Prinz Charles - gibt mir nicht die Hand

Es war im Sommer 1995 auf unserer Schulabschlussfahrt nach London. Gleich am ersten Tag unserer Ankunft ging es auf Erkundungstour. Diese führte uns mit als erstes zur Westminster Abbey. Leider war der Haupteingang gesperrt, man munkelte von Prominenz die sich dort drinnen aufhalten würde, zu was auch immer. Bei dem Wort “Prominenz” wurden ich und ein paar meiner Kollegen aufmerksam, denn was denkt man bei Prominenz in London? Na klar, die Royals. Also dachten wir uns, wenn da wirklich ein Promi drin ist wird der sicher nicht durch den Haupteingang wieder rauskommen sondern zu einem Nebeneingang. Also spazierten wir um den Komplex rum und siehe da, vor einem seitlichen Torbogen stand eine Lusxuslimousine. Der Torbogen war bewacht durch ein paar Bobbies. Im Hof dahinter warteten ein paar Jungs so um die 12-14 Jahre in Reih und Glied aufgestellt auf irgendjemand oder irgendwas. Aus Spass sagte ich zu meinen Klassenkameraden, ich würde da jetzt einfach ganz cool durchs Tor durchmaschieren und mal nachschaun was da so abgeht. Das glaubte mir keiner, also musste ich mich wohl oder übel auf den Weg machen, um nicht als Schwätzer dazustehen. Ich rechnete sowieso damit sofort von den Bobbies zurückgeschickt zu werden. Möglichst lässig marschierte ich auf sie zu, an ihnen vorbei und durchschritt das Tor.
Nanu? Das war ja einfach! Keine Ahnung warum sie mich nicht kontrollierten, jedenfalls kamen meine Klassenkameraden nun auch hinterher und wir sahen uns in dem Hof um. Kein Promi weit und breit. Deshalb hatte ich schnell keine Lust mehr und ging wieder zurück durch das Tor. Kaum war ich wieder durch riefen mir meine Kameraden zu dass Prinz Charles kommen würde. Schöne Sch..., ich also wieder Richtung Tor, aber diesmal hielten mich die Bobbies zurück. Ich versuchte noch den beiden mit meinem mieserablen Englisch zu verstehen zu geben ich würde zu den Jungs da drinnen zu gehören, aber sie glaubten mir kein Wort. Also sah ich von draussen zu wie Prinz Charles die Reihe der Jungs im Hof abschritt und ihnen die Hand gab. Einer meiner Kameraden hatte sich dazugestellt und wurde von Charles himself auch per Handschlag gegrüsst. Mein anderer Kollege stand etwas weiter weg und fotografierte das Ganze. Anschliessend schritt Charles durchs Tor, grüsste kurz die anwesenden Leute, stieg ins Auto und fuhr davon.
Ich ärgerte mich noch Jahre danach dass ich so schnell wieder durch das Tor gegangen war...



Björn

Kann ich verstehen. Allerdings hätte ich mich nicht Jahre gegrämt sondern Äonen.

Uh, was wäre das für eine Riesengeschichte geworden! Mit Prinz Charles und Handschlag. Vielleicht hätte sich bei der Gelegenheit sogar ein Gespräch ergeben; übers schwätzen vielleicht. Auch beim Thema Coolness gilt Charles als kompetenter Ratgeber.

Offenbar waren zwei Ihrer Klassenkameraden händeschüttelnd und fotografierend vor Ort und mitten dabei. Vielleicht könnten diese beiden Beneidesnwerten heute anschaulich über Atmosphäre, Händedruck oder Westminster erzählen.

Was mich besonders rührt, ist die Zartfühligkeit, mit der Sie das Wort Scheiße nur andeuten, um es uns zu ersparen. Vor allem dafür: Danke.

Einer meiner englischen Cousins macht die Termine für den Prinzen, falls Sie das Händeschütteln also gerne nachholen würden, bitte PN.

by the way, habe ich in diesem Jahr schon mal erwähnt daß mein schottischer Cousin aus Ullapool mit John Cleese zusammen auf der Universität von St. Andrews studierte?

wie verlief den hier wieder mal die Assoziationskette? Über Prinz Charles' ERstbeborenen?

Im Januar 1997 im Alter von 84 Jahren verstarb Margaret Prinzessin von Hessen und bei Rhein. Mit ihrem Tod endete übrigens nach über 400 Jahren die Geschichte des Hessen-Darmstädtischen Hauses. Die Darmstädter wussten alle, dass sie die Lieblingstante von Prinz Charles war.

Am Tag ihrer Beerdigung war ich (wirklich zufällig) in der Stadt und wunderte mich über den Volksauflauf bei der Stadtkirche. Folglich habe ich mich dazugestellt (Herdenzwang?) Vorne standen lauter alte Leute mit Aldi- und Lidl-Tüten, also sehr geschmackvoll dekoriert für eine Beerdigung.
Zwei Mal kam auch Bewegung in den Discounter-Tütenwald als durch irgendetwas ausgelöst die betagten Herrschaften die Polizeilinie durchstiessen und freundlich aber bestimmt durch die Polizisten wieder zurückgedrängt werden mussten.

Nach kurzer Zeit kam Prinz Charles mit seinem Vater und anderen europäischen Adligen aus der Kirche. Der Kontrast zwischen den Schwalbenschwänzen und Zylindern und den Aldi-Tüten war ziemlich scharf.
Durch meine Körpergröße habe ich aus der Menschenmenge deutlich herausgeragt. Als Charles seinen Kopf in meine Richtung gedreht hat, ist ihm das wohl aufgefallen. Weil ich nicht einfach so starren wollte, habe ich versucht, Charles möglichst pietätvoll zu zunicken. Er war so höflich, zurück zuwinken und mit dem Kopf zu nicken – und das obwohl er gerade seine Lieblingstante beerdigt hatte.

Erklären kann ich es allerdings nicht, wie das genau geht mit dem pietätvollen Nicken. Es geschah intuitiv.

Es ist außerordentlich erfreulich, nach 50.000 Badewannenpostings einfach mal wieder eine schöne, kleine, sympathische und lustige Pappengeschichte zu lesen!