Zuse, Konrad

Ich bin ungefähr 18 Jahre alt und stehe in der Eingangshalle des Gymnasiums. Wir stehen zu mehreren vor dem Schwarzen Brett. Die anderen müssen auch SMVler sein, zu denen gehöre ich dazu. Eine große Veranstaltung findet in der Schule statt, was für eine weiß ich nicht mehr - Schulfest wahrscheinlich. Im Rahmen der Veranstaltung hat auch die SMV etwas zu organisieren. Und also stehen wir vor dem Schwarzen Brett in der Eingangshalle und besprechen die Lage.

Das Gymnasium wurde Ende der 60er Jahre erbaut, ein Gebäude aus unverputztem Beton, vier Stockwerke hoch, nach vorn ausgreifende Seitenflügel, die Frontseite verglast. Die Eingangshalle schießt durch alle vier Stockwerke nach oben. Wie in einem Theater wird sie von seitlich umlaufenden Gängen, die wie Balkons mit Holzgeländern abschließen, umzogen. Von oben hängen große Ballonlampen aus Chinapapier in unterschiedlichen Höhen von der Decke herab.

In der dritten oder vielleicht auch vierten Etage befindet sich der Computerraum. Ich habe vor nicht allzulanger Zeit an der Computer-AG teilgenommen und kann mir, wenn ich will, im Sekretariat den Schlüssel holen. Im Computerraum stehen acht kleine Schwarzweiß-Fernseher, daneben je ein Mono-Kassettenrekorder. Man schaltet die Computer ein, lädt von Kassette ein Programm und kann dann Space Invaders spielen. In Basic programmieren kann man auch, aber das machen nur die Langweiler.

Wir stehen immer noch vor dem Schwarzen Brett, als ein Schüler den wir nicht kennen, er ist vielleicht 15, auf uns zukommt, uns mustert, und dann fragt, wo Konrad Zuse sei. Wir wissen es nicht. Wir wissen nicht wer das ist. Auf Nachfrage erfahren wir, das die Zeitung einen Vortrag von Konrad Zuse für heute und hier angekündigt habe. Wer das denn sei, wollen wir wissen. "Der hat den Computer erfunden!" Wir wissen von nichts und schicken ihn ins Sekretariat.

Den Computer erfunden! Der war gut.

Am nächsten Tag stehen wir wieder vor dem Schwarzen Brett. Das Fest oder die sonstige vergessene Feierlichkeit dauert noch an. Wahrscheinlich gibt es wieder etwas zu besprechen. Durch die Eingangstür kommt ein alter, dünner Mann, Anzug und Brille, schütteres, silbernes Haar, mittelgroß. Er sieht sich um und geht auf uns zu. Da ich am nächsten zu ihm stehe, gibt er mir die Hand und stellt sich vor "Konrad Zuse" und wo der Vortrag sei, er solle heute hier sprechen. Ich sage ungefähr, dass er gestern erwartet worden sei oder die Zeitung habe etwas in der Art geschrieben. Er nickt und sagt dazu mit ernster Stimme, das könne nicht sein, für heute sei er eingeladen, er hoffe, es habe da kein Missverständnis gegeben. Ich sage etwas wie "Nein, nein, das wird schon stimmen. Am besten, sie gehen zum Sekretartiat im ersten Stock." Und ich begleite ihn dorthin.

Den Rest weiß ich nicht mehr. Ich glaube, Konrad Zuse hat dann an diesem Tag seinen Vortrag gehalten. Ich war vermutlich nicht dabei. Vielleicht war der 15-jährige wieder da? Eingefallen ist mir die Sache erst wieder, als ich vor ein paar Jahren im Technikmuseum den Nachbau von Zuses Z1 sah, dem ersten programmierbaren Computer.