Kony Faehre
13.12.2001, 15:35
"Ihnen auch ein Grüß Gott!"
Dieses Verbalpentagramm formulierte Peter Kraus für mich. Jawohl: genau der Peter Kraus und jawohl: genau für mich. Kurz darauf trug er es mir sogar vor. Die Kunstfertigkeit, mit der er diesen vielstufigen Prozess absolvierte, war Zeugnis seiner Größe. In einem einzigen Augenblick von der Schöpfung bis zur Offenbarung! Die jedoch wurde zur Apokalypse für mich.
Für den eiligen Leser sei bemerkt: Das Ereignis ist damit grundsätzlich beschrieben. Peter Kraus grüßte mich zurück. Wenn Sie also noch etwas wichtiges zu besorgen haben, legen Sie diesen Bericht getrost aus der Hand. Ich geben Ihnen noch auf den Weg, dass die Szene auf dem Bahnhof in Innsbruck spielte, schon kennen Sie alle Fakten.
Das Teenager-Idol der 50er Jahre wird unser Zusammentreffen wahrscheinlich nicht in seine Lebensbeichte aufnehmen, denn Peter Kraus war und ist ein sehr wichtiger Mensch, ich aber war und bin sehr unwichtig. Dass er mich überhaupt zurückgrüßte, lag einfach daran, dass ich ihn vorher hingegrüßt hatte.
Und das kam so:
Es war die turbulente Zeit kurz vor der Wiedervereinigung. Bereits einige Wochen vor dem endgültigen Fall der Mauer war es mir und einem sehr schönen geliebten Mädchen (wir sagten damals noch nicht "Frau" zu etwas, das man süß fand), war es uns also gelungen, bis in das westdeutsche München zu kommen. Nicht genug des Glücks: Dort erhielten wir sogar Ausweise für eine Eisenbahnfahrt bis nach Italien.
Da ich meiner Chronistenpflicht mit klinischer Präzision nachkommen möchte, sei gestanden, dass es uns bereits Jahre vor der Maueröffnung wiederholt gelungen war, nach München zu kommen. Schließlich stammten wir beide aus Feldmoching, und die Schwarzfahrt in die Innenstadt war eine seit Schülertagen gepflegte Disziplin. Ich ziehe es jedoch vor, Belanglosigkeiten aus meinem Leben (und nur aus jenen besteht dieses) in irgendeiner Weise mit der Wiedervereinigung in Verbindung zu bringen, weil mir das etwas Profil gibt. Lange habe ich die Menschen beneidet, die facettenreich und stundenlang von ihrer ersten Chiquita und ihrer ersten Fahrt in einem Auto mit Viertaktmotor erzählen konnten, ja sogar mussten, weil die schweißnasse Zuhörerschaft um immer weitere Preisgaben bettelte. Von mir wollte niemand etwas hören, da ich wie gesagt sehr unwichtig bin. Bis mir der Einfall kam, mit den akzentgebenden Details solcher Schilderungen meine narratorisch schlappen Berichte sozusagen zu ossifizieren.
Wichtig: Wer jetzt denkt, "ossifizieren" sei eine auf vordergründigen Wortwitz angelegte, kurzlebige Schöpfung, der irrt. Und zwar irrt der sowas von dermaßen! "Ossifikation" ist ein echtes Fremdwort und heißt "Knochenbildung", wird hier also doppelsinnig gebraucht und ist somit ein tolles Wort, toll platziert, toll angesteuert, irrrrre!
Womit wir wieder beim Thema wären: Was das doch für eine schöne Wirkung hat, München als westdeutsch zu bezeichnen. Und ist dabei irgendwie auch nicht gelogen. Glanzlichter setze ich, indem ich Module austausche: "fahren nach" wird zu "es schaffen bis". Die Zeitangabe "kurz vorm Abitur" kommt rasanter in der Form "da hatten wir die De-Mark gerade noch nicht".
Peter Kraus jedenfalls auf dem Bahnhof in Innsbruck hatte zwei Damen dabei, die etwas jünger waren als er selbst. Alle drei waren gut gekleidet. Ich erkannte ihn jedoch erst, nachdem ich ihn mit meinem schweren Rucksack gestreift hatte. Zu dem Schrecken, einen anderen Menschen gestreift zu haben, kam also der Schock, Peter Kraus gestreift zu haben. Da ich wie gesagt sehr unwichtig bin, war ich sehr überwältigt, und es fiel mir nicht ein, mich zu entschuldigen, sondern ich sagte im Reflex "Grüß Gott". Er antwortete, wie oben geschildert. Die Ausführlichkeit seiner Replik und meine Unbeholfenheit brachten nun wiederum das mich begleitende schöne Mädchen zu einem ungezähmten, sehr lauten Lachen. Alles war mir sehr peinlich.
Dieses Verbalpentagramm formulierte Peter Kraus für mich. Jawohl: genau der Peter Kraus und jawohl: genau für mich. Kurz darauf trug er es mir sogar vor. Die Kunstfertigkeit, mit der er diesen vielstufigen Prozess absolvierte, war Zeugnis seiner Größe. In einem einzigen Augenblick von der Schöpfung bis zur Offenbarung! Die jedoch wurde zur Apokalypse für mich.
Für den eiligen Leser sei bemerkt: Das Ereignis ist damit grundsätzlich beschrieben. Peter Kraus grüßte mich zurück. Wenn Sie also noch etwas wichtiges zu besorgen haben, legen Sie diesen Bericht getrost aus der Hand. Ich geben Ihnen noch auf den Weg, dass die Szene auf dem Bahnhof in Innsbruck spielte, schon kennen Sie alle Fakten.
Das Teenager-Idol der 50er Jahre wird unser Zusammentreffen wahrscheinlich nicht in seine Lebensbeichte aufnehmen, denn Peter Kraus war und ist ein sehr wichtiger Mensch, ich aber war und bin sehr unwichtig. Dass er mich überhaupt zurückgrüßte, lag einfach daran, dass ich ihn vorher hingegrüßt hatte.
Und das kam so:
Es war die turbulente Zeit kurz vor der Wiedervereinigung. Bereits einige Wochen vor dem endgültigen Fall der Mauer war es mir und einem sehr schönen geliebten Mädchen (wir sagten damals noch nicht "Frau" zu etwas, das man süß fand), war es uns also gelungen, bis in das westdeutsche München zu kommen. Nicht genug des Glücks: Dort erhielten wir sogar Ausweise für eine Eisenbahnfahrt bis nach Italien.
Da ich meiner Chronistenpflicht mit klinischer Präzision nachkommen möchte, sei gestanden, dass es uns bereits Jahre vor der Maueröffnung wiederholt gelungen war, nach München zu kommen. Schließlich stammten wir beide aus Feldmoching, und die Schwarzfahrt in die Innenstadt war eine seit Schülertagen gepflegte Disziplin. Ich ziehe es jedoch vor, Belanglosigkeiten aus meinem Leben (und nur aus jenen besteht dieses) in irgendeiner Weise mit der Wiedervereinigung in Verbindung zu bringen, weil mir das etwas Profil gibt. Lange habe ich die Menschen beneidet, die facettenreich und stundenlang von ihrer ersten Chiquita und ihrer ersten Fahrt in einem Auto mit Viertaktmotor erzählen konnten, ja sogar mussten, weil die schweißnasse Zuhörerschaft um immer weitere Preisgaben bettelte. Von mir wollte niemand etwas hören, da ich wie gesagt sehr unwichtig bin. Bis mir der Einfall kam, mit den akzentgebenden Details solcher Schilderungen meine narratorisch schlappen Berichte sozusagen zu ossifizieren.
Wichtig: Wer jetzt denkt, "ossifizieren" sei eine auf vordergründigen Wortwitz angelegte, kurzlebige Schöpfung, der irrt. Und zwar irrt der sowas von dermaßen! "Ossifikation" ist ein echtes Fremdwort und heißt "Knochenbildung", wird hier also doppelsinnig gebraucht und ist somit ein tolles Wort, toll platziert, toll angesteuert, irrrrre!
Womit wir wieder beim Thema wären: Was das doch für eine schöne Wirkung hat, München als westdeutsch zu bezeichnen. Und ist dabei irgendwie auch nicht gelogen. Glanzlichter setze ich, indem ich Module austausche: "fahren nach" wird zu "es schaffen bis". Die Zeitangabe "kurz vorm Abitur" kommt rasanter in der Form "da hatten wir die De-Mark gerade noch nicht".
Peter Kraus jedenfalls auf dem Bahnhof in Innsbruck hatte zwei Damen dabei, die etwas jünger waren als er selbst. Alle drei waren gut gekleidet. Ich erkannte ihn jedoch erst, nachdem ich ihn mit meinem schweren Rucksack gestreift hatte. Zu dem Schrecken, einen anderen Menschen gestreift zu haben, kam also der Schock, Peter Kraus gestreift zu haben. Da ich wie gesagt sehr unwichtig bin, war ich sehr überwältigt, und es fiel mir nicht ein, mich zu entschuldigen, sondern ich sagte im Reflex "Grüß Gott". Er antwortete, wie oben geschildert. Die Ausführlichkeit seiner Replik und meine Unbeholfenheit brachten nun wiederum das mich begleitende schöne Mädchen zu einem ungezähmten, sehr lauten Lachen. Alles war mir sehr peinlich.