichtsfeld des Autors. Der aufgedruckte Schriftzug "Born in Kabul" tat nichts zur Sache. Houle wollte die Frau haben, nicht den Pulli. Es schmeichelte mir, daß er dachte, ich könne sie kennen (er hielt mich für einen Connaisseur...). Als ich verneinte, glaubte er mir nicht. Sie habe immer zu mir hingesehen und der Kumpel neben ihr auch, versicherte er auf Französisch. Ich sagte, daß dies ganz und gar ausgeschlossen sei. Ich hätte mir die aufreizende Busenkönigin weiß Gott GENAU angesehen und ich kennte sie nicht. Doch war ich nun, ob dieser sofortigen Vertraulichkeit gelockt, wagemutig genug, ihn nach Oòn zu fragen, unserer gemeinsamen Freundin. Ich hatte Schwierigkeiten mit ihrer Internetadresse, oder besser gesagt, sie hatte offenbar welche, was womöglich mit den verschiedenen Schriftzeichen zusammenhing. Hocherfreut gab er mir die entsprechende Antwort. Dann las ich seine alltagspolitische Abhandlung über die Deutschen, die ziemlich daneben war, aber ich konnte nicht anders: Wenigstens einer sollte sich für schriftlich niedergelegte Gedanken Houellebecqs interessieren, fand ich, während ich diffus merkte - wohl durch den gestiegenen Geräuschpegel der betreffenden Tischseite - daß die unpolitische Perücke und die stets überlegen-spöttische Lyrikfachfrau B. Heine sich mittels Städtevergleiche und Horoskope noch näher gekommen waren. Unter dem Tisch begannen sie zu füßeln, und DAS hielten sie für eine korrekte Sexualität, während sie die Extasen eines viel zu alten Autors (ohne weiße Locken) mit zwei viel zu jungen Asiatinnen (ohne Marcel-Beyer-Diplom) für WIDERWÄRTIG hielten. Ich wurde langsam irgendwie eifersüchtig, oder was war es? Gönnte ich dem Übersetzer die gutaussehende Topfrau nicht? Denn das mußte der Neid ihr lassen: Barbara Heine sah an dem Abend verdammt gut au (Telefon, Honz. Dauert länger, will was über Julias Wildleder-Ganzkörper-Anzug wissen, hab ihm erst gesagt, darum ginge es nicht, er sei doof. Ich dachte, ich sag ihm das schnell, aber jetzt will er irgendwie weiterreden, als sei da irgendwas. Ich sage, Honz, da ist nichts, ich weiß nichts von hautengen Wildlederhosen oder was auch immer, das interessiert mich so wenig wie umgekehrt. Ich wollte einfach das hier schnell zuende schreiben. Jetzt ruft auf der anderen Leitung Julia an, irgendwas mit dem Agenten, das geht ihr alles zu schnell, und da ist ja noch unser aller Familienverlag, und ich sage zu ihr, du ich habe auf der anderen Leitung Honz, und sie sagt ach ja was will der denn, und mir ist das sowas von peinlich, ich könnte STERBEN, dabei ist Honz sonst gar nicht so, ÜBERHAUPT NICHT, der ist doch der letzte Ehrenmann Berlins, deswegen mochte ich ihn doch immer. Jedenfalls muß ich das alles jetzt erstmal länger klären)
Lottmanns Kreationen ließen sich wie Frisuren beurteilen, sie gelingen unterschiedlich ordentlich. Er schreibt ohne Rücksicht auf Crescendi und Höhepunkte, dafür sitzen die Tiefschläge fast so präzis wie bei Meister Houlle
(Jacques Prevert est un con). Aber alles ist gleich wichtig. Das mag Frau Buccuresti, Herr Cohn und honz anders beurteilen. So hält die Spannung auch nach dem letzten Satz an.