der hausm
05.12.2001, 16:20
Die Hauptrolle in dieser Geschichte spielt kein Mensch, sondern eine Immobilie, die mittelbar zur Berühmtheit geworden ist, weil ... aber alles der Reihe nach.
Als ich 1993 nach Hamburg kam, wohnte ich erst auf der abgenutzten Matratze eines befreundeten Paares namens Maria & Klemens. Als nach einem halben Jahr mein Körper meinte, mich durch Gastritis darauf aufmerksam machen zu müssen, daß ein 5 Quadratmeter großes Zimmer mit Blick auf 2 Mülltonnen und einem an Schlaflosigkeit leidenden türkischen Kneipenwirt (der unter uns seine Gastwirtschaft namens "Lindenstübchen" betrieb), als mein Körper mich also darauf aufmerksam machte, das sei kein Zustand, zog ich aus - und zwar direkt in die Klopstockstrasse, von der nur Hanseaten wissen, daß sie direkt in die Elbchaussee mündet und das gilt in dieser Stadt was.
Anschließend - und nun beginnt sich die Geschichte langsam anzubahnen - zog ich mit meiner damaligen Freundin S. in die Bülowstrasse und von dort dann in die Moltkestrasse Nummer 36 in Hamburg-Hoheluft - und zwar gemeinsam mit den anfänglich erwähntem Paar namens Maria & Klemens.
Die Moltkestrasse also. Die Moltkestrasse war keine Wohnung sondern ein zweigeschossiges Haus mit Garten und 2 Terrassen und 3 Schlafzimmern und 1 riesigem Wohnzimmer (auf den Garten raus) und zwei Zimmern im 2. Stock, eines davon so wunderbar sonnig, daß wir uns kaum entschließen konnten, wer dort wohnen sollte, so lichtdurchflutet und schwebend lebte es sich dort. Im Keller noch die obligate Garage und diverse Nebenräume, die wir binnen weniger Monate mit diversen Mitbringseln vollstellten. Hinten raus im Keller ein Arbeitszimmer - zwei Treppen hoch und schon war man im Garten. Alles in allem der schönste Platz, an dem ich bislang gewohnt habe.
Wie das manchmal so ist ,zerbröselten die Lebensgemeinschaften - und so zogen S. und K. aus und es kamen div. Untermieter wie etwa Stephan und Caroline, zwischendurch Martin und Tallin - letztere war damals Medizinstudentin und bevor sie bei uns einzog kamen ihre Eltern, um zu sehen, zu wem sie da zog. Daß wir 4 gutverdienende Menschen in äußerst respektablen Jobs waren hielt die Eltern nicht davon ab, in mein Schlafzimmer zu linsen und "hm hm" zu machen. Tallin (ihr Vater ist Armenier, daher der Name) lebte sehr asketisch und zurückhaltend und vegetarisch, was sie nicht davon abhielt, sich kurz vor der Beendigung ihres Studiums in einen alkoholtrinkenden, lauten, sehr gutaussehenden Raucher zu verlieben. Das erklärt vielleicht, warum sie heute eine brilliante Anästhestistin ist, also eine Ärztin, deren Lebenszweck darin besteht, andere möglichst effektiv zu betäuben, damit man ihnen schmerzlos was abschneiden kann.
Diese Wohngemeinschaft gab Anlaß für einige Feste, in denen es immer irgendwie um Österreich ging, denn Maria & ich, die beiden Ösis, dominierten gnadenlos den Rest der bundesrepublikanischen Mitbewohner. Im übrigen vermieden wir alles, was uns den Anschein einer klassischen WG gab - wir debattierten weder Abwasch-Zyklen noch Kehrtage noch Teach-ins, nein, wir beschäftigten eine nette Dame, die sauber machte. Allein bei der Verbringung des Altpapiers kam es zu regelmäßigen Debatten, die wir dadurch lösten, daß wir den 1 Meter hohen Stapel in den Container des Nachbarhauses warfen, was leider aufflog, weil ja an den Abo-Banderolen der Zeitschriften unsere Namen standen.
Der Besitzer des Hauses ist ein Hamburger Frauenarzt, von dem sich herausstellte, daß er und ich eine gemeinsame Freundin haben, eine Amerikanerin, die als Psychoanalytikerin in Wien lebt, aber das nur nebenbei.
Wir lebten in der Moltkestrasse rund drei Jahre lang, dann ging Maria zurück nach Wien, Tallin promovierte, Stephan gründete ein Neweconomy-Imperium, ich ging nach Berlin - und es folgte uns eine echte WG nach, die gleich mal was violett anstrich und in der Küche einen Gemeinschaftskalender mit WC-Reinigungs-Zyklen aufhing.
Die Moltkestrasse wäre eine schöne Erinnerung geblieben, wäre sie nicht vor ein paar Wochen in der BUNTEN abgebildet gewesen. Unsere Moltkestraße, in der BUNTEN! Und da sah man ein Foto von der Fassade des Hauses, links das Küchenfenster, rechts einen kleinen Ausschnitt der Terrasse mit meinem Schlafzimmerfenster und vor dem Eingangstor einen Riesenstapel Altpapier und div. Müllbeutel.
Was macht unsere Moltkestrasse in der BUNTEN fragte ich mich - und entdeckte, daß nach der WC-Reinigungs-Kalender-WG Frau Yvonne Viehöfer eingezogen war, also die in Scheidung lebende Frau von Klausjürgen Wussow, über die die BILDzeitung einen Fortsetzungsroman mit ca. 1.000 Folge schreibt, in dem es um Wahnsinn, Kinder und enthemmte Journalisten geht. Die BUNTE wußte zu berichten, daß das "Luxushaus" aufgrund finanzieller Probleme mittlerweile vom Sozialamt bezahlt werde und daß Frau Wussow allein mit Kind in den riesigen Hallen lebe.
Seit damals kann ich an keinem Kiosk mehr vorbeigehen, ohne die Cover der Yellowpress zu studieren und jedesmal sehe ich irgendwo einen Hinweis auf unsere Moltkestrasse - erst neulich ein Foto auf das neue (die neue? der neue?). Dort fragte man sich, ob Frau Wussow bald aus dem "Luxushaus" direkt in eine Sozialwohnung übersiedeln müsse.
Auch von einem Garagen-sale wußte irgendein Blatt zu berichten (BILD?), den Ffrau Wussow zum Geldverdienen veranstalten werde. Leider ist er mittlerweile abgesagt worden, denn ich hätte sehr gerne die alte Leiter wieder gekauft, die wir seinerzeit in der Moltkestraße zurückgelassen haben; vielleicht hätte Frau Wussow auch den alten Schreibtisch angeboten, den wir vor 10 Jahren aus Wien mühselig nach Hamburg transportiert hatten und mangels Verwendungszweck in der Moltkestraße zurückgeließen.
Eine Nachbarin hat mir kürzlich erzählt, Frau Wussow habe kurz nach ihrem Einzug einige Räume rot ausmalen lassen und die ganze Nacht brenne das Licht, weshalb das Haus aussehe wie ein zweifelhaftes Etablissement. Nun ja.
In ganz dunklen Stunden sitze ich seitdem da und stelle mir vor, daß in meinem ehemaligen Schlafzimmer ein riesiger Berg ungeöffneter Briefe vom Hamburger Sozialamt liegt, dazwischen ein Brief von unserem ehemaligen Wohnungsgeber, der fragt, wie das denn sei mit der Miete, das sei doch alles vereinbart gewesen und sie könne doch nicht. Herr R. ist nämlich ein etwas umständlicher Mensch, dem man lange zuhören muß, bis man versteht, was er meint.
Im Garten wachsen übrigens Walderdbeeren, gleich links, wenn man die Treppe vom Wohnzimmer hinuntergeht. Im späten Sommer ernteten wir regelmäßig 3 Stück.
Als ich 1993 nach Hamburg kam, wohnte ich erst auf der abgenutzten Matratze eines befreundeten Paares namens Maria & Klemens. Als nach einem halben Jahr mein Körper meinte, mich durch Gastritis darauf aufmerksam machen zu müssen, daß ein 5 Quadratmeter großes Zimmer mit Blick auf 2 Mülltonnen und einem an Schlaflosigkeit leidenden türkischen Kneipenwirt (der unter uns seine Gastwirtschaft namens "Lindenstübchen" betrieb), als mein Körper mich also darauf aufmerksam machte, das sei kein Zustand, zog ich aus - und zwar direkt in die Klopstockstrasse, von der nur Hanseaten wissen, daß sie direkt in die Elbchaussee mündet und das gilt in dieser Stadt was.
Anschließend - und nun beginnt sich die Geschichte langsam anzubahnen - zog ich mit meiner damaligen Freundin S. in die Bülowstrasse und von dort dann in die Moltkestrasse Nummer 36 in Hamburg-Hoheluft - und zwar gemeinsam mit den anfänglich erwähntem Paar namens Maria & Klemens.
Die Moltkestrasse also. Die Moltkestrasse war keine Wohnung sondern ein zweigeschossiges Haus mit Garten und 2 Terrassen und 3 Schlafzimmern und 1 riesigem Wohnzimmer (auf den Garten raus) und zwei Zimmern im 2. Stock, eines davon so wunderbar sonnig, daß wir uns kaum entschließen konnten, wer dort wohnen sollte, so lichtdurchflutet und schwebend lebte es sich dort. Im Keller noch die obligate Garage und diverse Nebenräume, die wir binnen weniger Monate mit diversen Mitbringseln vollstellten. Hinten raus im Keller ein Arbeitszimmer - zwei Treppen hoch und schon war man im Garten. Alles in allem der schönste Platz, an dem ich bislang gewohnt habe.
Wie das manchmal so ist ,zerbröselten die Lebensgemeinschaften - und so zogen S. und K. aus und es kamen div. Untermieter wie etwa Stephan und Caroline, zwischendurch Martin und Tallin - letztere war damals Medizinstudentin und bevor sie bei uns einzog kamen ihre Eltern, um zu sehen, zu wem sie da zog. Daß wir 4 gutverdienende Menschen in äußerst respektablen Jobs waren hielt die Eltern nicht davon ab, in mein Schlafzimmer zu linsen und "hm hm" zu machen. Tallin (ihr Vater ist Armenier, daher der Name) lebte sehr asketisch und zurückhaltend und vegetarisch, was sie nicht davon abhielt, sich kurz vor der Beendigung ihres Studiums in einen alkoholtrinkenden, lauten, sehr gutaussehenden Raucher zu verlieben. Das erklärt vielleicht, warum sie heute eine brilliante Anästhestistin ist, also eine Ärztin, deren Lebenszweck darin besteht, andere möglichst effektiv zu betäuben, damit man ihnen schmerzlos was abschneiden kann.
Diese Wohngemeinschaft gab Anlaß für einige Feste, in denen es immer irgendwie um Österreich ging, denn Maria & ich, die beiden Ösis, dominierten gnadenlos den Rest der bundesrepublikanischen Mitbewohner. Im übrigen vermieden wir alles, was uns den Anschein einer klassischen WG gab - wir debattierten weder Abwasch-Zyklen noch Kehrtage noch Teach-ins, nein, wir beschäftigten eine nette Dame, die sauber machte. Allein bei der Verbringung des Altpapiers kam es zu regelmäßigen Debatten, die wir dadurch lösten, daß wir den 1 Meter hohen Stapel in den Container des Nachbarhauses warfen, was leider aufflog, weil ja an den Abo-Banderolen der Zeitschriften unsere Namen standen.
Der Besitzer des Hauses ist ein Hamburger Frauenarzt, von dem sich herausstellte, daß er und ich eine gemeinsame Freundin haben, eine Amerikanerin, die als Psychoanalytikerin in Wien lebt, aber das nur nebenbei.
Wir lebten in der Moltkestrasse rund drei Jahre lang, dann ging Maria zurück nach Wien, Tallin promovierte, Stephan gründete ein Neweconomy-Imperium, ich ging nach Berlin - und es folgte uns eine echte WG nach, die gleich mal was violett anstrich und in der Küche einen Gemeinschaftskalender mit WC-Reinigungs-Zyklen aufhing.
Die Moltkestrasse wäre eine schöne Erinnerung geblieben, wäre sie nicht vor ein paar Wochen in der BUNTEN abgebildet gewesen. Unsere Moltkestraße, in der BUNTEN! Und da sah man ein Foto von der Fassade des Hauses, links das Küchenfenster, rechts einen kleinen Ausschnitt der Terrasse mit meinem Schlafzimmerfenster und vor dem Eingangstor einen Riesenstapel Altpapier und div. Müllbeutel.
Was macht unsere Moltkestrasse in der BUNTEN fragte ich mich - und entdeckte, daß nach der WC-Reinigungs-Kalender-WG Frau Yvonne Viehöfer eingezogen war, also die in Scheidung lebende Frau von Klausjürgen Wussow, über die die BILDzeitung einen Fortsetzungsroman mit ca. 1.000 Folge schreibt, in dem es um Wahnsinn, Kinder und enthemmte Journalisten geht. Die BUNTE wußte zu berichten, daß das "Luxushaus" aufgrund finanzieller Probleme mittlerweile vom Sozialamt bezahlt werde und daß Frau Wussow allein mit Kind in den riesigen Hallen lebe.
Seit damals kann ich an keinem Kiosk mehr vorbeigehen, ohne die Cover der Yellowpress zu studieren und jedesmal sehe ich irgendwo einen Hinweis auf unsere Moltkestrasse - erst neulich ein Foto auf das neue (die neue? der neue?). Dort fragte man sich, ob Frau Wussow bald aus dem "Luxushaus" direkt in eine Sozialwohnung übersiedeln müsse.
Auch von einem Garagen-sale wußte irgendein Blatt zu berichten (BILD?), den Ffrau Wussow zum Geldverdienen veranstalten werde. Leider ist er mittlerweile abgesagt worden, denn ich hätte sehr gerne die alte Leiter wieder gekauft, die wir seinerzeit in der Moltkestraße zurückgelassen haben; vielleicht hätte Frau Wussow auch den alten Schreibtisch angeboten, den wir vor 10 Jahren aus Wien mühselig nach Hamburg transportiert hatten und mangels Verwendungszweck in der Moltkestraße zurückgeließen.
Eine Nachbarin hat mir kürzlich erzählt, Frau Wussow habe kurz nach ihrem Einzug einige Räume rot ausmalen lassen und die ganze Nacht brenne das Licht, weshalb das Haus aussehe wie ein zweifelhaftes Etablissement. Nun ja.
In ganz dunklen Stunden sitze ich seitdem da und stelle mir vor, daß in meinem ehemaligen Schlafzimmer ein riesiger Berg ungeöffneter Briefe vom Hamburger Sozialamt liegt, dazwischen ein Brief von unserem ehemaligen Wohnungsgeber, der fragt, wie das denn sei mit der Miete, das sei doch alles vereinbart gewesen und sie könne doch nicht. Herr R. ist nämlich ein etwas umständlicher Mensch, dem man lange zuhören muß, bis man versteht, was er meint.
Im Garten wachsen übrigens Walderdbeeren, gleich links, wenn man die Treppe vom Wohnzimmer hinuntergeht. Im späten Sommer ernteten wir regelmäßig 3 Stück.