Tobi Wahn
10.05.2012, 01:17
Der Vorsitzende des Walter-Kempowski-Fanclubs, der Frau Haberlandt engagiert hat, um drei Geschichten des Idols vor Publikum vorzulesen, schwitzt bei der Einführung in den Abend wie ein Schwein. Seine Hand, die krampfig den Zettel mit den nicht zu vergessenden Stichworten für seinen Kurzvortrag hält, zittert wie bei einem epileptischen Anfall, aber trotzdem macht alles, was aus seinem Mund kommt, Sinn, klingt sehr gelehrt und ist sogar ziemlich unterhaltsam.
Fast 150 Menschen haben sich in den studentisch geprägten Rock-Schuppen in der mittelhessischen Provinz-Metropole gequetscht und machen enttäuschte Ooooch-Gesichter, wenn sie erfahren, dass es leider weder Cappuccino noch trockenen Rosé gibt.
Verwelkte Endfünfzigerinnen, die aus alter Gewohnheit dem Typ hinterm Tresen zuzwinkern, asiatische Austauschstudentinnen, die meinen, hier ein wichtiges Stück deutschen Kulturgutes mit bekommen zu können, die dickbäuchige Lokalkulturprominenz und natürlich ohne Ende Germanisten.
Fritzi Haberlandt steht plötzlich auf der Bühne, niemand hat sie vorher wirklich wahr genommen. Mit ihrem schwarzen Sack-Kostüm, das den gleichen niedlich weißen Kragen hat, wie auf ihrem Promofoto, hätte sie ebenso gut als eine der ebenfalls anwesenden Angewandten Theaterwissenschaftlerinnen durch gehen können, die noch immer glauben, sich wenigstens vom Style her von all den anderen abgrenzen zu können.
Sie liest drei Kapitel aus drei verschiedenen Büchern Kempowskis und macht das recht ordentlich. Schlimm wird es wie immer, als danach das "Publikumsgespräch" in Gang zu bringen versucht wird. Neben dem Vorsitzenden ist jetzt außerdem noch der Schriftführer auf der Bühne, der mit Brille, Pullunder und beigem Cordsakko sowas von brutal allen Blödmannsklischees von Germanistik-Magistern entspricht, dass sich niemand mehr trauen würde, einer erfundenen Person in einer selbst ausgedachten Geschichte derart anzuziehen.
70% des Publikums strömen nach knapp 90 Minuten, als alles vorbei ist, ins Freie und nach Hause, der Rest stellt sich brav an, um sich eine Unterschrift auf irgendwas von Frau Haberlandt geben zu lassen. Irgendwer hat sogar seine DVD-Hülle von "Eine Insel namens Udo" dabei.
Hinterher steht man vor der Tür und lässt den Abend ausklingen. Fritzi Haberlandt raucht wie eine 14-Jährige, eng bedrängt vom Vorsitzenden, dem Schriftführer und deren ehemaligen Profs, die sich gönnerhaft die Monologe der Wortführer anhören, in denen es um zu haltenden wichtige Vorträge geht und wie verrückt es doch ist, bei dem und dem Autor aufgrund einer häufig erwähnten Schnapsmarke ein geheimes Zitat entdeckt zu haben. Sie nickt artig an den richtigen Stellen.
Der Schriftführer mit dem Sakko fährt Frau Haberlandt ins Hotel, Frauen mit teuren Kameras knipsen den beiden zum Abschied schamlos hinterher.
TL; DR:
Frau Haberlandt sieht im Profil aus wie ein Kinderspielplatz: Oben die Schaukel, in der Mitte die Rutsche und unten die Wippe.
Fast 150 Menschen haben sich in den studentisch geprägten Rock-Schuppen in der mittelhessischen Provinz-Metropole gequetscht und machen enttäuschte Ooooch-Gesichter, wenn sie erfahren, dass es leider weder Cappuccino noch trockenen Rosé gibt.
Verwelkte Endfünfzigerinnen, die aus alter Gewohnheit dem Typ hinterm Tresen zuzwinkern, asiatische Austauschstudentinnen, die meinen, hier ein wichtiges Stück deutschen Kulturgutes mit bekommen zu können, die dickbäuchige Lokalkulturprominenz und natürlich ohne Ende Germanisten.
Fritzi Haberlandt steht plötzlich auf der Bühne, niemand hat sie vorher wirklich wahr genommen. Mit ihrem schwarzen Sack-Kostüm, das den gleichen niedlich weißen Kragen hat, wie auf ihrem Promofoto, hätte sie ebenso gut als eine der ebenfalls anwesenden Angewandten Theaterwissenschaftlerinnen durch gehen können, die noch immer glauben, sich wenigstens vom Style her von all den anderen abgrenzen zu können.
Sie liest drei Kapitel aus drei verschiedenen Büchern Kempowskis und macht das recht ordentlich. Schlimm wird es wie immer, als danach das "Publikumsgespräch" in Gang zu bringen versucht wird. Neben dem Vorsitzenden ist jetzt außerdem noch der Schriftführer auf der Bühne, der mit Brille, Pullunder und beigem Cordsakko sowas von brutal allen Blödmannsklischees von Germanistik-Magistern entspricht, dass sich niemand mehr trauen würde, einer erfundenen Person in einer selbst ausgedachten Geschichte derart anzuziehen.
70% des Publikums strömen nach knapp 90 Minuten, als alles vorbei ist, ins Freie und nach Hause, der Rest stellt sich brav an, um sich eine Unterschrift auf irgendwas von Frau Haberlandt geben zu lassen. Irgendwer hat sogar seine DVD-Hülle von "Eine Insel namens Udo" dabei.
Hinterher steht man vor der Tür und lässt den Abend ausklingen. Fritzi Haberlandt raucht wie eine 14-Jährige, eng bedrängt vom Vorsitzenden, dem Schriftführer und deren ehemaligen Profs, die sich gönnerhaft die Monologe der Wortführer anhören, in denen es um zu haltenden wichtige Vorträge geht und wie verrückt es doch ist, bei dem und dem Autor aufgrund einer häufig erwähnten Schnapsmarke ein geheimes Zitat entdeckt zu haben. Sie nickt artig an den richtigen Stellen.
Der Schriftführer mit dem Sakko fährt Frau Haberlandt ins Hotel, Frauen mit teuren Kameras knipsen den beiden zum Abschied schamlos hinterher.
TL; DR:
Frau Haberlandt sieht im Profil aus wie ein Kinderspielplatz: Oben die Schaukel, in der Mitte die Rutsche und unten die Wippe.