Gustl Glaser
07.12.2001, 10:38
Vor vielen Jahren hätte ich beinahe einmal einen Promi schwer beleidigt, weil ich ihn versehentlich zu höflich paparazzt habe. Und das kam so: Ich war am Neusiedlersee im Urlaub und wollte Wein kaufen. Ich fuhr in den Hof eines Weinguts in Rust, stieg aus und schaute mich suchend um. Vor dem Winzerhaus saßen auf einer Bank drei fröhliche Zecher in der Abendsonne. Einer von ihnen – meine Erinnerung spielt mir das Bild Luciano Pavarottis ein, aber es kann sein, dass er ganz anders aussah – rief mir mit sonorer Stimme entgegen: „Ah, aus Würrrzburrrg kommen Sie, junger Freund !“ Er meinte mich. Offenbar hatte er auf das Nummernschild gesehen. Ob er tatsächlich „junger Freund“ gesagt hat, weiß ich nicht mehr. Es würde auf jeden Fall gut zu seinem grandseigneurhaften Sprachduktus und dem feudalen Gehabe passen, mit dem er sich im Glanz der Abendsonne suhlte und an das (bzw. den) ich mich ganz sicher erinnere. Historische Exaktheit hin oder her – um einen atmosphärischen Eindruck der Situation zu vermitteln, werde bei der Anrede „junger Freund“ bleiben. Ich reagierte verhalten und schaute mich weiter nach der Winzerin um. Der Sonore ließ nicht locker: „In Würrrrzburrrrg bin ich auch schon oft gewesen, junger Freund !“ Ich nickte ihm freundlich zu (Wo nur die Winzerin steckte ?). „Dort gibt es ja auch hervorragenden Wein, junger Freund !“ machte er weiter. Ich blieb verbindlich. Da endlich kam die Winzerin aus dem Haus. Sie stürzte auf mich zu, umarmte mich, herzte mich (ich hatte sie vorher noch nie gesehen) und rief: „Jessas !“ (oder was man im Burgenland als Ausruf des Entsetzens so von sich gibt) „Jetzt ham´ Sie den berüüüüüüühmten Bernd Weikl gar net erkannt.“ Um einen schlimmen Eklat zu vermeiden, schlug ich mir geistesgegenwärtig mit der flachen Hand auf die Stirn und rief, plötzliche Erkenntnis vortäuschend: „Jetzt !“ oder „Richtig!“ o.s.ä. Ich wusste, dass ich den Sonoren nun irgendwie verzückt ansehen musste, schließlich handelte es sich um Bernd Weikl (keine Ahnung, wer das war). Ich versuchte, dem Blick, den ich auf ihn warf, etwas Fasziniertes zu geben. Als ich den Weinkauf erledigt hatte und zum Auto ging, rief mir Bernd Weikl nach: „Und grrrüßen Sie mir das Käpelle, junger Freund !“ Das Käpelle ist eine Wallfahrtskirche aus dem Rokoko oberhalb Würzburgs. Ich hatte es nach meiner Rückkehr schon unzählige Male gegrüßt, als ich endlich erfuhr, dass Bernd Weikl ein Opernsänger ist, der an allen großen Opernhäusern dieser Welt auftritt.